Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 01, 1894, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der Trug des Gebens.
i'on tfmil 'esch'au.
Man sah sie täglich zusammen auf bec
Spazierwege der Stadt. Tie ein eher
klein, als groß, mit einem blühenden,
lachenden indergeficht, keck in die Welt
blickenden Blauaugen und goldblondem
Haar, da in koketten LZckchen um Stirn
und Schläfe spielte. Die andere, sie um
einen Kops überragend, dunkel, ernft und
schlicht, mit einem fast strengen Ausdruck
um die immer seggeschlofsenea Lippen.
Trotzdem sagt man sich auf den ersten
Olles, daß sie Schwestern seien. Si
glichen inander wie der Frühling und
der Herbst an manchen Tagen, ie zwei
Portrait, dal eine von Cabanel gemalt,
da ander von Gabriel Mar.
Bisweilen blieben die Männer stehen
und sahen ihnen nach. Sie waren beide
von einer igenthllmlichen SchZnheit,
aber von jener feinen, zarten Schönheit,
an der di Meisten achtlo vorübergehen.
Vielleicht war auch die jünger noch ja
kalt oder doch zu ernst, zu düster, zu
streng. Ein Schatten schien ans ihr zu
ruhen, in dem die Jugend vor der Blüthe
dahin gemelkt war. Und wenn die
Jünger fröhlich, wie ein Kind, mit den
lebhasten Geberden eine Kinde von
einem Schaufenster zum andern wies,
sah die Aeltere fast theilnahmloS über all
die Herrlichkeiten hinweg.
So sah man fle Jahr lang, täglich
zur selben Stunde, ihren Spaziergang
machen. Bekannte halten sie wohl nicht
viel, denn sie wurden selten gegrüßt und
noch seltener angesprochen. Eine? Tage
aber wurde da plötzlich ander. Von
diesem Tage an flogen die Hüte bald
recht, bald link von den Köpscn, und
die meisten der Vorübergehenden wandten
sich nach ihnen um. Nicht blos di Män,
ner
auch Frauen. Und tn allen Ge
sichrer msr dabei ein gewisses sreund
licheS Lächeln, mehr Theilnahme, als
Neugierde, mehr Interesse, als Wohlge,
fallen.
Die Schönheit der jüngeren Schwester
war inzwischen wohl reifer, anziehender
geworden, aber das war gcmiß nicht der
Grund der Aufmerksamkeit, welche man
den Beiden jetzt widmete. Man blickte
nach ihnen, wie man sich nach einer Be
rühmtheit umsieht. Und da zierliche
junge Mädchen mit den blauen Kinder
äugen und dem hellen Goldhaar war ja
qetzt auch eine Berühmthiit wenigsten
ein städtische. So war noch keine
Künstlerin so sagten Freund und Feind
aber in so süß, reine, Ohr und
Herz erfrkuende Sopranstimme hatte
man seit iner Ewigkeit nicht im Theater
vernommen. Schon am Abend ihre
ersten Auftretens nach dem zweiten
Akt hatte der Direktor den Contrakt
unterzeichnet.
St sang da Gretchen, und da
Publikum wußt sich vor Jubel kaum zu
fassen. Gegen das Ende zu wurde man
freilich etwa nüchterner. Man fand
sie kalt sehr kalt aber man mußte ja
auch mit der Befangenheit rechnen und
mit der Jugend und die Stimm war
eben so schön, ie man sie seit einer
Ewigkeit nicht im Theater vernommen
hatt. Der Direktor bereute da Engage
rncnt nicht, das Opernpublikum fuhr
fort, sie mit Beifall zu überschütten, und
wenn die beiden Schwestern jetzt ihren
Spaziergang machten, sah ihnen all
Welt nach, und alle Welt flüsterte sich
zu:, Da, ist siel
..'-
Etwa ein 5Ha5r nach dem ersten Aus,
treten ihrer Schwester saß Johanna
eine Tage am Fenster ihrer Wohnung
und sak ti äumkrilcb kinab in den killen
Sommerfrieden ihres GärtchenS. Da
Glück war nun gekommen, die Sorge
war verscheucht. Aber der Schatten aus
ihren Zügen war doch nicht geschwunden,
und auch die Blüthenpracht und der
Sonnenglanz da unten vermochten nicht,
sie heiterer zu stimmen. Ja, e war
etwa in ihren Augen und um ihr Lip
pen, daS trotz Allem und Allem zu sagen
schien: Wa blüht Ihr denn? WaS lacht
Ihr denn? Das Leben ist doch so ernst,
so ernst. ...
Plötzlich aber erbleichte sie und dann
schloß ein dunkles Roth über ihre Wan
gen und ihre Stirn. Ihre Hand faßt
nach der Brust, als müßte das Herz zer
ringen; in ihren Augen leuchtete es auf
-und ei unbeschreiblich frohe Lächeln
plötzlich ie in Wunder über ihre
Bppen.
Sie sprang auf nach der Thür und
'Sann wieder inen Schrilt zurück. Die
Hände an di Schläfe pressend, schüttelte
sie den Kopf Wangen waren wie
der blaß geworden und die Bugen müde
schmerzlich müde dann aber lächelte
'fit von Neuem sie halte doch nicht ge
träumt. Nun hörte sie die Stimme
abermals deutlick:r so deutlich, daß
int Täuschung nicht mehr möglich war
jjnd dann lasen Schritt näher die
Thür' öffnete sich und das Dienstmädchen
trat ehr. t
.Herr Doktor Wagner läßt fragen, ab
er da Fräulein sprechen kann'
.Ja ja', schrie sie auf. .führen Sie
Und 'dann strich sie das Haar zurück
ie ihre Hände zitterten ,S wäre doch
besser gewesen, sich erst zu sammeln.
Aber nun öffnete sich die Thür schon
nh rr trat ein.
Sie reichten sich die Hände und dann
war eS, IS cd veive um War, rincen
konnten.
rca tht br.en gut. nicht wahr?'
fragt r endlich. .Ich habe in den
'-. ,a . ? i ,ks tUirn
Leitungen von "
tzz hat mich gefreut, vie ach, dS
brauch ich Ihnen ja nicht erst zu sagen,
qft Fräulein Franziska zu Haus? Ich
kann mir da ind gar nicht vorstellen-
. - . ...X 4s.-. OntitTtA
inen Ia n0a "'" -h""
,e ist wirklich so gut?'
Da
Jahrgang 14.
.Sie ist , sehr gut. Aber nehmen
Sie Platz, Herr Doktor.'
.Herr Doktorl So kalt unter alten
Freunden? Da darf ich Sie am Ende
nicht mehr Johanna nennen? Sie find
eine große Dame geworden die kleine
Franzi ist eine berühmte Primadonna
und ich "
.Sie sind Doktor geworden
.Ja Doktor ich habe die Toll
hett abgestreift fleißiger ftudirt, al
ich mir' selbst zugetraut hätte. Aber
wozu bringt e unseretn mit allem Fleiß?
Nun bin ich Beamter mit tausend Mark
Gehalt und Sie "
.Ich geb noch immer Unterricht und
verdiene soviel wie damals reine tau
send Mark "
.Ach. wa sprechen Sie l Si sind di
Schwester der berühmten Sängerin, die
da Geld scheffelweise verdient oder
doch verdienen wird. Geben Sie denn
wirklich noch Unterricht i
.J.'
Sie sah wieder mit demselben träume
rischen Ernste in das Gärtchen hinab, wie
vor wenigen Minuten, und dabei zog
die Bercangenhett wie fluchtige Nebel
dilder vor ihrem Auge vorbei. Der Tod
ihre Vater die Sorge für das Kind
sür ihr Schwester dieses Leben
voll Arbeit voll Entbehrungen voll
Sorge, Sorge und wieder Sorge. Dann
der arme Student, der ihr Herz gewann
ein Augenblick namenlosen Glücke
aber als er, toll, wie er war, sie aus der
Stelle hetrathen wollte, da sagte sie:
.Nein .... ich kann das Kind nicht lassen
ich muß für meine ivchwefler sorgen
sie hat eine Zukunft ich darf sie
ihr nicht rauben. O ja, ich hab dich
lieb daß ich alles geben möchte für
dich aber thät' ich das ich würde
zusammenbrechen ich könnt nicht mehr
leben." Und wi r auch bat sie
blieb bei ihrem .Nein'. Und dann ging
er fort, um selber etwas zu werden.
Aber jetzt war er etwa geworden und
war wieder gekommen. Er hatte doch
nicht vergessen, doch nicht überwunden.
wie sie längst geglaubt hatte. Er war
wiedergekommen .... Was macht ihr
da Herz nun auf inmal so schwere
Hatte der Ernst de Leben zu lange auf
ihr gelastet daß sie nicht mehr froh
werden konnte, daß sie in jedem Freuden
becher nur bitteren Wermuth fand?
Er hatte auf ihr .Ja' nichts ntgegnet
und betrachtete fle lang. Erst nach iner
Weile sagte er, ruhiger und ernster al
vorher:
.Diese .Ja' verräth mir, daß Sie
die Alte geblieben sind, Johanna. Noch
immer dies öd Arbeit., obwohl Sie'
nun nicht nöthig hätten.'
.Ist die Arbeit irklich öde? Kommt
sie Ihnen noch immer öde vor?'
.Ich sind SI rr.ster, Johanna
als ich erwartete.'
.Ich bin nun bald dreißig Jahr alt'
.Und ich bin S längst und freue mich
doch de LebenS. Johanna '
Er hatte ihre Hand ergriffe, aber sie
entzog sie ihm rasch und stand auf.
.Wenn ich mich nicht täusche,' sagte
sie, .so höre ich eben Franzi kommen.
Sie war auf der Probe Ja, si ist
e. Hören Sie. wie sie trällert? ! DaS
freut sich auch des Leber, Komm
nur herein, FranztSka der Besuch gilt
auch dir.'
Sie hatte die Thür geöffnet und der
Doctor blickte verwundert nach der frem
den Erscheinung.
Wa für ein prächtiges Weib aus dem
Kinde geworden war !
Aber FranziSka zeigte weder Berwnn
derung noch Befangenheit. Mit einem
Lächeln auf den Lwpen trat fle naher und
reichte ihm die Hand.
.Sie ftnd der luftige Student, nicht
wahr? . . . . Den meine Hanna immer fo
tramig machte....'
Er führt ihre Hand an seine Lippen
und sah ihr so seltsam in di Augen, daß
sie laut ar fl'cht.
.Mein Gott.' sagte sie, sind Sie denn
traurig geblieben? Sie sehen mich ja ge
rade so an, wie e Hanna immer thut ....
Ot hat fle schon wieder gezankt mit
Ihnen?'
.Nein,' erwidert r lachend, .nicht
im mindesten.'
.Nun dann und wenn Sie verspre
chen, recht luftig zu sein so luftig wie
damal dann lade ich S in, heut
eine Landpartie mit un zu machen. Ich
finge heute nicht und es ist solch ein
schöner Tag zu Dreien wird e auch
luftiger sein, al zu Zweien. Ist eS dir
recht, Johanna?'
Am Nachmittag fuhr man wirklich
hinaus in die schöne Umgebung der Stadt,
zu Dreien, wie Franziska es gewünscht
hatte. In einem ländlichen Wirthshause
wurde Kaffee getrunken, und dann ging
eS bergauf in den Wald. FranziSka war
sehr luftig. Johanna fast noch ernster al
gewöhnlich. Der Doctor aber war in
einer seltsamen Stimmung. Bald toll
ausgelassen, wie tn feiner wilden Stu
denten,eit. und dann wieder einsilbig.
verdrießlich, gereizt. Franziika neckte
ihn deShi'.b bisweilen, Johanna schien
nicht von allcdem zu bemerken. E
Sonntagsgast,
Beilage zum Ntbraska Ttaats-Anzeigcr.
war eine iaenthümliche Landpartie, und
die grün Dämmerung de Walde ent
faltete für die drei vergeblich ihren lieb
lichen Zauber.
Abend, al man schon auf dem Heim
aege war, wurde noch in einem Kaffee
garten In der Nähe der Stadt kure Rast
qehalten. E war ein sommerliche Re
ftauration ein Bretterhau inmitten
eine großen Parks die an Konzert
tagen sehr besucht war. Heut lag der
große Garten still und einsam, und all
die drei Gäste kamen, mußte sich der
Kellner erst den Schlaf aus den Augen
reiben.
Der Doctor bestellte eine Flasche
Rheinwein und die Unterhaltung floß eine
Weile harmlos g.müthlich dahin. Fran
ziska gab allerlei Bühnenkomik zum
Besten, der Doctor erzählte Studenten
streiche, Johanna hörte zu. Plötzlich
stieg wi Feuerschein hinter dem grünen
Laub empor e war der Mond.
.Bravo, Maschinenmeister!' rief Fran
ziska und klatschte in die Hände. .Aber
da ist eigentlich der Mühe werth, daß
man fich's vom AuSstchtSlhurme ansieht.
Gehst du mit, Johanna?'
Sie sprang aus, und einen Augenblick
später war sie in dem Thürmchen vcr
sch wunden.
.Gehen Sie nicht, Johann?' fragte
der Doktor.
.Nein. Wenn man alt wird, scheut
man die Treppen. Aber Sie lassen
Sie sich nicht abhalten. . . . '
Der Doktor schwieg und starrte hin
über auf den Thurm.
Dann wandte er sich plötzlich wieder
zu Johanna und sah sie forschend an.
Sie schien eS nicht zu bemerken, ihre
Augen waren aus den Mond gerichtet,
der nun schon wie eine rothe Scheibe
über den Zweigen hing.
.Johanna,' sagte er nach einer Weile,
.ein ernste Wort.'
.Ein ernste? Wort wcs meinen
Si damit?'
.Ich hab Sie einmal gebeten, mein
Weib zu werden. Sie wiesen mich ad
Ihr Antwort war .Nein' und immer
wieder .Rein'. Die Gründe für dieses
.Nein' st bestehen heute nicht mehr.
Wenn ich wieder käme und fragte wieder:
Johanna wollen Sie mein fein? Ich
bin da, Johanna, und löse mein altes
Wort in. Wollen Sie min Weib wer
den?'
Sie wandt ihr Gesicht nicht von dem
Monde und kalt, fast schroff, klang e
zurück:
.Rein.'
.Dann hatte ich damals Recht. ' brauste
er auf, .Sie haben mich nicht geliebt.
Die Liebe kann nicht fo hart sein, wie
Sie eS waren. Nein verzeihen Sie
mir ich will Ihnen nicht wehe thun.
Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen
sagen Sie mir nur, ob dieses .Nein'
Ihr letzte Wort ist '
.ES ist mein letzte Wort. Aber hören
Sie FranziSka ruft Sie. Gehen Sie
doch!'
Und nun stand er auf und ginq nach
dem Thurme....
Zwei Jahre find vergangen. FranziSka,
die jetzt Frau Doktor Wagner heißt, ist
bereits der Stern eines Hoftheater S ge
worden. Johanna lebt noch immer in
ihrer Heimathftadt und giebt Unterricht
wie sonst. Sie macht auch noch wie sonst
täglich zur gewohnten Stunde ihren
Spaziergano, aber Niemand sieht sich
nach ihr um ... .
Von FranziSka hört sie nur durch d
Zeitungen. Lob, nichts als Lob. Bis
weilen findet man das Spiel etwas kalt,
aber welche Stimme, welche Erscheinung,
selche Sicherheit und Eewandlheit bei
so viel jugendlichem Rei! Sie hat jetzt
ein Gehalt von 15,000 Mark und bereits
Antrage auf das Doppelte. Was für
eine Zukunft! Wie gut war S, daß
Jobanna damals .Nein' gesagt, als der
arme Student sie hetrathen wollte. . .
Emmal sind sich die beiden Schwestern
seit der Hochzeit auch begegnet. Fran,
ziika fang zum Besten de PenstonSfond
i ihrer Heimalh die Margarethe.
Der Doktor war in ihrer BeqleUunq,
aber er sah gar nicht mehr so luftig au
alS sonst. Beim Abschied hielt er Jo
Hanna' Hand Minuten lang in der sei
nen und dabei stiegen ihm die Thränen
in die Augen. .Arbeiten Sie k' flüsterte
fle ihm zu. .die Arbeit ist nicht öde, sie
ist ein Segen.'
Dann verging der Sommer und die
Hälfte de Winter, ohn daß sie von
Beiden etwa hört. Maiichmai, wenn
ft in der langen WinterdLmmerung am
Fenster ihres Stübcher.s faß, schweifte
ihre Gedanken fort aus ihrer Einsamkeit
zu den zwei Menschen, die sie liebte
ja, die sie liebte, mit all' der leidenschaft
lichen Zärtlichkeit, die unter dieser ftar
ren Rinde glühte.... Wie können sie
leben? Sie hart und kalt und er eich
und warm und schwach. Hätte sie da
malS, diS zweiie Mal, doch .ja' sagen
sollen? Ader wozu hätte eS geführt?
Da Leben ist nicht bis Ernst, eS ist
furchtbar für den, der e nicht zu bezmin
gen vermag ....
E war an einem Abend im Januar,
all fle wieder so in ihrem Stübchen saß
E war bereit Nacht, aber si hatte kein
Licht angezündet. Plötzlich klopft e an
der Thür und dann trat die alte Frau
ein. mit der Johanna die Wohnung
theilte.
.Ein Brief, Fräulein,' sagte sie,
Aber sie haben ja ncch gar kein Licht,
Soll ich Ihnen '
.Danke, Frau Roll, danke. Dahaben
wir schon Licht.
Sie nahm den Brief und erblaßte
Er kam aus der Stadt, in der FranziSka
lebte, und die Handschrift konnte nur die
de Doktors sein.
Die Frau entfernte sich, und nun öff
nete iic da Blatt.
.Da Leben ist nicht blos ernst, Jo
hanria,' schrieb der Doktor, ,e ist
furchtbar. Furchtbar für bieienigen,
die erst sehen lernen, wenn e zu spät
ist. An Ihrer Seite Johanna, wäre ich
ein glücklicher und ein nützlicher Mensch
geworden. An der Seite Franziöka'S
wurde ich ein arbeitsscheuer Tagedieb,
der Sklave der niedrigsten Leidenschaft.
Ich hasse dieses kalte, thörichte Weib,
und muß es doch lieben mein Leben
ist nichts als Eifersucht. Sklavidienft
Rausch, Qual und Schmach. Ich mache
die em Leben ein Ende behüt fle Gott.
Johanna, und denken Sie nur mitleidig
an den armen Narren, an dem daS Glück
so trügerisch vorübergegangen ist.
AlS sie den Brief zu Ende gelesen,
sank ihr der Kopf auf die Brust herab,
und so saß sie mit gefalteten Händen bis
tief in die Nacht hinein. Die alte Frau
kam einmal, um nach ihr zu sehen; als
sie aber ihr halblautes, schmerzliches
Sprechen hörte, zog sie sich wieder zurück.
Die Aermfte! Aber ob eS dann besser
gekommen wäre, wenn sie damals a
gesagt hätte? Die alte Frau schüttelte
den Kopf und winkte leise mit der Hand
als meinte sie, e wäre eine recht über-
flüssige Sache, sich mit der Vergangen
heit zu quälen.
Seitdem sind wieder fünf Jahre dahin
gegangen die beiden Schwestern haben
sich nicht wieder gesehen. Franziska ist
Kammersängerin geworden und hat einen
Grafen geheirathct Johanna lebt ihr
alles Leben in der Heimathstadt weiter.
Im letzten Winter hat Franziska wieder
zu einem wohlthätigen Zsiecke an der
Stätte ihrer ersten Triumphe gesungen,
aber an demselben Tage, der sie der Hei
math zuführte, reifte Johanna ab. Sie
liebt jetzt nur einen Menschen. .. . und
der ist todt....
Das Spielzeug der Tiger.
Ein wirkliches Erlebnih. Mitgelheilt von
einem Vielgereisten.
Als ich noch in Indien lebte, unter
nahm ich einft auf eigene Hand einen
Jagdaukflug nach einer nahe am Ganges
gelegenen beißen und. sandigen Ebene,
Als Diener begleitete mich ein Eingebo
rener, RamenS Gunject. Das ton mir
ausersehene Jagdgebiet hatte in seiner
Scenerie gerade nicht Berlockendes. Die
ganze Vegetation bestand aus Büscheln
hohen GraseS und Bambusrohr. Hin
und wieder ragte ein Tamariskenbaum.
in dessen Zweigen sich kreischende Papa,
geien schaukelten, auS der Einöde hervor.
Neben mir flatterten einige indische
Krähen rat! ängstlichem Gekrächze auf.
was mich veranlaßte ftill zu stehen und
nach der Ursache ihres Erschrecken zu
sorfchen. So viel und eifrig ich auch um
mich spähte, ich konnte nicht? Gefahr
drohendes entdecken, und fo schritt ich
sorglos weiter. Obgleich allein in dieser
traurigen Oede meinen Diener hatte
ich wegen eiiger Sachen, die ich auf dem
letzten Haltepiatz bette liegen lasse, zu
rückgeschicki so rfpürt ich dsch nicht
die geringjie Furcht. Wußte ich doch,
daß ich mich nahe einer Poststation und
in einem Distrikt befand, der schon seit
Jahren von Tiger vollständig gesäubert
sein sollte.
Während ich mich mit Bedauern dieser
Thatsache erinnerte, wurde ich plötzlich
durch eine ungeheuren großen schweren
Gegenstad, der von hinten auf mich ge
wälzt zu sein schien, zu Boden gestoßen.
Ich hatte des Gefühl, als ob mein
Kopf mit siedend heißem oder eiskaltem
Wasser übergössen würde, dann schwand
mir da Bewußtsein. Al ich meine
Augen öffnete, lag ich mit dem Gesicht
im Sande; in dem Moment, wo ich mich
aufzurichten versuchte, fuhr in riesige
Tatze über meinen Rücken und große
geld'grün Augen, die, wi ich bald sah,
einer alten Tigerin angehörten, blmzel
ten durch schmale schwarze EpaUen aus
mich nieder. Seltsamer Weise wandelte
mich, so uieit ich mich entsinnen kann,
kein besonderes Enisetzen an. sondern
nur ein lähmendes dumpfes Gesühl 6e
schlich mich, mich in das Unvermeidliche
zu fügen.' Ich weiß auch, deß ich in
einer Art von neugierigem Interesse die
Beobachtung machte, das Thier sehe eher
befriedigt ai wild auS.
Wie lange ich so gelegen und verfländ
nißloS in des Tigers Augen gestarrt
habe, weiß ich nicht; mechanisch versuchte
ich mich auS meiner unb quemen, geföhr
Ro. 37.
lieben Lage u befreien, und dabei ae,
wahrte ich denn, daß ich noch immer die
gtmte tn vcr anv hielt. AuS meinem
schmerzenden Gehirn löste sich der unbe
stimmt Gedanke, ich müßte dech irgend
etwas mir oer Wart ltzun; vielen Ge
dankenaana aber weiter lu nkolskn
dazu kam ich Lorläuflg nicht, denn das
Thier ergriff mich bei den Schultern und
schleppte mich wohl eine Viertelmeile weit
sort, nach einem sogenannten .Jungle'.
Hier ließ I mich fallen, erhob seinen
Kopf und stieß einen sonderbar sanften
Ton au, auf den zwei junge Tiger sofort
herbeigesprungen kamen. Sobald sie
meine? anfichtig wurden, wollten ste
schleunigst Kehrt machen, doch die alte
rwi. i ein it. m ..
Tigerin wuie ne, invem ne mich 'anst
mit ihrer Tatze streichelte, mich aufhob
und vor sie hinlegte, bald zu überzeugen,
daß ich in ganz harmlose Individuum
ei, mir vem es nq reazl gut Iplelen lasse
Und nun besannen die beiden kleinen (Mi
schöpfe ihren Zeitvertreib mit mir, indem
sie mich von einer eue aus rie andere
rollten, mich an Armen und Beinen zerr
ten und dergleichen mehr, wobei ihre
336nc und Taden mir nickt erinae
Schmerzen verursachten. Mein ganzes
oenren uno mpnnoen war in einen
lähmenden Bann geschlagen, aber in
stivctiv suchte ich dock au dem Bereich
dieser kleinen knurrenden Geschöpfe zu
rammen uno micy, o gur es anging,
meiner Haut zu mehren. Mit aller Ge
walt suchten die Thiere mich zurückzuhal
ten und mein ffortschleichen tu verein
der; voller Befriedigung sah die Alle
vem ivpiel yrer Tpröszlmge und meinen
unnübcn Anstrenaunaen tu. Allmählich
gelang eS mir frei u kommen, und da der
Trieb der Selbsterhaltung in mir noch
nicht ganz erloschen war, o dachte ich an
Flucht. Mechanisch kroch ich gegen den
nächsten Baum, ein bi zwei Fuß mar
ich noch von demselben entfernt, da
sprang die Tigerin mit einem gemallizen
vrÄi. ...c ... . A. . :i w
vug uu unuf ju, (juuic rniiy uui vcui
Maul und beförderte mich nolen volens
wieder auk meinen alten Platz zurück.
Ei.' dachte Ich bei mir. .gerade so
spielt die Katze mit einer MauS'.
Ein tödtticher Schrecken, ein maß
lose Entsetzen, das ich mit War
ten nicht beschreiben kann, erfaßte
mich. Die Flinte entfiel meinen er
schlafften ffivaern. voller Berlweirluna
raffte ich sie wieder auf, mit einem Ge
fühl. alS sei ich über einen Adarund ae
strauchelt. O ich Thor, ich blinder
Thor! Jetzt wußte ich, waS ich thun
wollte. .Riederschießen wollt ich die
Bestie!'
Meine löbliche Beweauna schien die
Tigerin z warnen, ich könnt doch noch
meyr reven in mir yaoen, ais lyr ucD
sei: sie knurrte und schüttelt mick derb.
Nun galt eS, wollte ich meinen Plan
durchführen, von Neuem meine Stupi
dllät zu heucheln und die Angriste der
jungen Tiger mit sanfter Hand zurückzu
halten.
Meine Flinte beständig im Auae. sah
ich, daß sie mit einer Patrone geladen
und daß das Magazin noch halb gefüllt
war. Hoffnungsvoll begab ich mich an
mein Werk. Nachdem ich sehr, sehr
langsam 4 ö Fuß vorwärts gekrochen
war, ließ ich die jungen Tiger mich um
kollern, worauf ich mich wieder kriechend
in der Richtung nach der alten Tigerin
zurückbemegte. Blinzelnd und behaglich
fchnurreud lag si da. Offenbar hatte
sie nicht lange oerher ein gutes Mahl at
nossen und beeilte flch daher nicht sonder
lich mit mir. 3 oder 4 Fuß von der Al!en
fiel ich vornüber, als wenn ich amlich tx-
schöpft sei. In aller Gemüthsruhe be
odachtete mich meine Feindin. Ein Ent
wischen meinerseits hielt sie wahrschein
lich für eine Unmöglichkeit. Der Lauf
meines Gewehres ruhte auf einem Gras
büfchel. Nun das alt JZgerblut wieder
in mir erwacht war und ich die Betäubung
von mir abgeschüttelt hatt, störte mich
das Spiel der Jungen nicht mehr. Alle
mein Gedanken hatt ich auf den inen
Punkt konzentrirt: ie ich am besten dem
Randthier den Garaus machen könnt,.
Mei Stellung durfte ich nicht ändern,
und s richtete ich denn den Lauf meiues
Gewehres, so daß die Kugel schräge auf
wZrtS durch Herz gehen würde. "Lieber
noch hätte ich der Bestie eine Kugel durch
den Kopf gejagt, aber in Hinsicht auf
meinen geschwächten körperlichen Zustand
und mein unbtqueme Lage konnte ich
daS Wagniß nicht unternehmen. Gerade,
al ich schußbereit war, kam mir eins der
Jungen in den Weg, und mn Muth
sank. Die Mutter rollte e jedoch mit
einem scherzhaften Schlage zur Seit
und im nächsten Moment drückte ich
ab. Alles Blut drängte sich mir zum
Herzen. Triumph! Nicht um ein Haar
breit hatt ich mein Ziel verfehlt. In
das Knattern des Gewehre misch! sich
ein wilder Schrei; der langgestreckte Kör
per stieg kerzengrai tn die Höhe um
gleich darauf leblos vornüber zu fallen.
Ich stürzte auf meine Kniee ui,d dankte
dem Schöpfer für die Errcttnng aus
Todesncth. Nie vorh war mir die
Welt so schön, mein Dasein so herrlich
erschienen, wie jetzt, da ich wieder frei
und furchtlos mein Auge zum Himmels
zelt erheben konnte.
Mein Körper allerdings wer Übel zu.
gerichtet, an Armen und Beinen fand sich
keine heile Stelle, und in meiner linke
Schulter fühlte ich inen brennenden
stechenden Schmerz, der von Minute zu
Minute wuchs und mir da Weitergehe
unmöglich machte. E blieb mir also nicht
weiter übrig, al mich s lauern nie
möglich gegen den todten Körper meine!
besiegten Feinde zu lagern und ruhig
die Ankunft meine Diener abzuwarten.
Di Jungen niederzuschießen, fühlte
ich nicht die geringste Luft, aber ich ver
bat mir von jetzt an ernstlich ihre über
triedene Liebkosungen und kitzelt fle, so
bald si ihr alte Spiel mit mir wieder
aufnehmen wollten, nicht allzu sanft mit
dem Gewehrkolben. Mein Warnung,
schienen sie oerftavden zu haben, denn ste
entfernten sich u meiner Nähe und leg
ten sich im Sand nieder. Ob fle sich der
trügerischen Hoffnung hivgaben, ihre
Mutter solle mich noch inmal kirre und
fügsam machen, weiß ich nicht.
Nach einer halben Stund ungefähr
nahte mir endlich in Gestalt meine
Diener di erwünschte Hilfe; ich war
dermaßen erschöpft, daß ich kaum sprechen
konnte. Von dem starke Arm de Ein
geborenen mehr getragen ! geführt, r-
reichte ich unter qualvolle Schmerzen bi
Poftstatton, wo ich drei Monate schwer
krank an einem hitzigen Fieber darnieder
lag. Ich erfuhr später, daß mein Diener
am nächsten Tage die beiden jungen Tiger
gefangen und per Fluß nach Bnime c
schickt hatte, während da Fell der Tige,
rin zu einer prächtigen Decke sür wich
verarbeitet wurde. Seit jknem Aben,
teuer hat das Spiel der Katze mit einer
MauS etwa höchst Widerwärtige für
mich.
ühnenlurus im vorige Jhr
unverr.
Von der Pracht älterer Opernavf
führungen giebt die Jnszenirung der
.Bereniee' zu Padua m Jahre 1760
einen Begriff. Die Oper hatte drei
Chöre, und zwar einen auS 100' Mäd
chen, einen auS 100 Soldaten und den
dritten au Rittern zu Pferde bestehend.
Im Triumphzuge befanden sich 40 Jäger
mit Hörnern, 60 Trompeter zu Roß, 9
Tambour neben SS anderen Musikant,
eine Menge Fahnenträger, Pagen, Jäger,
tallmelfter, dann zwei Löwen, vor, Tür
ken, sowie zwei Elephanten, von Mohre
geführt. Berenltt'S Triumphwagen ward
von sechs Schimmeln gezogen, fech
andere Wagen für die Heerführer waren
jeder mit Pferden bespannt, noch sechs
andere für di Leute vnd Gefangene mit
12 Pserden. Die Verwandlungen der
Bühne stellen vor: einen Wald zur Jagd,
in welchem Wildschweine, Hirsche und
Bären gehetzt wurden, eine schier endlose
Ebene mit viele Triumphbogen, di Säle
der Bereni, den königlichen Speisesaal.
und den königlichen Warst all mit 200
Pferden., Zum Schluss scnkt sich ein
groß goldne Kugel au der Luft, die
sich öffnete und wieder acht blaue Kugel
auswarf, auf welchen die Tugend, die
Großmuth, die Tapferkeit, die Heldin,
liebe, der Sieg, der Muth, die Ehre und
die Unsterblichkeit faßen, in der Luft
schwebend und einen Chor anstimmesd.
ichft hrfchemlich.
Der Herr ÄZrosesssr wird um trfttn
Mal zu ein Treibjagd eingeladen. Al
sich ver lUiee nähert, vemerkt derseil,
wie sich plötzlich zwischen den Zweige
etwas rührt. Schnell legt er an, and
ehe fein Nachbar, ein Forftgehilfe
verhindern kann, hat er such schon cöge
drückt.'
.Sacra. iedt hat mV btt SchakSkovs
'nauf g'schoss'n', ruft ein Stimme au
on Bu,chen i gorstgehtlse ist pr
vor Schreck; der Herr Prosessor dagege
wendet sich ruhi um uud svricht im Ton
tiefster Kathederweisheit : .Mir scheint
säst, al ob daS, mag ich soeben schoß,
kein Hase gewesen seil'
Trsft.
Studiosus hu feine Gläubiger.
der über die steile Treppe hinunterpur
zelt):. ..Machen Sie sich nichts d'rau
nächsten Monat zieh ich Parterres
Dis eingebildete Kranke,
Ach, Herr SanitätSrath, ich bin
ramer v krank, daß !ch große
Angst habe, für den Fall, als ich' ir k
rch krank werden sollte es aar
nicht zu bemerken!'
ck:suragement.
Bettln (tu einem SStnn. der i&rn
...,vti yvix ."5, w
m'r doch a' biss'l mehr! Ji noch, 'n
9s n(Xn a r tt nYi n i T i f a ß.
Inn 9ftftintrt ftth (3i C-&m'm
alle Muth!'
Heimgezahlt..
Herr (zu seinem Freund, der mit die
sem längere Zeit einem Fischer zusteht):
t)tv! denn was Dümmere und Lang
welligere, al stundenlang umsonst zu
angeln '
Angler: .Ja freili'S Zuschaue !'
!TTal!?e.
.Siehst Du, mein lieber Junge, beut"
warft Du den ganzen Tag artig!. . Wie
schon wäre es, wenn Du Dich immer so
betrage würdest !'
,Ja, lieber Papa, ich nehme mir ea
a.ich ftet vor aber eS kommt mir
immer wieder 'was dazwischen!'
lange Trennung.
.Also, liebes Weibchen, Du gehst nun
in den Modebazar? I Dann gib mir vor
her noch einen recht schönen Kuß l'
.Was fällt Dir ein, aus offene,
Straße!'
.Aber, Elisc, vor einer Reise oder vor
einer sonstigen längeren Trennung nimmt
man doch mit größerer Zärtlich,
keit Abschieds'