Auf ungewöhnlichem lveze. Bon Wo ritz Lilie. Die fit Etage eine eleganten Hau. sei tm Westen Berlin! bewohnt mit ih, w Tochter und Dienerschaft Frau Ro thenberg, die eiche Willwe eine der kildkiijtudsten Großindustrie". der Reichihauxtstadt. Bor Kurzem hatte sich die Dame eine eigene Villa tn der Rest, denz gekauft und Infolge dessen ihre vi herige Wohnung gekündigt, letztere aar aber sofort wieder vermuthet worden und zwar an Herrn Silberstein, einen der be kanntest en Berliner Bankier. Wenige Wochen vor dem bevorstehen den Umzüge saßen eines Vormittag Frau Rolhenberg mit ihrer Tochter Ella beim Frühstück, als draußen die elektrische Vorsaalglocke ertönte. Leise trat der Diener ein und meldete einen Herrn und ine Dame, welche die Frau de Hause zu sprechen wünschten. .Führ si tn den Salon ntschied die Wittwe, indem sie die Serviette au der Hand legte und sich erhob. Dann warf si rasch noch einen Blick in den Spiegel, zupfte hier und da ein Band, eine Spitze zurecht und verließ da Zim mer, um die Fremden zu empfangen. E war ein Mann von etwa sünfund dreißig Jahren, einfach aber sauber ge kleidet. Beim Eintritt der Dame machte er eine Verbeugung wie ein zuklappende Taschenmesser und der Hut in seinen Hirn den drehte sich gleich einem in Gange be findlichen Carrouffel; um die Lippen aber spielte jene verlegene Lächeln, da sich in Gegenwart von Frauen häufig bei de nen einstellt, welche bisher wenig Umgang mit Damen halten. Desto unbefangener erschien feine Be gleiterin. eine auffallend starke Person, die den Wendepunkt de Schmabenalter offenbar langst hinter sich hatte. Sie trug sich riesig aufgedonnert, in den Oh rea blitzten Simili-Brillanten und auf der dicken Halskette mit Medaillon, dem schweren UhrgehZnge und den breiten Armbändern hätte ein geübte Auge den Stempel: Schweich Gebrüder", den bekannten Herstellern der Talmi'Schmuck fachen, entdecken können. Beim Eintre ten der Frau Rothenberg machte sie inen Knix, so tief 3 ihr Corpulinz zuließ, die freilich diese Art der Begrüßung für tie dicke Dame zu einer sehr schmierigen Procedur gestaltete. Um Berjebung, jnSdige Frau be gann die Dicke im unverfälschten Dialekte Gpreeathen, ick und der Herr hier find Besitzer einer Möbelhalle, wissen Sie, von nur jut feine Sachen, denn mit so'n Schundzeug jeden wir uns nicht ab. Jestern nun, war der Herr Bankier Eil, bn stein bei un in' Geschäft, um sich Möbels vor seine Wohnung auszusuchen, die er ja woll hier jemtethet hat. Aber er konnte sich man nicht entschließen, weil er die Breite und Höhe der Wände nicht kannte, und det muß man doch wissen, wenn an Möbel stellen will. Herr Silberflein hat uS daher jebeten, un die neue Wohnung mal anzusehen, und ick wollte Ei. bitten, unS zu jestatten, det wir die Zimmer man mal auömessen dürfen Warum sollte ich Ihnen das vermei gern, versetzte Frau Rothenberg, Bitte, messen Sie, so viel Sie wollen 1' Dem jungen Manne schien die Sache nicht mehr so ganz angenehm zu sein, mit der fetten Dame hier zu erscheinen. Diese aber war voller Seelenruhe. Ick danke Ihnen, jnädlge Frau!" fuhr die Möbelhändlerin fort, indem sie - in langes Metermaß aus der Tasche zog Kommen Sie, Herr Marlow, fassen Sie man mit an Die Beiden begannen nun die WZnde abzumessen und die Zahlen auf ein Blatt Papier zu notiren. Hierher das Büffet, da hat der Ver tiko Raum, dieser Platz ist für eine Ca seuse erklärte mehr zu sich selbst als zu ihrem Begleiter die Dicke. Ueberhaupt schien der Mann durchaus nicht bei der Sache zu sein ; er sah sich aufmerksam im Zimmer um ; er betrachtete die Bilder und Nippsachen und blickte auffallend oft nach der Thür, als volle er sich den Au gang sichern. Im Wohnzimmer, welches sie nun be traten, saß Ella, mit einer feinen Hand, arbeit beschäftigt. Sie erwiderte den ' Gruß der Möbelhändlerin mit inem freundlichen Kopfnicken, ließ sich aber fönst nicht weiter stören. Desto aufmeik samer war Herr Marlow geworden und so oft e, ohne ausdringlich zu sein, ge fchehen konnte, ruhten feine Augen auf den hübschen, jugendlich frischen Zügen de Mädchen. Auch die dicke Frau schaute öfter verstohlen zu ihr hin und dann begegneten sich verftändnißvolle Blicke der beiden Möbelinhaber. Endlich hatten sie ihren Zweck erreicht und verabschiedeten sich von den beiden Damen. Diesmal gab sich Marlow Mühe, eine möglichst correcte Verbeugung zu machen, wa ihm auch so ziemlich ge lang. Kaum eine halbe Stunde nach der Ent fernung der Möbelhändler schlug die Vorsaalglocke wiederum an und der Die ner meldete den Herrn Bankier Silber stein. Auch er erdal sich die Erlaubniß, die Wohnung noch einmal besichtigen zu dürfen, um für etwaige Reparaturen und Veränderungen schon jetzt Anordnungen zu treffen. Sie scheinen Ihren Hausstand ver größern zu wollen, Herr Silbersteln sagte Frau Rothenberg, während sie den Besucher durch die Wohnräume führte, Wenigsten beabsichtigen Sie wohl be deutende Neuanschaffungen an Mobiliar zu machen?- Der Bankier schaute die Dame erstaunt und fragend an. Woraus schließen Sie das, gnädige Frau?" versetzte er. Nun, die Leute, welche Sie beauftragt haben, die Zimmer aukzumessen, haben Der SmltWM J J I Jahrgang 14. Beilage zum Nebraska taats-Anzeiger. No. 48. da Hau eben erst verlassen berichtete Frau Rothenberg. .Leute beaustragt? Zimmer auSge messen? Sie sprechen in Räthseln, Frau Rothenberg!" Aber Herr Silberflein besinnen Sie sich doch?' rief Letztere lachend. Die furchtbar dicke Frau und der jün gere Mann, die Inhaber des Magazin, in welchem Sie die neuen Möbel zu kau fen beabsichtigen, waren hier, um in Ihrem Auftrage die Räume in Augen schein zu nehmen." Ich will nicht Silberflein heißen, wenn ich irgend Jemandem einen der artigen Autfrag gegeben habe!" betheuerte der Bankier fast heftig, Möbel kau. fen denk nicht daran, habe alle Zim mer voll stehen!" ,Wa in aller Welt könnten aber die Leute damit bezweckt haben?" warf Ella ein. Da will ich Ihnen sagen, meine Damen: bemausen will man mich, wie ich schon vor drei Monaten schändlich besteh len worden bin," eiferte der Herr und sein Gesicht ward purpurroth vor Er regung. Hier liegt ein schwarze Com plolt vor, das dicke Weib und ihr sauberer Gefährt siud Spitzbubengesindel!" Sie gehen wchl zu weit " Sicher nicht, gnädige Frau unter brach Jener rasch, die Menschen haben sich bloS Kenntniß von den Räumlichkei len verschaffen, sich bloS unterrichten wollen, wo ich meinen Schreibsecrelär, meinen Geldschrank hinstelle, damit sie bei dem beabsichtigten Einbruch genau Bescheid wissen. Aber ich will ihnen einen Strich durch die Rechnung machen, ich lege auf jeder Thürschwelle Fuchs eisen, ich stopfe in jede Schlüsselloch eine Dvnamiipalrone, jeder Schreibtischkasten soll eine Pulvermine enthalten, die da Spitzbubenvolk zerschmettern wird, ich ich '. Er schmieg erschöpft, sein Vorrath von Mordwerkzeugen war zu Ende. Die Dame würde wohl Mühe haben, durch ein Fenster einzusteigen und der Herr sah wirklich nicht aus wie ein Dieb," meinte das junge Mädchen. Da ist eben das Gefährliche bei dieser Sorte, daß sie meist ein vertrauen, erweckende Aeußere haben eiferte der Bankier. Wenn so ein Kerl mit einen, Knüttel in der Hand zu Ihnen gekommen wäre, hätten Sie ihn 'gewiß nicht die Zimmer auSmessen lassen." Gegen diese Logik war freilich nichts einzuwenden, daS war unfehlbar richtig. Frau Rothenberg nickte zustimmend mit dem Kopfe. Vor Kurzem haben die Gauner erst das Hau verlassen, sagten Sie?' forschte der Mann weiter, als komme ihm plötz lich eine gute Idee. Dann fort, ihnen nach, eine dicke Frau mit einem jün geren Herrn, die sind leicht zu erkennen. Geben Sie mir Ihren Diener mit, gnä dige Frau, damit ich nicht allein bin; er hat auch die Spitzbuben gesehen und wird sie gewiß wieder herausfinden." Friedrich, der Lakai, wurde gerufen ; er erklärte, daß er die beiden Verdächti gen in ein Restaurant nur einige Häuser entfernt h,ibe eintreten sehen. .Da Gesinde! sitzt in der Falle, hal ten wir eS darin fest !' ries der Bankier. Rufen Sie einen Schutzmann, Fried rich, er mag uns begleiten!" Würde da nicht zu großes Aufsehen erregen, Herr Silberflein?" warf Frau Rothenberg ein, man könnte leicht auf die Vermuthung kommen, Sie selbst seien ein Angeschuldigter, den man nach der Etattoogtei transportirt." Sie haben recht, nein, das geht nicht, ' stimmte Jener bei, mich, den Bankier Silberflein, den di ganze Stadt kennt, in Begleitung eine Schutzmanns aus der Straße zu sehen Gott der Gerechte, was würde die Welt dazu sagen! Kernt men Sie, Friedrich, aber ohue polizeiliche Bedeckung l" Er verabschiedete sich und bald darauf traten sie in die bezeichnete Wirthschaft in. Richtig, da saßen die Beiden in aller GemJlhSiuhe und ließen sich eS wohl sein. Der Herr kämpfte tapfer mit ei nem furchtbar zähen Beefsteak und eS war höchst fraglich, wer in diesem schwe ren Ringen den Sieg davon tragen werde ; die dicke Frau dagegen halte ein riesiges Omelett vor sich liegen, das sie unbarm herzig zerfleischte und in gewaltigen Bis sen verschlang. Am liebsten wäre Herr Silbeistein auf das Paar losgestürzt und hätte es abgeschütlelt; eine grimme Wuth erfaßte ihn, als er fal), mit welcher schein baren Harmlosigkeit die beiden sich der anmuthigen Beschäftigung widmeten. Aber eS waren noch andere Gäste da, und er wollt eine öffentliche Scene vermei den. Ohn weiteres nahm er an demsel den Tisch Platz, während Friedrich sich als Reservetruxpe in einiger Entfernung niederließ. Sie haben sich heute In das HauS stniß Nr. 18, erste Etage einge schlichen, waS bezweckten Sie damit?' begann Silbergcin das Verhör. , Nanu, Männeken, von tirjeschlichen iS nra keene Rede, mir sind stolz wie Oöksr durch die Thüren spaziert und von Madrme im Salon bejrüßt worden, wie e sich für honett Leut jebührt ver setzte dre Dicke. Wer find Sie denn?" forschte der Bankier weiter. Wer ick bin, kann Ihnen jleichjiltig sind und dieser Herr da ist mein Mann," war die Antwort. Na ich danke, die ist mir zu fett," flüsterte Marlow. Sie haben sich unter Vorspiegelung falscher Thatsachen in die Wohnung ein, geführt, welche vom nächsten Quartale ab ich beziehen werde," erklärte Silber stein; da ist im höchsten Grade ver dächtig, und ich werd Si verhaften lassen, wenn Sie nicht die Wahrheit de kennen." Man immer jemüthlich, Männeken, soweit sind wir noch nicht," sagte mit feistem Lächeln die Frau, indem sie ver traulich die Hand auf die Schulter de Kaufmannes legte. Wie kamen Sie dazu, sich als meine Beauftragten auszugeben?" Ja nun es war man bloß ein Scherz, wissen Sie, so'n fauler Witz!" In diesem Augenblicke trat ein Herr an den Tisch heran, welcher bisher in der Nachbarschaft geschen und das Gespräch mit angehört halte. Man spricht hier von Einschleichen. Vorspiegelung falscher Thatsachen, von verdächtigen Menschen und verhaften lassen," sagte er. Ich bin Criminal Polizist und muß Sie um Aufklärung er suchen." Dabei legte er eine Legitimationsmarke vor. Der Binkier erzählte ihm das Vor kommniß mit allen Einzelheiten, und als er geendet, kündigte der Beamte dem Paare die Arretur an. Aber wir sind ja die unschuldigsten Menschen unter der Sonne." versuchte Marlow zu proteftiren. Desto besser für Sie," erwiderte Jener, vorläufig aber kommen Sie mit." Der Zug fetzte sich in Bewegung, denn der Gendarm, welcher Cioilkleider trug, ließ sich auf weitere Auseinandersetzungen nicht ein. Auf dem Polizeibureau begann ein scharseS Verhör. Sie sind Eheleute?" fragte der Asses so:. Eijentlich nur theilweise und zwar jejenwärtig nicht mehr," antwortete die Dicke. WaS soll da heißen?" herrschte sie der Beamte an, erklären Sie sich deut licherl' Na, det ist doch janz klar zu verstehen: ick bin nämlich Wittwe, also jejenwärtig nicht mehr verheirathet, der Herr hier aber will durch meine jütige Vermittelung in den heiligen Ehestand springen." Was hatten Sie in der künstigen Wohnung deS Herrn Silberstein zu suchen?" Forschte der Polizeimann weiter. Aber ick begreise Ihnen nicht, Herr Assessor," versetzte die Frau. AlS In haberin eine Heirathsbureau muß ick doch meine Kunden mit die weiblichen Wesen bekannt machen, um sie unter die Haube zubringen, der Herr hier ist JutS besitz auS der Jegei,d von Teltom und hat sich auf diesem nicht mehr unjemöhn lichen Wege an mir jewandt. Da dachte ick mir denn: Der Frau Rothenberger ihre Tochter, det wär so rast für ihm; sie i!t hübsch, jebildet und hat die nöthigen JroschenS. Nun hatte mir meine Wasch srau, was auch der Frau Silberstein ihre ist, erzählt, det SilbersteinS in Rothen. berg'S Wohnung gehen, und dadruff baute ick meinen Plan, um Herrn Mario seine Zukünftige von Anjestcht zu zeigen. Wir jingen also hin, det Zimmerausmes fen war nur Nebensache, nur Vorwand, aber det Kind mußt doch'n Namen haben Aber Dieb sind wir man ich, Herr As scssor, det können Sie ruhig jlooben, sehen Sie so kam die Jeschichte Haben Sie hierzu etwas zu bemerken, Herr Silberftein?" fragte der Beamte. Jener zuckte die Achseln. Die Darstellung erscheint nicht un glaubhaft," versetzte er, wenn eS sich so verhält, so bin ich beruhigt." Ein herbeigerufener Schutzmann, auf welchen sich dre HeirathSoermittlerin zur Feststellung ihrer Persönlichkeit bezog, bestätigte die Identität derselben, und eine telegraphische Anfrage in dem Hei mathsorte MarlowS ließ über dessen Ehrenhaftigkeit keinen Zweifel. Beide wurden natürlich entlassen. Wegen Fräulein Rothenberg brauchen Sie sich nicht weiter zu bemühen, die ist bereits verlobt," sagte Silberstein zu der Dicken. Det schadet nich, Ick habe noch mehr uff Lager," versetzte diese, kommen Sie man, Herr Marlow, wir werden schon noch anS Ziel gelangen." Mit oder ohne Polizei?" Allemal ohne!" Sturmfahrt. Von Moritz Franke. Dämmerung! Schneesturm! Wie Millionen Kobolde tanzen die Schnee flocken durch den Raum; hinab, wieder hinauf, uach rechts, nach links, jetzt im Kreise herum jagt der Sturm die zarten Gebilde, ehe sie zur Erde falle, um auch dort noch keine Ruhe zu finden. Heulend kommt ein neuer heftiger Windstoß daher gebi auit, wühlt in der dichten Schneedecke und treibt ganze Wehe der feinen Krystalle gleich Dampfwolken über das weite Feld. Jenseit desselben an der breiten Fahr flraße, die allein durch die an beiden Sei ten gespenstisch ausragende Bäume als solche kenntlich ist, lagert er sie ad. Schon hat sich ein kleiner Hügel gebildet dort wieder einer noch einer noch viele, viele? Wa mag in ihrem Grunde verborgen liegen? Ist' ein Meilenstein? Ein Gmsterbusch? Oder sank ein Mensch von Kälte und Müdigkeit übermannt zur Erde, dem so der Winterflurm ein Grab häuste? Klingling! Klingling! Schellengeläute wird hörbar in den kurzen Pausen, die sich de Sturmes Heulen gönnt; eS kommt näher, dunkle Umrisse erscheinen auf der Landstraße und verschwinden wieder im Wirbelian, der Flocken: ein Schlitten ist', der mühsam gegen das Unwetter an kämpft. Tief schneiden die Kufen in den lockeren Schnee, keuchend, pustend streben die Thiere vorwärts, von Zeit zu Zeit un willig die Köpfe schüttelnd, wenn eine Schneewche ihnen Augen und Ohren ver letzt. Der Kutscher hat seinen Mantel kragen hoch hinaufgeschlazen und den Kopf tief hinein versenkt, um den Sturm besser Widerstand leisten zu können; die Hände sind ihm trotz der dicken Hand, schuhe halb erstarrt und halten nur müh sam die Zügel. Und doch ist größte Auf merksamkeit nöthig. Die Pferde sind jung und feurig, er kennt sie noch wenig, denn erst seit Kurzem hat er die neue Stelle angetreten. Nun hören auch noch die keilenden Bäume auf, nur die Schnee, Hügel, vom Sturm an die Böschung der Straße gehäuft, begrenzen sie schwach gegen das unendliche weiße Feld. Ein kurze Scheuen, ein plötzlicher Seiten sprung der Pferde kann das leichte Ge fährt von der Svur ab, und dem Gra benrand zu nahe bringen wenn nur das verwünschte Schneien nachlassen wollte man sieht ja kaum die Hand vor den Augen I Im Schlitten sitzt, in warme Decken und Felle gehüllt, die Pelzmütze weit ins Gesicht gerückt, ein einzelner Mann, in Sinnen verloren. Ihm sind solche Fahr ten nichts Neues, nichts ungewohntes; seit Jahreu solgt er bei Wind und Wetter, bei glühender Hitze und starrendem Frost, jedem Ruf, der an ihn, den Arzt ergeht. Auch heute hat er keinen Augenblick gc, zögert, die unerfreuliche Fahrt anzutreten, wenn auch das Dorf, wo man seiner be gehrte, kaum mehr zu seinem Bezirk ge hört. Er kennt e nur dem Namen nach, und muh sich bezüglich deS Weges ganz seinem Kutscher anvertrauen, der behaup tet, ihn genau zu kennen. Freilich ist der Mann erst einige Tage in seinem Dienst, auch die Pferde sind neu. und Mann wie Roß machen auf ihn keines wegS den Eindruck absoluter ZuoerlSssig keit aber hatte er jemals im Leben der möglichen Zufälle gedacht, wenn eS galt, ein vorgestrecktes Ziel zu erreichen? War er selbst stets darauf bedacht gewesen, tm rechten Geleise zu bleiben? Ein AuS spruch deS lachenden Philosophen fallt ihm ein: Leidenschasten sind die Pferde am Wagen des LebenS, aber wir fahren nur gut, wenn der Fuhrmann Vernunft die Zügel lenkt." Wie oft hatte er sich jenen wilden Rossen ohne den hemmen den Zügel überlassen, nur darauf be dacht, feine große starke Individualität auszuleben. Hoho, wie ging das über Steck und Stein. Schon im Eltern hause galt er für unlenksam; auf der Unioerstlät war er der Wildesten und doch der Eifrigsten Einer. O ja, gelernt halte er mit unersättlichem Wissensdrang, aber auch genossen, genossen, ebenso un ersätllich. Wie die Flocken wirbeln, tanzen! Ein wahrer Hexensabbath! Kommt nur heran, ihr Erinnerungen längst vergangener Tage, tanzt euren tollen Neigen um den gereiften Mann, er fürchtet euch nicht, Wein, Weib und Gesang, sie waren ihm frühzeitig vertraute Genossen. Mancher Wein war trübe, manche Weib war schlecht; aber der Gesang, die Musik, die Freundin seiner Seele von Kindheit an, sie war ihm treugcblieben, im Tau mel der Sinne ein heiliges Feuer, in dem er sich immer und immer wieder ge läutert. Neuer Kraft voll rast der Sturm da her, dann folgt kurze Stille. Eine große Schneeflocke gaukelt vor des Träumers Augen hin und her, sie senkt sich nieder, fällt leise und kühl, wie ein Kuß der EiSkönigin gerade auf seine Lippen und vergeht vor dem warmen Hauch seines MundeS. Der stark Mann schauert. Wie SturmeSwehen auch war st damals über ihn gekommen, die Leidenschaft für jenes entzückende, elfenhafte Wesen, dessen Reinheit sein Herz, dieS wilde Herz, ge fangen genommen. Ach, daß er die Bitte um Schonung in den braunen Kinder äugen besser verstanden hätte. Seine Liebe ward zu heiß für ihre Zartheit; unter feinen sengenden Küssen war ste dahingeschwunden, wie die weiße Flocke vor seinem Hauch vorüber, vorüber! Vorüber auch die wechseloollc Bilder der folgenden Jahre, einer tollen, schö, nen Zeit, verklärt durch Freundschaft, Frauenhuld und hochfliegende Ideale, sorglos sitzend an der reichen Tasel de Leben, den überschäumenden Becher der Freude leerend, Zug um Zug. Da bricht vernichtend wie ein Wetterstrahl au heiterem Himmel ein schwere Geschick über ihn herein. Mühsam nur erhält er da Räderwerk seiner Tage im Rollen genau so mühsam wohl, wie eben seine keuchenden Rosse den Schlitten durch ei neu waldigen Hohlweg schleifen, dessen Wände bedräuend und beängstigend nahe zusammentreten. Endlich läßt da Schneegestöber nach, aber e ist dunkle Nacht geworden, kein Stern ist sichtbar, kein lichter Punkt läßt daS Ende der Schlucht errathen, kein Laut, als das Schnauben der Pferde, mildert das lastende Gefühl tätlicher Einsamkeit. Der Mann auf dem Bock ist nicht zuerkennen, kein Geräusch, keine Bewegung verrathen seine Gegenwart. O diese Dunkel, diese Einsamkeit! Alle Ziele verdüstert sehen, die eigene Kraft erlahmen fühlen, vor Sorge und Zweifeln zerfleischt werden, und keine Menschenseele sein Eigen nennen, die Schulter an Schulter mit ihm Theil nähme an dem Kampf mit dem Geschick. Nacht innen Nacht außen. Was ist da? Der Schlitten steht plötzlich still, ein heller Schein fällt über den Weg, Hunde schlagen an. Der Hohlweg hat ein Ende, das Gefährt hält vor einem einzelnen Haus, inem Forst, haus, auS dessen Fenstern der Lichtschein bricht. Zwei Krausköpfchen tauchen hinler den Scheiben auf und werfen in Kinderübermuth dem Fremden Kuß Händchen zu, bis eine schlanke Frauen gestalt sie liebkosend nach der Tiefe des ZimmerS zieht. Ein Mann tritt jetzt unter die Haus thür und fragt nach dem Begehr. Wie weit eS noch nach H. fei? Bei dem Wer ter noch ine halbe Stunde. Der kür zeste Weg. Nicht fahrbar. Man muß die breite Straße mne halten, die am nächsten Kreuzweg, gleich am AuSgang des Walde, nach rechts fährt. Die Peitsche knallt, die Rosse ziehen an, das trauliche Bild des FocsthaufeS entschwindet wie ein schöner Traum. Auf härter werdender Bahn gleitet der Schlitten rascher dahin durch den schwei genden Wald; ab und zu krächzt ein Rabe, knackt ein Ast unter der Last de Schnees. Bald ist der Kreuzweg er reicht. Einen Augenblick scheint es, als wollten die Pferde nach links einbiegen, doch ein kräftiger Ruck am Zügel lenkt ste nach recht, auf die breite Straße. Der Himmel klärt sich, istern um Stern tritt hervor, und bald wirft die Mond sichel ihr blasses Licht über die verschneite Welt. Die Kälte nimmt merklich zu. nrö stelnd hüllt der Arzt sich fester in seine Decke. Alles scheint ihm heute ein Spiegel bild seines LebenS. Die erleuchteten Fenster der kleinen Häusergruppe, die der Schlitten eben durcheilt, sie gemahnen ihn an freundliche Augen, deren warmer Blick nicht ihm gilt, sie reden von stillem Glück, daS feine Schwelle meidet. Fern am Horizont loht ein rother Schein; ein Hochofen ist'S, dessen Feuer einen weiten Umkreis erleuchten. So weit seine Flam men entfernt sind von der herzerwörmen den Gluth des häuslichen Herdes, so weit ist auch sein Leben voll Unrast, voll Hingabe an seinen Beruf, an die Kunst, un die Allgemeinheit, davon entfernt ihm daS Herz zu erwärmen. Was ist ihm Anerkennung, Ruhm, wenn die Seele so kalt, so leer bleibt, wenn allein die Pflicht, die eherne Pflicht den Leitstern deS Leben bildet? Gewaltsam sucht sich der Träumer seinen Gedanken zuent reißen und mustert die Gegend. Eine Erinnerung erwacht in ihm, 'daß erste doch schon gesehen. Richtig! Vor Mo naten war's, im Spätsommer, da kam er auf dem Ritt zu einem Kollegen durch die Ortschaft. Selbst erschöpft von der drückend 5 Hitze, hat er sein Pferd zum Dorfbach gelenkt und schaut sehnsüchiig nach einem Brunnen auS, denn zur Einkehr sehlt die Zeit. AuS einem der nächsten Häuser tritt ein junges Mädchen, dem spricht er sein Verlangen nach einem Trunk Wasser auS. Mit welch' freundlicher Bereit Willigkeit sie dem Wunsch entsprochen hatte! Dem Arzt ist, als sähe er die klaren Augen, die goldig schimmerden Flechten, die schlanke Gestalt, die so gar nicht einem Kinde deS Dorfes zu gehören schien, leibhaftig vor sich. Lächelnd legte ste die kleine warme Hand in seine große, froflerstarrte, ein heißer Strom fluthel durch feine Adern und macht das Blut schneller kreisen, das Herz höher schlagen. Da ein Ruck, der Schlitten hält! Unvermerkt ist er am Ziel angelangt und schaut nun gespannt um sich, während er seine steif gewordenen Glieder aus den Hüllen wickelt. Wahrhaftig, eS ist das selbe HauS, er erkennt eS im blassen FZondlichi wieder. Wird das liebliche Kind ihm auch entgegentreten, oder ? Nein, ein bejahrt Frau mit verweinten Augen kommt au ter Thüre, ei, Licht mit der Hand schützend. Gott sei Dank, daß Sie kommen, Doktor, ich hatt' schon Angst, da Wetter wär Ihnen zu schlecht! Wa ist I, fragte r hastig, er ist krank, Eur Tochter? Die Frau blickt ihn verwundert . Mein Tocht? Ich hd' g keine Tochter. Aber wenn Sie vielleicht mei Bruderlkind meine, die sonst bei un war, di hat den Lehrer im nächste Dorf ehetralhet. Mein Man wollt sie heut besuchen, aber bei dem Schnee ist er om Weg abgekomme und hat sich erftürzt. Der Bader meint. sieht bi au mit ihm. Mechanisch tastet der Arzt nach seinen Instrumenten und folgte wortlo der voranleuchtenden Frau in' Hau. Zer rönnen, verflogen ist sein Lustgebilde, wieder erwartet ihn nur die Pflicht, die eherne Pflicht. tu, cdstspxach". l e im Jahre 1724 zwischen Oeflrr reich und Frankreich wegen der polnische Erbfolge zum Kriege kam, bewarb sich der französische Minister Fleury um die Gunst de König Friedrich Wilhelm de Ersten von Preußen, um ihn zur Unter ftützung Frankreich zu bewegen. Mar, qui de la Chelardie wurde von Pari nach Berlin gesandt. Derselbe über reichte bei der ersten Audienz Friedrich Wilhelm im Namen de König von Frankreich ine kunstvoll gearbeitete gol dene Birne zum Geschenk. Friedrich Wilhelm fand diese Geschenk zunächst recht sonderbar, bi er bei näherer Besieh tigung de? Kleinod bemerkte, daß die Birne infolge de Drucke auf den Stil sich in zwei Theile und zusammengefalte teS Papier in der inneren Höhlung barg. Der König staunte nicht wenig, al sich beim Auseinanderfalten das Schriftstück als ein vom König von Frankreich ausge stellter Wechsel aus fünf Millionen Thaler erwies, zahlbar an dem Tage, w sich Friedrich für Frankreich erklären werde. Obwohl Friedrich Wilhelm der Elfte in dieser Zeit mit dem Wiener Hofe auf ziemlich gespanntem Fuße lebte, blieb er seinen früheren Grundsätzen, Frankreich nicht zu unterstützen, doch gelreu und ließ dem französischen Gesandten als Gegen gefchenk für seinen Herrn einen goldenen Äpfel überreichen, der in seinem Inner den angebotenen Wechsel wieder barg. AlS Marquis de la Chelardie den Apfel entgegennahm, bemerkte der König den fragenden Blick deS Gesandten und sagte: Der Kern deS Apfels ist derselbe, wie der der Birne." Mißmuthig verliech de la Chetaidie sogleich Berlin. Wieder ein so kostspielige Pariser Mode," ließ sich Friedrich Wilhelm später zu General Grumbkom, seinem Günstling, auS, früher redeten die Diplomaten durch die Blume, jetzt fangen sie sogar an, sich durch Obst zu explizirenl" Der Torsc v Belvedere. Jener gewaltige Rumpf eine sitzende Riefen, der seit der Wiederbelebung der Alterthumswissenschast durch Winckel mann, Lesstng und die Gleichstrebende immer al das Bruchstück eines von fei nen Heldenthaten ausruhenden Herakle gegolten hat, gehört noch heute zu den populärsten, am meisten bewunderten Ueberreften der antiken Plastik. Es hat freilich nicht an kritischen Stimmen ge fehlt, die einer Ueberschätzung diese Prachtstücke das schon Michelangelo ent zückt hat, entgegengetreten sind; aber an der Deutung auf Herakles hat doch nie, mand ernstlich gerüttelt. Auch neben den Skulpturen von Pergamon behauptet der Torso von Belvedere noch eine Ausnah mestellung, besser als die Laokoongruppe, die an ihrem rein künstlerischen Werth etwas verloren hat. Jetzt hat ei jün gerer Vertreter der archäologischen Wis senfchast, ein Schüler von Overbeck und Brunn, Herr Bruno Sauer in Gießen den Versuch gemacht, die Persönlichkeit des köpf-, arm und beinlosen Gigante festzustellen, und durch ein großes Auf gebot von literarischen und künstlerische Denkmälern hat er es wahrscheinlich ge macht, daß der Torso des Belvedere den aus der Odyssee und aus zahlreichen spS teren Dichtungen bekannten einäugigen Riesen Polvphem darstelle, und zwar auf einem Felsen fitzend, wie r, von Sehn sucht erfüllt, nach der geliebten Nymphe Galathea ausspäht. Gegen die von Sauer versuchte Restauration der Gruppe läßt sich mancherlei einwenden. Aber daS ist ati Ende nebensächlich neben dem. Hauptergebniß seiner Forschungen, die zu einer völlig erschöpfenden Monographie über den Mythos des Polyphem und di dazu gehörigen Kunstdenkmäler geworden sind. 2utz der inoer gegen grausam Behandlung. Die Londoner nationale Gesellschaft For the prevention. of Cruelty to Children" Hat in ihren, jetzigen Jahres bericht einen glänzenden Beweis für ihre Nützlichkeit und Nothwendigkeit erbracht. Die Thätigkeit der Gesellschaft während der letzten vier Jahre war, wie der Duke of Five auf ihre Jahresversammlung auösührte, von geradezu unglaubliche Dimensionen: Nicht weniger als 34, 00 Uebelthäter sind entlarvt, gestraft oder verwornt worden, während über 90,000 Kinder beschützt wurden. Eine überraschende Rechtfertigung für die Thätigkeit der Gesellschaft liegt in der Thatsache, daß die Gerichtshöfe auf ihre Anträge hin nicht weniger als 94? Jahr Gefängniß und Gelrstrafen im Ge. sammtbetrag von 35,120 Mark ve, hängt haben. 95 Prozent ihrer Klagen endig, ten mit Verurtheilung der Verklagten. Wenige Schutzgesellschaften können wohl auf ein besseres Resultat hinweisen l X