Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 15, 1894, Image 9

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Der Mondscheinknicker.
tn Mail, ?lie5.
Premierlieutenant Schul, en bcr
Artillerie befand sich in Ossicierlneglig
taue mit Grlln belekte liopve nn6
i sehr guter Laune. Letalere hatte so!
ende Ursache: Ersten ist Sonntag und
kein Dienst, zweiten hat Lieutenant
Schulz etwa Angenehme vor. Die Uhr
zeigt acht Morgen und der Osflcier
lehnt sich behaglich in da durchgesessene
Ledrrsophi, welche da Hauxlmodiliar
seine asernenltmmer bildet. Der vor
dem EovKalilck gebende, in einen Dril,
ltchanlug gekleidete Junger de Mar,
momentan damit beschäftigt, de Kaff
u bereiten, ist der Barsche de Lunte
nant und Vorsteher, von dessen gesamm
lem WirthschaslSressort.
.rSmerl'
Auf diesen Rus seine vorgesetzten
O ficter dreht sich da soeben gekenn
zeichnete Individuum vorschriftsmäßig
aus dem linken Etieselabsatz herum, in
dem e die Front seiner erthen Figur
dem Rufenden mit dem gewohnten: .Zu
Befehl. Herr Lieutenant!' zumendet
.Krämer.... legen Sie doch meinen
Eioilanzug zurecht .... vergessen Sie da
bet den Schirm nicht. Dann dringen
Sie meine Garderobe zum BahnhosZ
portier Ich sahr um 10 UHU
.u Befehl, Herr Lieutenant'.'
Doch würbe diese Antwort nicht in dem
. st. & Af AK flt
uciöuunicii, uuui;i(cn icum gcyivwi, i-
k. Tshr muhit SHpuftt
will ßutyiuiv ,"D
ant Schul, sofort, das, sein getreuer
Knappe etwa von Wichtigk.it dagegen
mitzutheilen habe.
.Nun Krämer, wa giebt'?'
.Dem Herrn Lieutenant möchte ich
. t i 1 WaC IJU Vitf& im
ganz mciucn, uujj ity wwi v
i r . t rt. rvt sl- ....m I
uriqen ves errn joitn iiiuyi
habe, daß der Herr Oberst mit demselben
uae nack erlin fährt und mit dem
MitternachtSmae hier wieder eintrifft.
.Krämer soeben find Sie der
brauchbarste Mensch auf Gölte Erden
rund für mich gewesen. Da hätte ich ja
best Aussicht gehabt, mich dem Alten
al Civilisten zu präseniiren und die
famose Zimmerchea in ein Anestlokal
verwandelt zu sehen. Ich werde mich
also nicht beim Portier, meinem früheren
Unterofflcier, umkleiden. dagegen wer
den Sie mir meine Cioilloilelle in'
Coupee bringen.'
.Zu Befehl, Herr Lieutenant.'
Damit trollte Krämer sich.
Der Regimentscommandeur de Leute
nant Schulz hatte die nicht vereinzelt da,
stehende Leidenschaft höherer 0s fiele,
ihren untergebenen da ragen von
Cioilkleider gar nicht oder höchst ungern
zu gestatten, so daß seine Officiere die
Erlaubniß dazu nicht nachsuchten, son
der da Risiko lieber übernahmen, von
dem Gestrengen in dem verbotenen
Costüm vielleicht getroffen und dafür ge,
maßregelt zu werden. In diese Gefahr
wollte der Lieutenant Schulz sich be
aeben. Ne aber keineSwea beraulbe
schwören.
Er war von befreundeter Seite einge
laden worden, sich mit seiner Braut einer
Landpartie anzuschließen, bei welcher an
einem heißen Sommertaqe nicht lästiger
und unpraktischer al der Wassenroa tt
Dieser Ansicht war auch der Lieute
nant. . . .
Die jungen Damen von der Partie
hatten sich vor dem Aufbruch nach dem
Bahnhof ein Rendez-oouS gegeben, bei
welchem einer erklecklichen Anzahl von
Tassen Cbocolade mit Schlagsahne und
süßem Gebäck der Garau gemacht
"wurde. Der Ofstcier sah seine bild
schöne, liebenswürdige Braut bereit auf
dem Perron des Baynuosg, ais er va
felbst eintraf. Vor ihr stand feines
Obersten bohr Gestalt, welcher mit der
ihm bekannten jungen Dame ein Ge
fpräch angeknüpft hatte. Deswegen be
arükte da Brautpaar sich nicht so stur
misch, wie e sonst der Fall gewesen
wäre. Dem Lieutenant schien dies nicht
zu passen. Er gab seinem Commandeur
knappe, den dienstlichen ähnliche Ant
orten, was dieser jedoch nicht im Ge
ringsten beachtete, vielmehr schien er an
der Unterhaltung mit seinem holden Ge
aenübcr lebhaften Antheil zu nehmen
DaS Fräulein hatte als Soldatenbraut
so viel gemerkt, daß sie dem Vorgesetzten
ihres Verlobten einen gewissen Ncspcct
schulde, wozu gehörte, die Unterhattung
f lange wie eS dem Oberst beliebte, über
sich ergehen zu lasten. wart ne
mitleidige Blicke auf ihren kalt gestellten
Bräutigam und benutzte sogleich eine im
Gespräch eingetretene Pause, um einige
Worte an ihn, dessen Mißmuth ihr nicht
entgangen war, zu richten:
.Ein heißer Tag heut, HanS.
Gort fei Dank, daß wir nicht weit zu
fahren haben. . . . schon die kurze Strecke
wird warm genug tflr uns werben.
Aber ÖanS. weshalb in Uniform und
nicht im leichten Cioilrock? Du wirst ge
hörig schwitzen!'
51hre liebesoll blickenden Augen, mit
denen sie an dem Antlitz deS Geliebten
bing, wurden durch die plötzlich finsteren
Mienen deS Obersten in Bann ge
schlagen.
Wa sagten , Sie da, wein FrLu
lein.... wa sprachen Sie vom Civil,
rock? Ein echter Soldat seine Königs
verpönt da Eioil.... und wenn Ihr
Bräutigam heut schwitzen wird, so ist es
ine Ehre für ihn unter dem Rock seines
llergnädigsten König zu schwitzen....
Verstanden, mein Fräulein.... he?....
Uebrigcn freue ich mich, Herr Lieute
nant,' sprach er zu diesem gewendet,
.daß Sie wissen, wa sich gehört.'
Der kriegerische Ton, welcher au der
Rede de Obersten klag. hatte da; junge
Mädchen erschreckt, welche sich ängstlich
an den Bräutigam schmiegte.
Die erneute Liebenswürdigkeit de
alten Herrn, welcher sein bärbeißiges
Benehmen gut zu machen suchte, indem
Vcr
Jahrgang 14.
er dem Fräulein die Wangen pltschelte,
konnte die lachenden Züge von vorher
nicht wieder berveizaubern. Ein er
leichternder Seufzer entquoll ihrer Brust
al e unmittelbar darauf zum Einstei,
gen läutete. Man begab sich nach den
Eoupee. Die betroffenen Blicke de
Lieutenants, welcher neben seinem Oberst
schritt, hastete plötzlich an Kramer.
welcher ihn zu suchen schien. Der Oberst
dem der Soldat seine Regiment al
OssicierSbursche bekannt war, konnte
zwar unmöancy ahnen, da in dem
Packet, welche derselbe trug, die gemäß
regelte Eioilkleidung enthalten sei, doch
der Gegenstand, weicher dem Lieutenant
Schulz ein gelinde Gruseln verursachte
war ein hellgelber Schirm, mit welchem
Krämer bewaffnet mar. Ueber diesen
GZAlrm
halte ber Oberst lange Zeit
Glossen gemacht, als er dem Lieutenant
einst in Civilkleidern begegnet war und
dabei geäußert, dem Lieutenant Schulz
Alle vergessen zu wollen, aber den
hellgelben Schirm könne er nie und nim
mer vergessen. Vor feinen Augen werde
königliche Ofsicier mit dem gelben
,3;
chirm stet al chreckzespenst stehen
Bei Gelegenheit eine dienstlichen Rüffels
hatte er ihn gefragt, ob der Hellgelbe ein
Sonnen oder Regenknicker wäre, und
als eine Antwort auf diese Frage nicht
ertheilt wurde, gab der Oberst dies
selbst, indem er schrie:
.ha also deine.... also em
e toul c&a. . . .den tragen ja nur die
Frauensleute. Warum haben Sie nicht
gleich ne vollständige Damentotlette an,
gezogen Ware mal wag Neue.
ein königlicher Lieutenant in Weiber
kram .... Donnerwetter ja ! '
Zum Glück bemerkte der Oberst den
Burschen nicht. Inzwischen war Fräu
lein Hedmig, die Braut de Lieutenants
vorausgegangen, um sich und ihrem
Bräutigam Plätze bei den Theilnehmer
der Partie zu sichern, als Krämer sich ihr
in der richtigen Voraussetzung näherte
daß der Bräutigam der Braut nicht fern
sein würde. Die besorgte junge Dame
erblaßte ein wenig, sie kannte die um
selige Schirirgeschichke und schnell barg
fle den Hellgelben zwischen Tüchern und
Plaid.
Der Zufall spielt eigenthümlich und so
geschah es, baß dieser neckische Kobold
den Henn Oberst mit Fräulein Hedwig
dasselbe Coupe besteigen lieg, während
der Bräutigam wegen Raummangels in
einem anderen Platz nehmen mußte. Das
Fräulein verhielt flch schweigsam, die
Blicke des alten Kriegers bannten sie, wie
die Schlange das VSglein in Fesseln
schlägt. Sie fühlte Gewissensbisse wegen
ihrer Frage nach Civiikletdern, welche sie
vor der Adtahrt an ihren Bräutigam ge,
richtet hatte. Der Haß des Obersten
gegen die Kunstwerke der civilen Kleider
künstln war ihr längst bekannt und sie
machte sich Vorwürfe, den geliebten
Mann durch Unüberlegtheit vielleicht in
eine unangenehme Lage versetzt zu haben.
sie athmete auf, als der Zug am Ziel
punkte ihrer kleinen Reife hielt. Der
Lieutenant stand bereits an der Thür, um
seiner Braut beim AuSsteigen behilflich
zu sein, um ihr die Gepacknücke abm
nehmen, von denen auch der Oberst einige
hinauöreichte.
.Ganz merkmürdigks Ding. Herr
Lieutenant.' sprach er, als er den sorg
sam verdeckten chirm übergab, .merk,
würdig.... fast Wickelkind.'
Ach, HanS,' sagte Hedwig, als das
graue, kurzhaarige Haupt des Obersten
im weitersausenden Zuge zum Fenster
hinauönlckte, .ich habe Angst um Dich
ausgestanden.... HanS, der unselige
Schirm hat Dir schon einmal Unglück
gebracht, trenne Dich von ihm, schenk
"e r . . t w i . r . n t v . r i r
illn I gleich mir, onn wir vag gelinge
Bergnugen gänzlich für mich zerstört.
Der Lieutenant lachte über die engst
lichkeit seiner Braut und meinte, daß be
sagte Geräth ihm eine so nachdrückliche
Erinnerung an seinen Oberst sei, daß er
sich nur schwer von ihm trennen könne.
Aber als sämmtliche Damen zu bitten be
gannen, konnte des Lieutenants Herz
nicht widerstandsfähig bleiben und er er
klarte, den chirm seiner Braut verkau,
fen zu wollen.
Drei Küsse bestimmte er al Kauf
preis.
Zugestanden,' rief Fräulein Hedwig.
Die Zahlung muh eine öffentliche
fein, da da .Geschäft' ebenfalls so ab-
geschlossen wurde.' sagte der Hauptspaß
macyer, welcher Jurist ar.
DaS Brautpaar sträubte sich dagegen
und behauptete, daß eine derartige Be,
ftimmung in keinem Gesetz buche der Welt
zu finden fei. Aber der unerbittliche
Mann mit der genannten Haupteigen
schaft setzte durch, daß beim Betteten deS
WsldeS vor zwei Zeugen, welche abge
wendet stehen sollten, das Geschäft gegen
Zahlung pirfect werden müsse. Der
eine der Zeugen war er natürlich. Bei
der Berichterstattung vor der Gesellschaft
erklärte er, daß er die Küsse zwar nicht
gesehen, aber da in diesem Falle be
sonderS vernehmliche Schmatzen der be
theiligten Lippen gehört habe, weshalb
an der RechtSgiltigkeit besagten Ge
schäftSabschlusses nicht gezweifelt werden
dürfe.
Minitagsgast,
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Der Lieutenant hatte sich bei dem ihm
befreundeten Förster umgekleidet und
dieser ihm versprochen, sür Rücksendung
der llnlsormstücke zu sorgen. . . .
DaS ländliche Vergnügen war zur Zu
sriedenhett Aller verlauten.
Obwohl man sich vorgenommen hatte,
um elf Uhr in der Stadt wieder einzu
treffen, xassirke e doch, daß der Zug da
von fuhr, als man auf dem Bahnhof an
langte und erst nach einer Stunde wurde
das Nahen des folgenden ZugeS signali,
strt.
E war eine prächtige Sommernacht
der Himmel sternenklar und die volle
Mondscheibe goß ihr zauberhaftes Licht
über die schlummernde Erde aus.
Der hcranbrausende Zug wurde von
den lustigen Herrschaften mit lautem
Hurrah empfangen.
Da erfauie Hedvia krampfhaft den
Arm ihres Bräutigams.
. HanS. um Gotte Willen .... der
Oberst!'
.Wer will eS dem mnthigen Lieutenant
erarzen, IS er versuchte, sich dem Ge
stchtskreise seines Commandeur, so gut
e ging, zu entziehen. Aber der Loco,
mokivführer vereitelte diese Absicht und
brachte den Zug so zum Halten, da da
Coupee, au welchem die junge Dame den
Gestrengen schon von sern blicken sah
sich dem Brautpaar gegenüber befand.
HanS. hinter mir . . . . ich decke
Dich.' und zugleich öffnete sie den
Schirm, so daß weder sie selbst noch der
Lieutenant zu erkennen war.
Es blieb keine Zeit zu verlieren der
Zug hielt nur wenige Minuten.
Des Oversten Augen iahen starr au'
das ihm wohlbekannte, dem Rege und
Sonnenschein mehrende Schutzdach, incl
cheö jetzt die Aussicht auf diejenigen ver
darb, welche sich unter der gelben Decke
an ihm vorüber in ein benachbartes
Coupe begaben. So sehr der vor Zorn
kirschrolhe Herr Commandeur die ü?eh
nerven anstrengte, die gelbe Hülle blieb
undurchdringlich. Vergeben? spähte er
nach der Uniform des Lieutenants Schulz
derselbe blieb unsichtbar. Dagegen
hatte er den tief gehaßten Schirm er
blickt, welcher auf ihn denselben Eindruck
machte, wie da? rothe Tuch auf den
Stier. Rasch combinirte er, daß Lieute
nant Schulz in Civil sich unter dem
Schirm vorwärts bewege, sich wegen die
seS CostümS vor ihm zu verbergen
trachte. Zornig schrie er:
.Der Eigenthumer des SchirmS hat
drei Tage tubeuarrefl. . . . weiß ganz
genau, wem der verfluchte Mondschein
knicker gehört!'
Der Zug dampfte weiter.
Aus dem Bahnhofe stand der umstch
tige Krämer. Er hatte, als sein Leute,
nant zur bestimmten Zeit nicht eingetrof,
fen war. richtig gefolgert, daß er in dem
selben Zuge, welchen der Oberst be,
nutzte, ankommen würde. E: packte
schnell eine Uniform seines Herrn zu,
sammen, mit welcher er den Ofsicier er,
wartete. Dieser hatte feinen Burschen
sogleich bemerkt und sprang, nachdem er
seine Braut verständigt, al der Erste
auS dem Zuge, um Krämer zum Portier
u folgen, wo er sich eiligst tn die Livree
eS Gottes Mars warf.
Während dieser wenigen Minuten
spielte sich auf dem Perron folgende
kleine isscene ab:
Der Oberst stieg so schnell, wie feine
Command.'urbeine gestatteten, ouS dem
Wazen. An ihm vorbei schlüpfte Hed
wig, ihre schlanke Gestalt den Äugen des
Oderft:n durch den verdächtigen Schirm
verbergend. Zorn und Wuth machen
blind, und so geschah es, daß der alte
Herr die zum größten Theil hervor
lugende Damen!o:lette übersah, mit fei
nen Gedanken nur a dem unglücklichen
Lieutenant hangend.
Die junge Dame, welche ihren Bräu
tigam in Sicherheit wußte, wollte für
die ihr durch den Oberst bereiteten angst
vollen Minuten eine Genugthuung haben.
sie horte die Stimme des alten
Henn, welche dem Lieutenant Halt ge
bot, dicht hinter sich. Geschickt wich sie
ihm aus, und der Oberst folgte ihr zum
Gaudium der Gesellschaft bi an das
Ende de Perrons.
.Herr Herr. . . . Sie mit dem
Mondscheinknicker Sie scheere sich
in Arrest .... in drei Tage Arrest I .... '
.Zu Befehl, Herr Oberst.... aber
ich stehe außerhalb Ihres Machtbereiches
und proteftire daher ganz gehorsamst ge
gen die mir dtclirle träfe bin
übrigens kein Herr! "
O Fräulein Hedwig präsentirte Militär
rich den zugeklappten Hellgelben.
Der Oberst prallte verblüfft zurück.
.DaS geht nicht mit rechten Dingen
zu," rief er, .Lieutenant chuiz tn
Civil hat soeben unter dem Mondschein
knicker gesteckt.... Wo ist der Lieute
nant?'
Erlaub: mir, mich bei dem Herrn
Oberst ganz gehorsam zu melden: Rechts
anwalt und Notar Witzig, Lieutenant
der Reserve. Ich bezeuge hiermit, daß
in meiner Gegenwart Lieutenant Schulz
den in der Hand seiner Braut befindlichen
Schirm an dieselbe heut rechtskräftig ver
kauft hat, daß genannter Herr daher nicht
mehr Besitzer desselben ist.'
Der Hauptspaßmacher hatte diese Wort
gesprochen.
.Dem Herrn Oberst ganz Aehorsamst
zu melden Premierlieutenant Schulz von
der zweite Batterie ... Herr Oberst
wünschten mich zu sprechen!'
Licutevant Schulz, uniformirr, ge
stiefelt und gespornt, salutrrte vor feinem
Chef.
.DaS begreife, wer will ich nicht.'
donnerte der Oberst Wo haben Sie
gesteckt, Herr Lieutenant?'
.Zu Befehl. Herr Oberst! Mein
Bursche hatte mir. nachdem ich da
Coup verlassen, nothwendige Mit
theilungen zu machen.'
Der Oberst fühlte sich aenirt. der
Mittelpunkt einer großen Gruppe
zu
sein. Er machte gute Mine und reicht
dem Fräulein Hedwig cordial die Hand,
.Machen Sie nicht mehr derartige ge
sZkrlickie GekciSkte.' saate er tu ibr nicbt
unfreundlich, .Sie haben Scherz mit
mir getrieben. Wer dem alten Oberst
eine Grube gräbt, fällt schließlich selbst
hinein.'
iras.
Bon Saddor Brodq.
Der kleine Crag wohnte in der Küche.
ich in dem einzigen Zimmer. So oft ich
nach Hause kam zumeist spät am
übend saß der kleine CraS immer
allein noch wach tn der Küche. Indessen
bewohnten dieselben außer ihm noch drei
Personen: ein Schüler der Handelsschule.
dann die Familie Deviaczkz, welche aus
zwei Mitgliedern bestand: au einer sehr
alten Frau und an einem sehr jungen
Mädchen. Diese hatten die Hälfte der
Küche den zwei Schülern und da einzige
Zimmer mir vermtethet. ES waren brave
Leute, nur seh? arm. Die kleine Js
war erst neun Jahre alt, jedoch schon eine
tüchtig? HauSmirthin: sie verstand flch
prächtig auf die Kunst, selbst wenn sie
Hunger hatte, satt auszusehen. Der
kleine CraS half ihr dabei: oft aßen sie
zusammen kein Abendbrod, sondern brach
ten der alten Frau irgend eine ietnta
keit, etwas Gute zum Essen. Den
HandelSjüngling zogen sie nicht in ihre
Gcsellfchast; der schlief immer. Der
brauchte weder Trank noch Speise, am
allerwenigsten Bücher, nur Schlaf. Er
schnarchte immer, wenn ich, heimkehrend,
durch die Küche durchhuschte; ach aber
war bei seinen Büchern, bei feinen
Schreibarbeiten oder über das Reißbrett
gebeugt CraS.
.Wann werden Sie sich ausschlafcn,
Amice?' fragte ich ihn schmerzhaft la-
teinisch.
Er antwortete mir:
Cratil' (Morgen.)
Manchmal im Winter fiel mir seine
schrecklich zerrissene und ungenügende
Kleidung aus. Ich redete ihn an:
Sie sollten sich schon einen Kock ver
schaffen. Ami!'
Ct&sI sagte der Schüler ber fünften
Gymnaflalclasje, der übrigens Paul
Sziigynto hieß. Ich hatte ihm nur die
sen kurzen lateinischen Namen gegeben,
weil er dies Wort stet im Munde sührte
Er sprach dies Wort mit so stauncns
werther Belonuna auS, daß ich öfter dar
über nachdachte: .Wie mag er wohl dieses
Morgen verstehen i" o viel stand fest,
daß duscS MorgM für ihn etwas ganz
Anderes war als den meisten Wien qen
ein glänzendes, schönes, oegebrens
werthes Etwa, wofür eS sich lohnt, das
Heute in Arbeit, Plackerei, Entbehrung
und Elend zu verbringen.
Mehr als einmal hörte ich, a'.S bei der
kleinen Jfa die KivdeSnatur zum Durch
bruche kam und sie erschrecklich um ein
Spielzeug weinte, daß CraS sie streichelte
und wie folgt zu ihr sprach:
Weine nicht, du kleine Mädel, du
wirst schon sehen, welch' prächtige re
dende Puppe ich dir morgen kaufen
werde!'
Immer nur dieses Morgen! Wenn ihn
Jemand heute tüchtig durchgeprügelt, er
würde vielleicht gar nicht klagen, sondern
sofort denken: ,Ei, morgen wird eS ohne
hin nicht mehr wehe thun.' Nicht viel
leicht, es verhielt sich auch thatsächlich so;
daS Schicksal schlug den kleinen Stuben
ten unbarmherzig und er heftete wenn
auch manchmal mit umflorten Augen
seinen Blick dennoch lächelnd auf die Zu-
kunft. Diese wird ihm schon die Früchte
feines Fleißes bringen und die Entscha
digung für seine Leiden. Und mit stau
venöwcrther Ausdauer wartete er und be
rettete er diese Zukunft vor.
Wie viel Noth er auch i der Gegen
wart litt, seine gute Laune verlor er nicht.
Mehr als sein eigenes Unglück betrübte
ihn da Schicksal der Familie Deoiaczky;
diese gerieth in immer tiefere Armuth, die
alte Frau hatte Rheuma in der Hand be
kommen, sie konnte nicht mehr häkeln,
und die ihre hauptsächlichste Er
werbkqüelle. DaS kleine Mädchen arbei
tete statt ihr, so viel eS konnte, dennoch
aber lebten sie zumeist von dem, was sie
von mir und von den zwei Studenten
verdienten. Das war wahrhaftig nicht
viel, die alte Frau vermochte damit auch
nicht auszukommen. Sie macht sich
No. 9.
daher auf, ließ die Wirthschaft stehe, nd
-starb.
Die kleine Jlsa war nicht älter denn
elf Jahre, l sie s ganz allein in der
Well zurückblieb. Sie ar ein schwäch,
liche, hilflose, empfindliche kleine
Mädchen; man hätte sie selbst vielleicht
l Dienstbote nicht aufgenommen. Räch
dem Leichenbegäogniß mußte sie nicht,
a sie beginne sollte: ihr ganze Ber
mögen bestand in den geringen Möbeln
der Wohnung. Ich rieth ihr, sie möge
durch den Hausmeister Alle verkaufen
lassen und mit dem eingeflossenen Gelde
zu irgend einem ihrer Verwandten in die
Provinz reifen.
.Ich habe keine!' sagte da Mädchen
teilt.
Der kleine CraS sah au feinem Buch,
auf er lernte selbst damal und
sagte :
.Gerade s wie ich.'
Beiden war die ganze Verwandtschaft
auSgeftorben. Sie hatten nicht einmal
anständige Bekannt. Am besten kannten
die Zwei sich einander. Sie hatten die
Empfindung, als waren fle Geschwister
tzra halte mit dem Madchen nur manch
mal gezankt, jetzt aber war er besonders
zärtlich mit ihr.
Durch die Thur hindurch in der
Nacht hört ich, wie er zu ihr sagte
.Da, Jsa, weißt du wag? Bleiben
wir hier. DaS Zimmer vermiethen wir
auch fernerhin, davon bekommen wir die
Miethe. Du führst schön die Wirthschaft.
ich aber unterrichte kleine Studenten und
verdiene mir damit viel Geld. Wir wer
den prächtig leben.'
DaS Mädchen hörte ihm mit zurückge
drängte Athem zu. Sie weinte nicht
mehr, sondern bereitete sich nur zu einem
großen Schluchzen vor. Allein CraS kam
dem zuvor.
.Kannst du Kartosselssppe kochen?'
Jsa mußte fast auflachen. Wie sollte
ich denn nicht Kartoffelsuppe kochen kSn,
neu!
Sie kochte sie denn auch zur Genüge.
Dieses Gericht bildete ihre Hauptnah
rung. Und machte das Madchen auch
zuweilen eine saure Miene beim Anblicke
deS dampfenden Topfes, so rief ihr der
Student heiter zu:
.Gewi, das ist rein ve onvers vor
treffliche Mal, aber warte nur mor
genl'
Ich zog auS der Wohnung weg und
verließ die kleine Familie ohne Ober
Haupt. Ich verlor daS alleinstehende
kleine Mädchen und den .Morgen' aus
den Augen. Ich sah sie Jahre hindurch
nicht, und damit ich die Wahrheit ge
stehe ich dachte auch nicht oft an sie.
Wenn sie mir aber manchmal dennoch ein
fielen, rief ich sür mich:
Ach, was will denn dieser Knabe!
Hat doch ein Mann allein schwer geuug
sich durch s Leben zu kömpsen, nun will
er als Knabe auch noch für Andere den
Kampf führen!'
.sie find sicherlich verblutet und ver
kommen in dem Kampfe! Dies dachte ich
über sie bis gestern, an welchem Tage
der kleine CraS zu mir hereinlrat.
Er mar nicht mehr klein, erwähnte
nicht das .Morgen' er hatte eS schon
erreicht.
Mit beispielloser Bescheidenheit erzählte
er mir seine beispiellose Canrere.
dann kam ich an das Polykech
nikum nach PariS. Ich halle ein ganz
erträgliches Auskommen, ich zeichnete für
Ztmmerleute. Zuweilen konnte ich a
etioaS Geld schicken. Erinnern Sie sich
noch en sie? Sie ist seitdem groß gewor
den, ist jetzt Aufseherin im Waisenhause.
Als ich Ingenieur wurde, ging es mir,
wie ich wollte, und wie ich es mir gedacht
hatte. Nein, noch viel Her. S,ne
große ElektrtcttStS'GeseUlcyast steUke
mich an ihre Spitze. Ich habe einen
hübkchen kleinen Gehalt, so viel wie ein
Minist.
Ich konnte mich nicht enthalten, ,hn zu
unterbrechen:
.DieS ist 01)0 das .Morgen ', welches
Sie immerwährend im Munde führten?'
DieS und noch etwa, weswegen ich
zu Ihnen herkam, der Sie eigentlich mein
inziger Bekannter tn Buvape flno.
Wollten Sie nicht mit mir auf Braut
chau kommen?'
Mit gröntem Vergnügen. Vogleicy
und wohin?'
sogleich und m das Wai enyaus.
Nur nach Buda hinüber.'
.Etwa zu der kleinen Ja eviaczcn r
.Zu wem denn sonst?'
Wir fuhren hin und hielten um sie an.
Das Mädchen weinte und war in solcher
Verwirrung, daß sie dachte, ich sei in
Verwandter. Sie sank an meine Schul
ter, um zu schluchzen.
.Hoho! Fräulein, schelnen fiq ge
irrt zu haben!' Ich schob Paul Szijav
arto vor sie hin und ergötzte mich an ihrer
Umarmung und an ihren tnemanoer stit-
?nden Thränen.
Diese Thränen waren die einzige
Uebcrbleibsel aus den Bitternissen der
Vergangenheit. Sie vergingen rasch und
trockneten gleich. Wie lächelten einanver
an. Der Mann fragte sie:
.Meine liebe kleine Jlsa, können Sie
noch so prächtige Kartoffelsupv kochen
wie vor langer Zeit?'
?etches
ftrt SSa. fis.
Wenn auch di deutsche Flotte der erg
lilchen oder französischen noch nicht bei
lürlig ist, s, nimmt sie doch heut ein st
achtunggebietend Stellung unter d
Marinen in, baß sehr wohl mit ihr ge
rechnet erden muß. E ist daher icht
chne Jnteress, a vor 45 Jahre M
hochangesehea englische Zeitung ,Egi
neer' über Deutschland Flotte schrieb.
,E war einmal im vorigen Jahr (1848)
ein gewiss Macht erste, Range, die
sich da .Deutsche Reich' nanle, ab
die gleich den Insel, einiger Meere, die
nur auftauche,, um zu verschwind,,
seitdem wieder herabgesunken und in de
Erschütterungen Mitteleuropa verlor,
gegangen ist. Unter anderen riwn
hielt da, deutsche Reich e 1348 fit
würdevoll und groß, eine deutsch Flott
aus die Leine zu dringen. Diese Flott,
eristirte freilich nur de Namen nach; i
der That, wie da Reich nur da Gespenst
eine Reiche war, so war die Flott nur
da Gespenst einer Flotte, ber, mit
e nun geschehen oder sich zutrage
mochte, diesem Flottengespenft ohn al
ken und Kanonen gelang e gleichwohl,
einen 74er (e ist di Frtgalt .Gefto'
gemeint, die aber nur 54 Geschütze trug)
zu roder,, ben wahrscheinlich so tu.
alter verkommener dänischer Admiral
kommandirte, wie wir dergleichen auch in
unserer Admiralslifte haben. Die
.Gefion', f, hieß da, Schiff, wagt flch
wie in unkluger Walfisch, in in für fte
vil zu nge Bucht und wurde, zwar nicht
mit Harpunen, wohl aber mit glühende
Kugeln angegriffen und mußte sich er
geben. Di .Geston' liegt in der Bat
von Eckernförde und läßt glauben tr
in gewisse schwarz rothgoldne
Fahn flaggen, die weiland das Abzeichen
deS dahingeschiedenen Reiches war. Aber
wem gehört die .Gefion'? Den da
deutsche Reich, obgleich faktisch todt. ist.
eS noch nicht von Rechtswegen 9 ftchb
noch nicht al todt im Wochcribläitchen..
Die Geschichte bringt die europäisch
Diplomaten in Bewegung. Offenbar ist
die Frage unlösbar, und eS kann bi zum
Jahre 1900 darüber Protokoll iri werden,
ohne si klar zu machen.' Nun, so lange
hat eS nicht gedauert.
SonndlunPatr.
Für jede nme Errungenschaft auf de,
Gebiete der Papierfabrikalion darf me
recht dankbar fein. Ist doch die Papie
Industrie in den letzten Jahren weder
wa Güte, noch wa Billigkeit avde.
langt, ine befriedigende für da Publi,
kum gewesen, und über da Pavier
B., da meist für unsere moderne
Bücher benutzt wird, hat jüngst ein fra
zöstscher Sachverständiger in aussehen
erregende Aeußerung gethan, nämlich: in
unserer Zeit sei keineswegs in Rikse,
feuer, wie da von Alerandria nöthig,
um einen sehr großen Theil der modernm
Geistesprodukt für die Nachwelt zu ver
Nichten, da oft schon da Papier, auf
welche sie gedruckt seien, die Unsterblich,
keit ausschließe, indem dasselbe verhält
nißmäßig frühzeitig gelbe Flecken be
komm, au welchem dann Löcher nt.
stehen.
In unserem KansaS ist seit Kune
eine beachtensmerthe neue Industrie auf
gekommen. ES wird schon in ziemlich
bedeutendem Maße Druckpapier au der
Faser der Blume hergestellt, welch di
em Staat seinen Beinamen verlieb
hat; der wilden Sonnenblume. Dies
findet man in KansaS überreichlich, und sie
gedeiht auch iu Gegenden, welche nur
einen sehr schwachen, für die Getreide
nicht nicht hinreichenden Regenfall habe,
Theils wird sie nur klein, theil aber er.
reicht sie eine imposante Größe. Auch
kann tn fast zedem anderen Theil unsere
Landes die Sonnenblume mit geringe
Unkosten gezogen werden.
Bereit hat ein Ge cllschaft in Sa,
l!ng ein Fabrik für die massenhafte Her,
stellung dieses Sonnenblumenfafern
papicrs angelegt. Dasselbe ist von brau
ner Farbe und ähnelt dem Papier
Stroh, rst jedoch viel stärker. Obne
Zweifel ist die neue Industrie eine sebr
aussichtsvolle und kann eine umwälzend
veseuiung erlangen.
AdreaS Hof,' art.
Kurz nach seiner Verbeiratbuna lai
der Landwirth mit guten Freunden zu,
sammen; da kam ein Bettler da,u mit
einem ungemein langen Bart. ,MSch
teft Du Dir nicht auch Deinen Bart fa
lang wachsen lassen, Ander!?' fragte
Einer den Hofer, elcher den Bart d
Bettlers mit Wohlgefallen betrachtete.
.Ach, riefen die anderen freunde, da
darf er ja garnicht, daS leidet feine junge
Frau nicht!' ' 8
Hofer. der seine Frau wobl IW
liebte, wollte sich doch nicht nachsazep
lassen, daß er unter dem Pantoffel fiel
und sagte eifrig: .Meine Frau hat mir
darin nicht zu sagen; wie hoch gilt di,
Wette, so lasse ich den Bart sieben bi?
Sber'S Jahr um diese Zeit!'
.Zwel Och,enl' riefen die Gegner.
Hofer schlug ein. er hielt sein Wort
gewann die Ochsen und kam so zu etaer
großen Bart von seltener Schönheit.
Gegenleiftung.
Bettler Kur Hausfrau, di IK,
reichliche Mittagsmahl gegeben) :
....So. g'freut hat Sie', daß
mir ' Essen so gut 'schmeckt hat?'..
Jetzt mach'n S' aber auch mir a'
Freud' und schenk' S' mir 'wa aur
an' Schnaps!'
Summarisch.
Dame (zur neuen Köchin): .Ich mul
Zhnen gleich zu Ansang bemerken. ds
ich drei Sachen nicht vertrage : Ramh,
ftersch. panirte Schnitzel und Widers
spruch!'