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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Feb. 15, 1894)
vor den Geschworenen. ZrnialNovkllt on I. ä n b t . hie riaeklaate ist schuldig, mit allen in der Frage enthaltenen Umfiän n, mit mehr all sieden Stimmen. Dn Obmann der Geschwoienea hatte mit diesen durch daS Gesetz bedingten Worten da ZZeidikt der Geschworenen kund gethan. Ja lautloser Spannung nahm da Publikum den Aukgang des ensalionixrozesse,. der die kleine Stadt schon seit Monaten in Aufregung hielt. Da plötzlich machte ein lauter, langge. ,,gener Wehrus die Herzen der nwejen de erschüttern. Matter und matter mer Vd, ging e in leise Wimmern üb, ihrend die Augen Aller, die den Schmer, zeniruf vernommen hatten, denen er in' Her, schnitt, sich aus die richteten, die ihn gestoßen, und die jetzt matt, erschöpft. Udbleich und mit geschlossenen Augen langsam ,u Boden siel. Indessen, noch ieor ihr matter Körper denselben be, röhrt hatte, wurde sie von theilnehmen' den Männern aufgefangen. Eine Frau etwa Ansang der Vierziger e, welche hier durch den bange lageruf an die Herzen der Menschen ppelltrt hatte. Dem Arieiterstande schien sie anzugehören. Dafür sprach ihre Kleidung, davon zeugten die durch rbett gehilrteten HZnde. Doch daß sie trotz rastloser Thütigkeit oft genug Sorge ud Entbehrung und Kummer al Hau offen begrüßt hatte, sah man ihrem bleichen mageren Gesicht nur zu deut lich an. Heute hatte sie den herbsten Schick salischlag erfahren. O. so erschütternd, wie e nnr eben ein Mutterherz treffen kann. Auguste, ihre einzige Tochter, war. be KindeSmorde angeklagt, durch da Verdikt der Geschworenen schuldig ge, sprechen worden. Ach, und gegen da ist der Geschworrnen giebt e kein echUmittel: Aus meine Ehre und mein Gewissen vor Gott und den Menschen bezeuge ich l den Sxwch der Geschworenen.' Da ist die ernste Formel, welche der Dbmann seinem Verdikt vorausgeschickt hatte, und jede Wort erfüllte die un Glückliche Mutter mit Bangen und Hof. en. Entsetzliche Sekunden waren e, eiche sie unter Folte, quälen er brachte, Sekunden nur, von denen je doch jede einer Ewigkeit gleich, bis end, lich der vernichtende Schlag siel, der ihr auch den letzten Rest von Hoffnung raubte, sie niederschmetterte, ihrer ge folterten Brust einen bangen Angstruf entlockt, welcher in den Herzen der meisten Anwesuden noch lange ach zitterte. Ob auch in dem Herzen de Staat anmalte? Ob auch in dem Herzen der Richter? Gewiß, doch diese müssen ja ihren Em xftndungen Schweigen gebieten, müssen kalt scheinen, wenn jede Fiber in ihnen vor Aufregung bebt. Sie sprechen Recht im Namen de Gesetze, im Namen de König. Nicht darf sie beeinflussen, keinerlei Eindrücke dürfen Macht über sie innen. Nur so sind sie ihrer stell lang gewachsen. Führen sie die Angeklagte wieder heni." Der Gerichtsdiener kam der Auffärbe rung de Schwurgericht Präsidenten ach. Wieder richteten sich die Blicke Aller auf die Anklagebank, jenem kleinen, unheimlichen Raum, welcher durch ine Barriere o dem Gerichtöfaal abge Ichlossen ist und auf dem eine Minute später eine bleiche, doch überaus fym pathische Mädchengestalt erschien. Nur einmal schweiften ihre Blicke ie suchend über de Zuhorerraum, nur ein- mal noch wurde dem Publikum auf der Tribüne Gelegenheit geboten, in diese tiefblauen Augen zu blicken, in welchen sich ein ganze Meer von Weh spiegelte, tarn verhüllten die langen, seidenen Wimpern die sprechenden Zeugen des Herzeleides, das ein Menschenkind em stand. Auguste hatte, wie der Ertrinkende ach einem HoffnungSanker ausgeschaut, nach ihrer Mutter. Sie hatte sie nicht gesunden. Jetzt stand sie, leicht zitternd, mit niedergeschlagenen Augen den Rich lern gegenüber, um da Urtheil entgegen zu nehmen. Welch' selten schönes Mädchen, der selbst die Luft des Kerkers, in welchem sie bereit als Untersuchungsgefangene ivionate hindurch geschmachtet hatte, keine Spur ihrer Reize nehmen konnte. Wie sie von Schmerz gebeugt den Richtern gegenüberstand, das feine Gesicht von goldigem Haar umftossen, bot sie einen fast bezwingenden Anblick. Sie war schuldig, und dennoch, keiner i Saal mochte sie verdammen. War j, doch auch Magdalena schuldig, und als ine büßende Magdalena, wie sie uns die Maler der alten Schule so ergreifend überliefert haben, erschien auch Auguste. da einfache Kind der Arbeit, die Tochter au dem Volke, in dieser Stunde. - Die Geschworenen hatten ihr Verdikt gefallt, die Richter hatten sich zur Be ralhung zurückgezogen, sie waren nach kurzer Pause wieder erschienen, um da Urtheil zu verkünden. Dasselbe lautete auf fünfzehn Jahr Zuchthaus. E hätte schwerer, härter ausfallen könne, der Richter hätte auf den Tod durch das Beil erkennen dürfen. Doch Augsste war noch jung, sehr jung, und auch der Richter hat ein Herz. Man wollte der Verbreche! in nicht die Möglichkeit rau, ben, nach einer langen Zeit der Buße ieder zurückkehren zu können in' Leben, in die Gesellschaft! Fünfzehn Jahre Zuchthaus! Wieder machte ein banger Schreckens -ruf die Herzen der Anwesenden erschüt ter. .Mutter!' hallte eS in schaurig er .. greifender Weise durch den Gerichtssaal. Auguste, die KindeZmörderin, hatte diesen Auf auSgestoßen, al wär sie der Ueberzeugung, daß die Mutter sie retten, sie vor der entsetzlichen, entehrenden Strafe bewahre konnte. Und die Mut ter war plötzlich au ihrer Ohnmacht er acht. Der Appell ihre unglücklichen Kinde hatte sie aufgerüttelt. Er hätte sie euch aufgerüttelt, wenn sie bereu von Todeschatten umfange gewesen warel .Auguste, mein arme Kind,' rang e sich über ihre bebende Lippe. Ihre ganze Gestalt wogte. Die arme Arbei, terfrau breitet die Arme au, al wollte sie die Tochter umschließen, sie an sich pressen, daß keine Macht der Welt sie ihr entreiße kann. Mutter und Tochter standen einander. durch den weiten Saal getrennt, ge genüber. Kein Auge blieb thränenleer. Doch der Richter dars seine menschlichen Re gungen nicht folgen. .Die Sitzung ist geschlossen,' erklärte der Schwurgericht , Präsident. Die Sitzung ar aeschloNen. t weiqer oie Geschworenen ihr Berdict gesällt hatten über eine Verbrecherin, und wenige Mi nuten später war der Schwurgerichtssaal leer. Roch ein oder zwei Artikel indem viel gelesenen Tageblatt der Stadt, noch einige Tage, an dessen da Schicksal der schöne Sünderin da pikante Gesprächs thema i hohen und niederen Kreisen 6tl bete, dann war sie vergesse. Andere Ereignisse hatten da Schicksal Augusten in den Hintergrund gediängt. Acht Tage darauf schlössen sich hinter der Unglück lichen auch die Psorten des Zuchthauses. Sie war begraben! Nur Wenige gedachten noch de an muthigen schönen Kinde, dem Alle einst ein sorglose Leben prophezeit hatten und das nu so namenlo elcnv war. scur Wenige. Die Mutter oder zahlt zu diesen. Ach, und nimmermehr glaubte sie an di Schuld der .ochler, ein mau terherz verdammt ja niemals, wen e sich um da eigene Kind handelt. Sie trug ihre schmerz äx nch, vie für ihr Jahr noch heitere Frau, welche sich trotz mühseliger, anstrengender Ar bett in seltene Frische bewahrt hatte, sie ar jetzt ftill und einsilbig. Doch sie arbeitete, mit doppelter Energie, uner müolich Tag und Nacht, vom Morgen aranen oft bis nach Mitternacht. Und kärglich lebte sie bei der Arbeit; eS schien, al ob in komischer Ge danke Frau Krause plötzlich geizig geworden, on ihrem kärglichen Erwerb sich ein Vermögen zusammensparen wollte. Keine Erholung gönnte sich di arme Frau, und doch, eine Erholung gab e sür sie: Spät Abends, wenn die Hände den Dienst versagten, wenn die Äugen vor Müdigkeit zufallen wollten, dann griff ft nach dem Bilde, einer Photo grapht, di sie sorgfältig, wie einen theure Schatz, in einem Kästchen der Komode bewahrte; dann betrachtete sie diese Bild, während heiße Thränen über ihr bleichen, gefurchte Wangen rannen. O, dann war ihr so weh, und auch wieder so leicht; hier, in der Einsamkeit der Nacht, von keinem Mensche be lauscht, durfte sie weinen, durfte sie da Bild de einzigen, geliebten Kinde käs sen, da anzuerkennen sie sich vor der Welt schämen sollte, und da doch ihr ganze Herz einnahm, das sie nimmer mehr verleugnet hätte. Mit welchen süßen Hoffnungen halle sie ihr Gustchen aufwachsen sehen, die arme Frau, die ihren Mann, inen wacke ren Arbeiter, früh in' Grab sinken sah. Damals, al sie vom Friedhof zurück kehrte, wo sie ihr Liebste gebettet halte, wollte sie verzweifeln; da aber siel ihr Blick auf das geliebte Toch'erchcn. Stürmisch zog sie das Kind an' Herz, sie war ja nicht ganz verlassen, eine süße Menschenblume erblühte ihr, und diese beschloß sie fortan mit doppelter Liebe zu pflegen; ja, was Sonnenlcheln und Mor genlhau der Blume auf dem Felde sind, da ist Mutterliebe der zarten Menschen, blume, die sich unter ihrem Lichtglanz köstlich entfaltet. Lieblich blühte Auguste empor, nicht störte ihre Entwicklung. Kein rauher Wind wehte auf ihrem Lebenspwd, kein Wölkchen trübte den Hoffnungshimmel ihrer Zukunft; denn sorglich wachte ine liebende und geliebte Mutlir über ein theure Kind, da ihr Alle, ihr Kleinod war. Da endlich brach dennoch ein Sturm herein, der diese liebliche Blum brechen, ihr ein Grab bereiten sollte. O, nicht durch 0 en und Grausen hatte sich der vernichtende Sturm enge kündigt, nicht drohende Wolken hatt er oorauögesandt, nein, klar und heiter lächelte der Himmel, mild und erwärmend strahlte die Sonne hernieder, während bereit der Vxian nahte, der das ganze anmuthiae Bild von Glück und Sonnen schein vernichtn, tn ein Gemälde banger Trübsal umwandeln sollte. Die Liebe war eingezogen tn das reine Herz des schönen Arbeiterkindes, doch nicht ein Sohn de Volke, in Gleich- gestellter hatte S ihr angethan, nein, Eduard, der Sohn des KommerzicnratheS Schlösse! war es, der sich ihr genaht, der ihr in scurigen Worten von Liebe ge fprochen und den sie erhört hatte, dem sie sich vertrauend auf seine heiligen Schwüre, hingab. Ein kurzer, tußer Wonnerouich war es, in dem sie lebte, doch war es ja nur der Vorgeschmack eines baldigen dauern den Glückes, das sie sich mit dem wunder vollsten Colorit einer liebenden Mädchen fecle ausmalte. Bann, wenn sie ren asen ihres Glücke? erreicht, dann erst wollte sie der guten Mutter gestehe, was sie ihr bis dahin ängstlich zu verbergen wußte. Dann erfti U, warum geschieht e doch so oft, daß Kinder gerad in den wichtigsten Momenten ihr Leben der Mutter, fcemVal ihr er verlchtleken, Wie ie! Unheil würde erspart, wenn OffenheU, Vertrauen, den Elter eine Blick in die Herzen der Kinder vergönn- ten! Auguste wollte der gutcnMutter freude strahlend alle verkünde, wenn sie tm Hafen de Glücke gelandet. Sie sollte diesen Hafen nie erreichen, sollte ersah ren, n4 Tausend ihrer LeidenSschwester vorher erfahren mußte, sollt erfahren da ganze Weh verrathener Liebe, diese Weh, da schon viele brave Mädchen ka Herz gebrochen! Berrmhen verstoßen entehrt! Nun lief sie wohl auch in in einem Hafen, aber e war in de der schände, der Schmach, und da Einzige, wa ihr den Muth verlieh, tn vielem entsetzlichen Hafen auSzilhairen, e war der Mutter Liebe, welche ihr Kind, obgleich dasselbe gefehlt, nicht verdamme möcht. Und Eduard, der sie durch feine Schwüre bethört? Nun, nicht ganz verleugnete er sie. Noch immer wußte er sie auf eine nicht allzuferne Zukunft iu vertrösten, in der er fein Vergehen sahnen, ihr di Ehre wiedergeben sollte, und al sie dann einem reizenden Kna ben, ganz daS Ebenbild feines VaterS, da Leben gab, da schien e fast, al ob Eduard, der einzige Sohn de Commer zienrathe, gewillt wäre, sein Wort ein zulösen. Häusiger suchte er, wenn eö unbemerkt geschehe konnt, in den Abendstunden daS einfache Häuschen der schlichten Arbeiterfrau auf, weilte auch wohl einige Stunden am Bettchen seine SöhnleinS, tn dessen Anblick er sich vev senkte, während ein glückliche Lächeln über sein Antlitz glitt. Dann kam er seltener und seltener und blieb spater ganz auS. Man erzählte sich in der Stadt, daß er sich mit einer reichen Dame verloben solle, daß er sich aber nicht dazu entschließen wollte, weil er in seinem Knaben das unauflösliche Bindemittel sah, da ihn an Auguste, der Tochter des Arbeiters, fesselte. Solche Gerüchte drangen auch in das Arbeiterhäuschen, und dann glitt ein Schimmer von Glückseligkeit über das Antlitz Augusten 8, der jungen Mutter E war dann, al ob sie allen Herzen gram plötzlich vergessen hätte. Dann drückt sie wohl ihr süße Knäblein tn- Niger an 8 Herz, gab (8 ihr doch die Gewähr dafür, daß der Druck der Schmach von ihr genommen werden würd. Doch nicht ganz verlassen war sie, nicht ganz vereinsamt. Eine lunge, vor nehme Dame suchte sie auf, nicht sie, fondern ihre Mutter, welche al tüchtige Wäscherin in viele Häusern der Stadt und der nächsten Umgebung beliebt und gesucht war. Gern nahm Frau Krause die Stelle in dem vornehmen Hause an, wurde ihr doch reichlicher Lohn zugesichert sür die wenigen Tag, welche di Arbeit tn An, sprach nahm. Und die jung Dame war s herablassend, küßte und herzte da knäblein in der Wiege s innig, daß Mutter und Großmutter sie schon oeS halb in' Herz schlössen. ES war große Wäsche in einem vor nehmen Hause. Acht Tage nahm diese Arbeit in Anspruch, und sür jeden Tag sollt Frau Kraus neben guter Ver fleauna ine Ttziier ohn ryaun, Freudig ging sie a rf diese Bedingungen in, denn jetzt, w, Auguste der Pfleg threS Ktndes sich zu widmen hatte, mußte ja die Mutter doppelt darauf bedacht sein, zu rwerbkn. Am nächsten Margen bereits verließ sie nach herzlichem Abschied von Kind und Enkelkind die Wohnung, tn die ft erst nach acht Tagen zurückkehren sollte. So lange mußte sie auf dem nahe gelegenen GutShos bleiben. Wie zärtlich hatte sie da süße Knäb lein an'S Herz gedrückt, immer und immer wieder, daS Schreien und lstram peln desselben nicht achtend, e mit üssen bedeckend. Acht Tage nur blieb sie fort, doch als sie wieder kam, waren die Aeuglein deS Kindes geschlossen für immer, der Tod hatte es fortgerafft und damit die eivz'ge Freude, die einzige Hoffnung, welche seine Äiutter aufrecht erhielt. Auch die vornehme Dame war außer sich über den Tod deS süßen Engel, sie hatte ihn ja lieb gewonnen, war nm die fer Lieb halber fast täglich in dem schlichten Hause erschienen, hatte mit Auguste, der bedanernSwerthen und doch so glücklichen Mutter, Stunden lang am Bettchen de Kleinen plaudernd ver bracht. Verzweifelnd rang Auguste die Hände, al ihr süß 8 Knäblein in Krämpfe ver. fiel, als der Arzt erklärte, daß eö keine Rettung gäbe. Doch kaum hat! der Arzt die unglückliche Mutter erlassen, da erschien eine Gerichtskommission; man durchsuchte die Wohnung, man fand ein weiße Pulver in einer Düte. Es war Arsenik. Man untersuchte auch den Inhalt der Sauaflasche, und die Milch, die sich in derselben befaud, war nur zu reichlich mit Arsenik durchsetzt. Man sagte e Auguste auf den Kops zu, sie sei eine Verbrecherin. die Mörderin ihre einzigen Kindes, das ihr eine Last war, vor der sie sich befreien wollte! Stumm, ohne ein Wort der Enischul digung hörte Auguste diese furchtbare Anklage. Schweigend auch ließ sie sich in das Untersuchungsgefängniß abführen und da Uebrige ist uns bekannt. Nur einmal brach sich der gewaltsam verhaltene Schmerz Bahn und ur in einem Wort .Mutter!' Dieser Ausruf, der die Herzen der Zuhörer im Schmurgerichtösaal erbeben ließ, zeugte von der Fülle der Verzweif lung, die da Herz der Verurtheilten durchlobte! Frau Krause schien wirklich geizig ge- worden zu sein. Roch spät in der Nacht saß sie am Tisch. Vor ihr stand ein ein sacheS Kästchen, eine Art Toilette. Sie öffnete dasselbe und entnahm ihm nach und nach hundert einzelne Thalerftückc, deren jede sie liebäugelnd betrachtete mit fast funkelnden Blicken. So konnte nur in eingefleischter Geiz hals sich an seinen Schätzen weiden. Am anderen Morgen war Frau raufe, di Arbeiterin, die Waschfrau, plötzlich au der Stadt verschwunden. Kein Mensch wußte wohin. Nicht inen einzigen von de Nachbarileuten hatte sie in Kenntniß gesetzt. Sorgfältig nur hatte sie während der Nacht die hundert Thaler i einen festen, leinenen Beutel gethan uud dann ängstlich tn der Kleid tasche verborgen, al ob e sich um ge stohlene Geld gehandelt hätte. Wozu hatte sie unter Entbehrungen aller Art diese Summ zusammenge scharrt? Was wollte sie mit dem Geld in der Hauptstadt, wohin st sich begab, beginnen? 3a8 Ritteraut de SSetxn Lebmann. eine reich gewordenen Spekulanten, be- fand sich nur zwei Kilometer von cn Stadt entfernt. Von der breiten Land straße führte eine wohlgepflegte schattige Baum-Allee zum Herrenhaus, uud ein leichte Cabriolet, in welchem zwei Her ren anscheinend, nachlässig lehnten, bog eben in diese Alle in. Zwei stattliche Herren waren eS, die sich noch in den besten Jahren befanden; doch Gefchäftsangelegenheiten mußten sie wohl nicht zu dem reich gevordenen Spekulanten und Rittergutsbesitzer füh- ren. E laa war in ihren Mienen auch etwas Berechnendes, das sich indessen vo dem GtsichtsauSbrucc eines speru kanten wesentlich uud vortheilhaft unter schied. Das Cabriolet hielt vor dem Portal, zu dem eine breite Rampe emporführte. .Sie wünschen, meine Herren?' fragte fe tti& allanirte Diener, welcher be reits die betreßte Mütze in der Hand. die Herren, durch vas ma)tin oes Wa gen aufmerksam gemacht, erwartete. .Ich wollte fragen, ob wir die Ehre habe könnten, den Herrn Ritterguts besitz Lkhmann zu sprechen?' nahm der Aelttt von Beiden tag Wort. .Wen darf ich melden?' fragte der Diener, nach Art dieser Leute die Män ner, die er zum ersten Male im Leb:n sah, neugierig muiuino. .Unsere Namen thun nicht zur Sache, dürften dem Herrn Rittergutsbesitzer auch unbekannt sei!' .Ich muß doch dringend bitten ' .Laß nnr Johann,' unterbrach hier ein stattlicher Herr von etwa fünfzig Jahren den Diener, der soeben au einem Parterrezimmer auf den Hausflur trat und feinem Besuch höflich entgegen schritt. Auf dem Antlitz des Herrn zeigt sich ein Gemisch von Gutmüthig keil und Berechnung, welche indessen seiner behäbigen Erscheinung vollkommen angemessen war. .Mein Ram ist Lehmann, Sie wün schen mich zu sprechen. Bitte, wollen Sie nicht näher treten?' Er öffnete bi diesen Worten die Thür de Zimmer, da er soeben verlassen, ließ seinem Besuch den Vortritt, folgte dann und bat die Herren in vornehm verbindlicher Weise Platz zu nehmen. .Verzeihen Sie, Herr Lehmann,' sprach der Äklteie, .menn ich Ihnen ge stehe, daß wir eigentlich hierher gekom men sind, um Ihr Fräulein Tochter, Fräulein Lucie. zu sprechen!' .Meine Tochter?' fragte der Speku, lant überrascht. .Ja. meine Herren, ich will doch nicht etwa glauben, daß föic in derselben Anaeleaenbeit kommen in der schon verschiedene ptxxtn mich nttcktn. Dann, ick bone. Sie wer den mich verstehen, müßte ich Ihnen erklären, da Jbr Besuch vergeblich ist da meine Tochter sich heute mit dem Sohne deS CommerzienrathS Schlösse! verlobt. kMi? ein fernsten von Schmerz alltt es bei diesen Worten Uver vie ise,lqier der beiden Männer. Doch schnell war dieser Eindruck verschwunden. .Sie trrn, err reymann, naym der Aeltere wieder da Wort. .Es st ine ander Angelegenheit, die unS her- führt. Jedenfalls möchte ich Ei bitttv, uns Jhrm Frautein rochier zu meiven. .Dann muß ich vos zunaarn um ihre Namen bitten.' .Muß denn da fein?' Kntkckieden. meine fiemn. Sie werden beareiken. daß ich meiner Tochter unmöglich den Besuch zweier Herren a. kündigen kann, vie lyr vourommcn irrm sind.' , Run htnn. Ferr Lebmann. so bitte ich Sie, Ihrer Fräulein Tochter meine Karte zu überreichen.' " . m'u 13 Staunens veiracyrere ver Niiierguls- besitz die Karte, die er gleich darauf in Händen hielt, und welche in sauberem Stiche di Wort zeigie: Franz Ullrtch Kreisgerichtsrath und Untersuchungsrich- ttt veim mi30im zu x. Kopfschüttelnd verlieh der Ritterguts gker da immer, um bald darauf tn Begleitung d Tochter zurückzukehren, " . . . l v cn w. Dtt er woyi iroyoem um ymuuw uis Herrn nicht genannt hatte, denn nnmsg lich würde das junge Mädchen sonst ein . n X s (lÄit.Ti. i. rcni&rnt n. 0 unveriangiiiijr t" j av tragen haben. .Sie wünschen mich zuipreqen, memr erren?' .Am dienen, anädiae Fräulein. Doch unsere Angelegenheit ist bald erledigt.' ?r nabm bei diesen Worten ein Re- zept aus seinem Portefeuille und zeigte e der jungen ame. .Gnädiges Fräulein, diese Rezept e handelt sich darin um arsenikhaltige Gift hat vor genau acht Monaten ein Mensch, der sich damals im Dienst ihres Herrn Vater befand, in der Mohren Apotheke in L, aufgegeben, und dieser Mensch behauptet nun, daß r die Pul ver, die er auch sofort in Empfang nahm, Ihnen überbracht habe. Darüber möchte ich von Ihnen gern Aufschluß haben.' Eine furchtbare Veränderung war mit Lucie vorgegangen. Einen Moment wankte sie, während alle Blut aus ihren Wange wich, denn aber richtete sie sich, ihre ganze Kraft zusammen rieh mend, gewaltsam empor und, sich zu einem verächtlichen Lächeln zwingend, fragte sie: ,Wa kümmert mich ein Mensch, de mein Papa schon vor Mo vatea au dem Hause jagte, und wer giebt Ihnen da Recht, mich in dieser Weise auSzusorschcn?' .Die Vermuthung, mein Fräulein, daß Sie da Kind der vertrauensseligen Auguste Krause gifteten, um da Hinderniß, da Ihrer Vmählung mit dem Sohne de ComireriiienralheS Schlösse! tm Wtge fiand, bet Seite zu schaffen. !Oer Diener ist zwar aus ihrem Hause entlassen, doch Sie wissen wohl, da er trotzdem nicht Noth leidet Lucie Lehmann, ich klage Sie de Mor de an und verhafte Sie im Namen des Gesetzes !" Ein dumpfer Angftruf entrang sich den Lippen des Gutsbesitzers, während oessen Tocht unt der Wucht ihres Schuldbewußtseins zusammenbrach. An dem .age, ben sie IS den schönsten ihres Lebens herbeigesehnt, den zu erreichen sie vor einer Mordthat nicht nrückge schreckt war, statt dn Arme deS Gelieb ten zeigten sich ihr die geöffneten Pfoitcn dc Zuchthauses! Da war zu viel. och nicht in S Zuchthaus sollte sie nein, ihr Geist ar plötzlich umnachtet. lörn JrrenhauS nahm die bedauernS werthe Verbrecherin auf. Zwei Tage später hielt Frau Krause ihre Tochter umfangen. Ein Jahr darauf führte Eduard die Gellebte als Gattin heim, der tx nur, eisernem Zwange gehorchend, bis dahin ntsagen mußte. Mutterliebe war als Vertheidigerin für ihr Kind tn die Schranken getreten; sie hatte nicht gera tet mit Arbeiten, mit Sparen, bis sie im Stande war, den Mann zu honoriren. dessen hervorragende Begabung, dessen Scharfsinn den Schlei lüftete, der das unglückselige Verbrechen bisher eingehüllt halte. Still, pruvkloS wurde die Hochzeit Eduard'S mit Auguste gefeiert, doch ein Leben stillen Glücke ftsnd der so hart Geprüften bevor, denn Eduard hatte viel gut zu macheu, wa er verschuldet, und daher war eS sein einziges Bestreben, den LebenSpfad des geliebte WeibeS durch innige Liebe zu erhellen. L-eruntergekommen. Skizze von Paul Haiighorst. Die seltsamsten Geschichten stehen nicht in den Büchern, sondern kommen im L ben selbst vor, au dem die Dichtn sie meist erst entlehnen. Wie oft zählt uns nicht ein ZeitungSinferat, da die Konkurseröffnung gegen den Trag eine historischen Namen auSspricht, einen ganzen Roman, wie häufig lesen wir nicht in den .Vnmllchlen Nachrichten" die wunderbarsten ,i!ebenslause in ab steigender Linie' von Sprossen fürst lich Geschlecht, die in Armuth und Elend oder gar al Verbrecher schwach voll endeten! Wir wollen nur einige besonder charakteristische Falle dieser Art aus neue rer Zeit hier anführen. An Bord eine8 von Bordeaux nach der Themse fahrenden Dampfer verschied am letzten Tage de Jahre 1880 angesichts der englischen Küste ein augenscheinlich tn ganz darf tigen Verhältnissen lebender Greis, der sich Charles ouarv Stuart, Gras von Albany, nannte. Er war tn der Thit der letzte Sproß dn Königsfamilie der Siuart au der Ehe de Prätendenten Karl Eduard mit der Prinzessin Luise Stolberg. Ganz kürzlich erst entdeckte ein Geist lich im Dorfe West-Brommich Mork shire) in einem kleinen Laufburschen den letzten Planlagenel; fein aler war Schornsteinfeg gewesen, hatte es aber trotz deS in feinem Besitze befindlichen StammbaumeS angemessener gesunden, den Namen Plantagenet in .Plans zu verkürzen, um nicht verspottet zu werden. D letzte Tudor ist schon tn den dreißiger Jahren in Wale als armer Kesselflicker gestorben. In dem russisch-lithiuischen Städtchen Grodno verschied unlängst Fürst Jgnaz Jagello, der letzte Sprosse de Königs- Hauses der Jagellonen, vas etnt tn Lithauen herrschte und dessen Begründer durch den Siez bei Tannenberg (1410) die Macht de deutschen Orden brach. Der Verstorbene war ein schlichter, aber allgemein geachteter Landarzt. Das mit den Fürsten Luügnana ver wandte alle Geschlecht der Mcntmor-i kj ist derartig heruntergekommen, daß gegen wärtig in der Umgegend von Paris ein Montmorency als Ackerknecht dient. Ein Abkömmling der Baloi , t BriestrSqn in Saint ChamaS; ein Ma, q iis de Fol ligne Omnibuskondukteur, ein Saint Megrin Droschkenkutscher, ein Graf ChaileS de Busserole Flurschütz im Kreise Ruffec und eine Babou de la Bourdai siere Wäscherin. Ja Grokwardein verschied vor Kurzem ein bescheidener, stiller und fleißiger alter Mann, der KomttaiSiqrelver Johann Sabo. der in ehr kümmerlichen & hältnifsen gelebt hatte, und von dem uur wenige wußten, daß sein wirklich ange stammt Name einst zu den glänzendsten deS hohen französischen Adels gehörte. Der alte Szabo war in Enkel des nach l der französischen Revolution in Un" gärn eingewandert Maiqris Chabaud Rohan. Sein Gros)v!er baite l Sxiachlehrer im H,'use Wenckheim Un lerkunft gefunden; er schickte si.t in sciue Lage, heiratlikte und nahm den Namen Szabo an. Nur al e hieß, ein Rohan in Frank reich sei mit Hivter!sffung eine größeren Vmöflen geflgiben, traten sie mit ihren Eibansxrüchen aus und wurde auch al echte Rohan aneikannt. Da jedoch d Eiblssser ein Testament ge macht und ihier nicht gedacht hatte, so blieb die Anmeldung efzlcIo. So ar bettete denn der alte Ezado bescheiden und emsig als arm Schreib bi zu seinem Tode weit, und Niemand wird von ihm behaupten dürfen, daß er dem AdelSgejchlechte, dem er entstammte, Unehre gemacht hätte. DaS blieb einem anderen Mitglied vorbehalten, dem Prinzen Benjamin Rohan, der vor zwei Jahren zu Paris strafrechtlich i contumaciam wegen Veruntreuung zu vier Monaten Gefängniß. 2000 Franc Geldstrafe uud L5,v(0 Franc Schaden ersah urtheilt wnrde. Dabei konnte dieser edle Prinz noch nicht einmal Be dürftigkeit al Entschuldigung oder Mil derungSgrund vorschieben, denn er be zieht von sein Familie 0,000 Franc Jahresgehalt, Der letzte Vorgia ist vor einiger Zeit zu Gntgl bei Salzburg gesioib.'N. Frei Herr Friedrich Calisto vo Borgia, bissen ißaUx durch den österreichischen Staats bankerott sein Vermögen verloren hatte und 1837 al k. k. Tabak, und Stempel-gesällS-HauptmagazinS-Ossizial in Salz bürg gestorben war, kam zuerst in die Kanzlei eines Advokaten, wrde spät Photograph und lebte al solcher zwan zig Jahre lang in Deutschland, zuletzt in Gnigl. Eme langjährige Krankheit zehrte all Mittel auf und brachte ihn und seine Frau in die bitterste Noth. Seine Wittwe ist auf di öffentliche Mildthätigkeit angewiesen. Ein Geitenstück hierz bildet dn AuS gang de berühmten deutschen Adelige schlecht derer von Sickingen. Auf dem kleinen Friedhofe de Dorfe Lorch bet Saunthal stand bi vor wenigen Jahren unbeachtet und ergessen ein Grabstein mit der Inschrift: .Hier ruht Franz von Sickingen, Reichsgraf. Seine Stam mcS der Letzte.' Und unten am Sockel Ia8 ma: .Von einem Freunde vaterlän bisch Geschichte.' Auf der Rückseite ab stand mit schwarze Buchstab: ,Ec starb im Elend.' Die8 war lie GrabsiSlte de letzten männlichen Nach kommens Franz von Sickingen, der einst mit seinen Waffen einem deutschen Kais getrotzt und mit seiner Macht Frankreich in Furcht gefetzt hatte. Dies letzte Sickingen ftaib, nachdem Besitzungen und Vermögen vergeudet, 1834 in der Hütte eine Bauern, der ihn au Mitleid aufgenommen hatte. Wie der Pariser .Figaro' neulich sei nen Lesern verrieth, wtikt gegenwärtig eine Fürstin Galizyn al Stallmagd in einem französischen Zirkus; ein Fürst Krapetfchi ist Droschkenkutscher in Mos kau, ein Fürst Soltikom Austräger i einer PetnSburgn Markthalle und in Fürstin Dolgoruki tritt in einem ameri kanischen Case-Conzert niedrigster Sorte al Sängerin auf. In dies Gallui von .Deklassirten' dürfen auch die in Tingeltangel gastiiende Fürstin Gaetana Pignatelli und die Zirkusdirektorin Grä sin Orofy nicht fehlen. Bei ein in Berlin vorgenommenen' polizeilichen Razzia wurde unlängst auch ein Mann aufgegriffen, der sich al Kut sch lcgitimirle. Er nannte sich erst Li x.nSki, gab ab dann an, daß er von Pirch-Llpinski heiße und Abkömmling der polnischen Fürsten Lipinkki sei. Beinahe gleichzeitig verhaftete die Lon doner Polizei einen Droschkenkutscher, der beschuldigt war, einen Fahrgast über vortheiit und außerdem noch übel zuge richtet zu haben. Das ist nun nicht be sondere, wa den Fall jedoch interessant mrchle, war, daß der Droschkenkutscher sich als ein wirklicher Marquis auSwic, der aus einer der ältesten ÄdelSfamilien der Bretagne stammt. Der englische Polizei -Kommissär, der ihn verhörte, war ganz erstaunt, als ihm der Kutsch Papiere vorlegte, die mit Adelskronen und Wappen verziert waren, deren Echt hcit und RechtSgültigkeit sich als unan fechtbar wie. Der Kutscher-Msrqui ist sogar mit dem jüngst vnstorbenen Malschall McMahon verwandt. Die Vorkommniß gab Gelegenheit, festzu stellen, daß sich unter den London Cabmen' außer vielen Offizieren, Aerz ten und Advokaten, ein Lord, ein Baron, zwei oder drei Herren vom ntednen Adel, ein ehemalige Parlamentsmitglied und eine Anzahl früherer Finanzgrößen be finden. Einen Grafen IS Elevator ung:' hat amerikanischen Blättern zufolge zur Zeit Circinnati auszuweisen. Ueber ha ipt ist Amerika bekanntlich daS Land, wo man solche .gefallene Größen' gerad:zu massenweise antrifft und zwar vielfach i den niedrigsten Stellungen und in dea erbärmlichsten Vnhältnissen. Meist können sie mit Goethe's Schö n klagen: .Ich bin hernnterzekommen Und weiß doch selb nicht, wie'. bei Vielen aber kann über das .Wie' auch bei ihnen selber kein Zweifel be stehen: lüderlich Lebenswandel, W:i ber, Spiel, Schulden da sind meist die Ursachen gewesen, die sie über da .große Wasser' getrieben haben. Dann giebt e? aber auch unter den von Stufe zu Stufe Gesunkenen auch wähl haft be klagenSmerthe Menschen, die geradezu ein feindliches Verhängniß verfolgt, bi sie endlich ohne Widerstand am BoZen liegen eine schulternde Mahnung an die Vergänqlichkcit all irdischen Größe: ,8ic tranßit gloria mündn"