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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Jan. 18, 1894)
wie ein Strom. t'en Tl a r i t Stahl. uf der von wildem ein umrankten und von fvaten Rosen umblüblen Gar. t,krand, eine Landhauses saß ein alter, verdrießlicher Herr, die von Eich geplagte Glieder in Kissen und Decken tckelt, mit seiner veim sqaq Kiele. trotzdem c den zu einer spannenden ÄrisU in der Parlhie gekommen bot, hatte da junge Mädchen da seine rei, zeude Köpfchen mit müden, träumerischen Xag.cn in die Hand gestützt, di ein Tritt uf dem ie de Gartenwege hZriar nrde, der sie eleklristrle. 4)urq 011 Gartenpforte, von der Seite de Hofe her, kam ein junger Mann auf die Beranda zu, der Arzt de alten gichtischen Herrn von Beiden, ocior iKtunoi.. Mit schlichtem, herzlichem Gruß trat er zu den beiden Spielern. Seine Er scheinung machte den Eindruck männlicher Einfachheit, man konnte seinen Zügen Vornehmheit der Gesinnung und Wil lnftärke ablesen. Der alte Herr begrüßte ihn mit etwa lauten Scherzen, au welchen die durch seinen Zustand bedingte üble Laune hrauklang. Dr. Neynold rollte den rankenstuhl mit leichter Muhe in da Hau, um da gichtische Bein seiner Behandluv g zu unterziehen, und Alfa on Verben blieb allein in dem Sonnen, schein und dem starken Duft der zweiten Rosenblüthe de Sommer. Sie stand, auf die Balustrade des Balkon gelehnt, zwischen dem Gerankt de wilden WeinS, al Dr. Revnold allein zu ihr zurückkehrte. .Gnädige Fräulein, ich muß mich heute für einige Zeit von Ihnen verabs schikden. Ich gehe morgen nach Ham bürg. Ich habe mich dort al Asststenz arzt in den Baracken zur Verfügung ge stellt. Dr. Fichte wird mich unterdessen bei Ihrem Herrn Vater vertreten." Die biegsame Gestalt de jungen Mädchen schnellte au ihrer lässigen Haltung empor, und die eben noch ver träumten dunklen Ssmmetaugen waren gan; Energie und zürnende Staunen. JD ist Wahnsinn! Sie dürfen nicht gehen.' .Ich muß." .Niemand kann sie zwingen I .Mein Ehrgefühl zwingt mich und und die Pflicht der gewöhnlichsten Räch' enlieb.' Nein, nein, da geht zu weit. Da ist Eelbstoernichtuna l" Er sah sie ruhig und ernst an, doch eine tiese Bewegung sprach au seinen husten. .Da Elend schreit um Hilfe. Eine solche Epidemie ist für den Arzt, wai der Krieg für den Soldaten. Wir müs seu in' Vordertreffen, wer von un da zurückbleibt ohne den eisernen Zwang der Nothwendigkeit, der ist ein Deser, Kur seiner Pflicht.- Sie sollen nicht g,h:n weil ich es nicht will!" rief sie, die kleine Hand auf der Balluftrade zusammenballend. Sie stand hochaufgerichtet und befehlend sor ihm. .Ich will nicht die Qual der Angst um Sie leiden, das Leben ist schon 'uneklrLglich genug ! Ich kann Sie nicht entbehren j?tzt nicht I Sind wir n' Freunde? Stehe ich Ihnen nicht näh, al jene paar tausend Cholerakranken dort? Ersparen Sie mir alle Phrasen Lbrr Pflicht und Nächstenliebe. Sie wissen, daß diese Menschenliebe en massc für mich nicht eristirt. Ich habe Ihre Ansichten über Humanität und Zusam mengehörigkeit mit der großen Allge meinheit nie getheilt. Ich habe mich mein ganze Leben lang verzweifelt ein. sam gefühlt; Niemand von d.r großen Allgemeinst hat meine Entbehrungen, die Qualen meines Dasein getheilt, warum soll ich da Bischen Freude, das mir vergönnt ist, hinwerfen an die Masse, die sich nicht um mich bekümmert? Es ist genug, wenn der Einzelne fein Interesse und seine Nächstenliebe dem Einzelnen widmet. Es ist ein Wahn, sich für die Masse zu opfern! Ein Wahn, der zur Selbftoernichtung fühlt. Die erftt und nächste Pflicht ist die Erhaltung der Jndi idualiiät. Meine Individualität ist der Brennpunkt alles Daseins für mich." Da sind unedle Worle, Alfa, und Ihrer nicht würdig.' .Ich will keinen Edelsinn heucheln, den ich nicht besitze.' .Sagen Sie mir nur ein freundliches Lebewohl, eZ wird mir Muth geben zu allen Entbehrungen, in allen Gefahren.' .Rein, ich habe kein Lebewohl für Sie, wenn Sie gehen. Wer mein Freund sein will, muß mich zuerst berücksichtigen, Ich erkenne die Rechtt der großen Masse nicht an neben meinen Rechten.' .Alfa ! Sie wissen nicht, wie weh Sie mir thun. Sie rechen eine Kluft zwischen un, wenn Sie auf diesem Standpunkt beharren. Der meine ist und bleibt un veränderlich der, zu arbeiten für die lei dende Menschheit. Sagen Sie, können Sie wirklich ruhig bleiben bei Ihren engen Interessen, Ihren kleinen Leiden und Freuden, wenn Sie dort, so nah, im Bereich Ihrer Hilse, Tausende und Tau send elend zu Grunde gehen wissen?' .Ach,' sagte Alfa mit einem müden, trostlosen Blick in' Leere, .man muh da Leben noch sehr lieben, wenn min so übergroße Mitleid mit ein paar Ster benden mehr oder weniger haben soll. Die Tragik de Daseins ist überall und ,u gleicher Zeit gleich groß. Ich brauche f viel Bitterkeit und Härte gegen mich selbst, daß ich keine Sentimalität für Andere mehr übrig habe. Das allgemeine Frauenfchickfal verlangt, daß ich mein Herz mit Füßen treten soll. Gut, ich habe eS erstickt, nun kommen Sie nicht und verlangen, daß ich für Andere ein jühlendeS Herz haben soll.' .Alfa, ist das Ihr letzte Wort?' , .Mein letztes.'. .Leben Sie wohl! Wenn ich wieder- komme " Wenn Sie wiederkommen, ist Alle ander.' .Vielleicht komme ich nicht wieder .Vielleicht um so besser sür Sie und mich.' .Leben Sie wohl!' Er riß sür einen Augenblick die Hand de jungen Mädchen an seine brennen den Lippen, er sah sie mit einem flehen den, Heiken Blick voll eelerqual an sie stand stumm und regungslos, noch lange, nachdem er gegangen war, mit todten, leeren Augen vor sich hinstarrend Acht Wochen später saß Alfa am Schreibtische in ihre Bater Zimmer vor einem leeren Blatt Papier und war tete auf da Dictat de alten Herrn, der heute noch hinfälliger und gebeugter in seinem ranrenfluhle saß. Er begann endlich: Lieber Schwager! Bittere Nothwendigkeit zwingt mich, dich noch einmal um Hilfe anzugehen. Alle Bemühungen, die gekündigte Hopo thek bi zum ersten Januar 1693 zu be schaffen, sind gescheitert; ich muß die Sache al hoffnungslos aufgeben. Da auch noch die rückständigen Zinsen vom letzten Quartal zu zahlen sind, kommt Hohenlanden, da schöne, alte Familien, gut, da Erbe meiner Väter, unrettbar unter den Hammer. Ich muß al hin fälliger Grei, mit einem Fuß schon im Grabe, noch zum Wanderstab greifen, und dieser Wanderftab ist ein Bettelstab. Aber nein, du wirst e nicht dahin kom men lassen, da Andenken an die Ber blichene, an meine Schwester, wird genü gen, dein Herz zu erweichen Bei diesen Worten legte Alfa die Fe- der energisch nieder, während Seelenqual sich in ihren Zügen malte. .Papa.' sagte sie leise, aber fest, .es ist umsonst. Da Andenken an Mal wine wird nicht genügen; du weißt, er hat sie zuletzt beinah gehaßt, deinct. wegen, weil sie ihn stet zu Opfern zwang. Du demüthigst dich umsonst vor ihm. Er wird dir nur mit Beleidigun gen antworten. Thue eS nicht, ich bitte dich.' .So?' fuhr der alte Hcrr mit tiefer Gereiztheit auf, .weißt du einen andern Vorschlag, einen andern AuSweg?' Alfa preßte einen Augenblick beide Hände gegen die Stirn. Dann sagte sie ruhig mit klarer Stimme, während sich um ihren kleinen weichen Mund herbe Linien legten: .Vorläufig nein. Wir können jedoch bis zum öußelften Termin warten.' .Dann ist eS zu spät.' .ES wird nicht zu spät sein. Graf Degen wartet auf mich, so lange ich will.' .Ich möchtt tS dir gern ersparen, dich an den Krüppel zu verkaufen, mein arme Kind. Lieber möchte ich Alfa machte eine abwehrende Har,d bewegung. .Laß gut sein, Papa. ES bleibt sich gleich. Lieber heirathe ich gar nicht, aber da eS doch einmal sein muß, ist Graf Degen der passendste Mann für mich. Er ist sehr reich und sehr vor nehm. DaS ist Alle, was ich brauche. Herr von Verben warf einen besorgten, nachdenklichen Blick auf seine Tochter, gher die Verzweiflung war bereits aus seinen Zügen geschwunven. In diesem Augenblick meldete ein ein. tretender Dienstbote den Besuch des Grafen Degen. Herr von Beiden lu grüßte den Gast mit einer Herzlichkeit, die einen Anstrich von Ueberschmänglich keit hatte, Alfa mit stummer Ruhe und Zurückhaltung, ohne unliebenswürdig zu erscheinen. Graf Dtgen hatte daS scharf markirte, ältliche Gesicht eine Krüppels. Ein Klumpfuß zwang ihn, stets an einem Stock zu gehen, den er daheim mit einer Krücke vrrtauschie. Er war klein und hatte einen Höcker auf dem Rücken. .Wissen sie schon tai Neueste?' rie er nach kurzer Begrüßung mit einem scharscn Seitenblick aus Alfa. .Heute erhielt ich die Kunde, daß unser Docto, Revnold nein typhösen Neroeimeber er legen ist, nachdem er die Gefahnn der Cholera glücklich überstanden haltt. Er soll sich aufgerieben haben im Dienste der Krankeaxftege und war bereits seit eint per Zeit selbst als Patient im Hospital Schade um ihn, sehr schade! begabter junger Mann, angenehme? junger Mann.' Wieder ein forschender Blick auf Alfa; auch Herr von Verben sah angstvoll aus die Tochter. Alfa blieb vollkommen ruhig, während Herr von Verben in Lamentationen auö- brach. Wie erkundigte sich nach den Ein zclheiten dieser Nachricht, die Graf Degen jedoch nicht geben konnte; er wußte nur die Thalsache. Dann führte sie, wie gc wöhnlich, die Unterhaltung mit Gras Degen, ohne eine Gemüthsbewegung zu verrathen. Ja dieser Nacht kam kein Schlaf in ihre Lugen. Sie saß auf ihrem Lager und starrte wieder mit todten, müden Augen iu's Leere. Endlich erhob sie sich und suchte lange unter ihren Büchern, bis sie einen kleinen Band, die Psalmen Davids, fand. Sie schlug den neunzigsten Psalm auf und lag die Stelle: .Denn tausend Jahre sind vor dir, wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässest sie da hinfahren wie einen Strom und sind wie ein Schlaf; gleichwie ein GraS, da doch bald welk wird. DaS da frühe blühet und bald welk wird und des Abends ab gehauen wird und verdorret.' Weiter las sie nicht, tte halte den ntt gefunden, den sie suchte. Wie ein vtrom, wiederholte sie träumerisch, .wie ein Schlaf, eS rauscht vorüber wie ein Strom es wird bald vorbet sein!" Sie legte da Büchlein fort, und ihr Haupt sank auf da Kissen. Und immer wiederholte sie sich .wie ein Slrom', bis ihr war, al ob der gewaltige Strom alle Leben reißend über sie binfluthete und sie mit forttrüge in den Ocean der Ewigkeit. Eine glänzende Gesellschaft war im Kasino de Landadel, in der kleinen Garnisovftadt St. versammelt. Man feierte den Sl)losterAbnd mit einem Ball. Wenige Tage vor Weihnachten halte die Verlobung de Grafen Rodertch D gen mit Alfa von Verben Aufsehen in diesem Gesellschaftskreise erregt, und da erste öffentliche Auftreten de Brautpaa re auf dem Svloesterball war die Ver anlassung de vollzähligen Erscheinens de ganzen Kreise. Der Ball hatte bereit begonnen, al Gras Degen mit feiner Braut und feiner alten Mutter den Saal betrat. Alfa und ihr Vater waren zum Neujahrsfest Gäste der alten Gräfin Degen auf Schloß Lubbock. Herr von Verben bc suchte jedoch seines Leidens wegen keine öffentlichen Feste mehr und war in Lub bock zurückgeblieben. Alfa' Erscheinung erregte Aufsehen im Ballsaal. Man hatte sie lange Zeit nicht gesehen, da sie sich mit ihrem Vater von aller Geselligkeit ferngehalten hatte, und nun war man überrascht, was au dem einst kindlich lieblichen Mädchen ge worden war; eine Schönheit, von der ein seltsamer Zauber ausging. Es war etwa in dem seinen, blassen Gesicht mit den ruhigen, dunklen Augen unter der Flechtenkrone, wa man nicht gleich er gründen konnte, und was mehr reizte und anzoz, als die seltene Anmuth der schlanken, stolzen Gestalt und der edel geschnittenen Züge. Aber die Menge hielt sich nicht dabei auf, den seelischen Zauber dieser Züge zu enträlhfeln, sie be-! wunderte nur da schone Weib, dem da schimmernde, weiße Seidengemand zur prächtigen Folie v.ente. Eraf Degen war elwaS laut und forcirt in seiner Eigenschaft als glück licher Bräutigam. Da Peinliche der Situation, sich mit seiner unglücklichen Gestalt neben einer solchen Braut der Kritik der Gesellschaft zu xräsentiren, schien alle seine Nerven anzuspannen und aufzuregen. Und doch hielten Stolz und Glück dieser Qual da Gleich gemicht, und mit heimlicher Wonne beobachtet: er jeden großen und kleinen Triumph, den Alfa's Schönheit feierte. Er tanzte selbstverständlich nicht, doch mußte sich Alfa seinem Willen fügen und an dem Tanz theilnehmen. Die Mitternachtsstunde nahte, und man tanzte den Kotillon. Eine neue Tour hatte soeben begonnen. Alfa wurde von ihrem Tänzer vor die ge schlössen Portiere einer Saalthür ge führt, hinter welcher eine Reihe von Herren vorüberfchritt. Wer von den Herren ihr gegenüberstehen würbe in dem Augenblick, wo sie die Portiere hob, mußte mit ihr tanzen. Die Musik in tonirte soeben die .Heimliche Liebe', Hla zögerte einen Bugenblick, aller Augen waren mit Spannung auf die Portiere gerichtet. Da rauschte die Portiere auseinander, Alfa hatte die Schnur gezogen, doch mit einem gellenden Schrei taumelte sie zurück. Und dieser Aufschrei pflanzte sich fort durch den ganzen Saal in einem einzig. 'r Ruf des Staunens und Schreckens. In dem Rahmen der Tzlr stand eine bleiche Gestalt, die sich unheimlich gegen den dunkleren Hintergrund des GcmachcS abhob: Doktor Reznold. Gias Degen erschien bei dem Aufschrei seiner Braut hinter der Portiere d:r gegenüberliegenden Thür. Die Gesell jchaft drängte in heftiger Aufregung der fragwürdigen Erscheinung entgegen, und Sie Musik verstummte. Alfa hatte nach dem ersten Schrei wie erstarrt gestanden. Dr. Rennold wir tn großer Erregung näher gekommen; er faßte nach Alfas Hand und fragte: .Habe ich Sie er schreckt?' Ehe sie antworten konnte, war er um- ringt und von allen Seiten mit Fragen bestürmt. ')tx Irrthum klärte sich nun auf. Dr. ?!ei!old hatte lange Zeit an yphösem Ncrvensieber in einem Ho'pital gelegen und war dann in einem Zustand gänzlicher Apathie an einen Luftkurort gebracht worden, wo sich ferne schütter ten Nerven langsam erholten. Aus dem Ballsaal erfuhr er zu seinem Erstaunen, daß man die Nachricht von feinem Tode verbreitet habe. Er war erst vor einigen Stunden in K. eingetroffen, und da er von dem Feste im Kasino hkrte, zu dessen Mitgliedern er zählte, hatte er sich sofort dorthin begeben, um Freunde und Be kannte zu begrüßen. Die MitternachtSftunde schlug. Alles drängte sich mit gefüllten Gläsern in den Saal. Feierlicher Glockenton verkündete vom nahen Kirchthurm den Beginn des neuen JahreS. Posaunen setzten darauf ein zu einer Jubelhvirne in getragener, brau, sender Melodie. Dann wurden draußen in der Stadt Böllerschüsse laut. Fröhliche Zurufe von der Straße tönten in die gegen fettigen Glückwünsche der Ballgesellschaft hinein. Alfa hatte am Arm ihres Bräutigams da neue Jahr erwartet. Er ließ sie nicht von feiner Seite. Sie hatten sich etwas aus dem dicht gedrängten Kreise zurückgezogen und waren in eine Fenster nische getreten. Ihre dunklen Augen hingen träumend am Nachthimmel. .Wie ein ström wie em sozial. Diese Worte gingen ihr durch den Sinn. Alfa bat darauf ihren Bräutigam, mit ihr nach Lause u fahren, sie fühle sich ungewöhnlich ermüdet. Er willfahrte gern Ihrem Wunzoze unv v,ieg mir ver Braut da Fest, al dasselbe erst rtcht heiter und lebhaft zu werden anfing, Herr von Verben hatte unterdessen ein same und trübe Stunden in Schloß Lud bock verlebt. Da Opfer seiner Tochter hatte ihn zwar vor dem Ruin und vor Heimathlosigkeit gerettet, doch ihn drückte die Schwere diese Opfer. Er ahnte, daß Alfa Heiralh mit Graf Degen einen Seelenverkauf für sie bedeute, schlimmer al der Tod. Die Lieb zu seiner Tochter war da einzige Glück in dem Leben des alten Manne, doch e war eine Liebe auf seine Art, stark auf Eitelkeit und Selbstsucht gegründet. Ja seinen Augen konnte Alfa Opfer nicht üderschwänglich genug belohnt werden, und seiner Meinung nach mußte Graf Degen den Staub von ihren Fußsohlen küssen dafür, daß sie sein Weib wurde. ES Halle sich jedoch vom ersten Augen blick der Verlobung an gezeigt, daß der Graf nicht der Mann war, sich zu unter schätzen. Er ließ den alten Herrn mit einiger Rücksichtslosigkeit fühlen, daß er tn seiner bedürftigen Lage nicht berech tigt sei, Gesetze vorzuschreiben. Auch verlor er, trotz aller Leidenschaft, der schonen Braut gegenüber nicht den Kopf. Als Herr von Verben eine glänzende icherflellung der Zukunft seiner Toch- ter verlangte, mit einem Wort, daß der Gras sie zur alleinigen und unabhängi gen Erbin seines Vermögens machen und ihr bei Lebzeiten jährlich eine große summe zur freien Bertüguna aussetzen olle, erfuhr er von dem küiistigen Schmiegersohn die kühle Zurückweisung, daß er nach eigenem Ermessen handeln wolle. In den folgenden Tagen nach dieser Unterredung hatte der Graf mit seinem Notar sein Testament gemacht, von dessen Inhalt Herr von Verben je. doch nichts erfuhr. Der Grimm darüber wühlte und kochte nun in dem Herzn, des alten Herrn, in dem sich ein heimlicher, ohn mächtiger Haß gegen den Schwiegersohn ansammelte. Die Wuth schüttelte ihn förmlich, wenn er daran dachte, daß dieser Krüppel seine schöne, herrliche Tochter besitzen würde, ohne sür dlcen Besitz den höchsten Preis zu zahlen. &o saß er tn seinem Krankenftuhl am Kaminscuer in seinem prächtig eu?ge- statteten Wchlasgemach tn Schloß Lud bock, brütend und grübelnd, wie er den Inhalt des Testamentes erlangen könne, um danach feine Handlungsweise be stimmen zu können. Er halte zufällig erfahren, dag Gras Degen eine Abschrift de Testaments in dem Secrelär seine Arbeitszimmers auf bewahre. Blitzschnell tauchte der Ge dank in ihm auf, daß die Zimmer deS Grafen unter feinem eigenen Schlafge mach in demselben Flügel de Schlosses lägen, und daß sich zur Z:it keine Men schenseelk außer ihm auf dies Seite des schlösse besän. Die gesammte Die nerschast hatte sich zur Solsestrseier bei dem Hausmeister im Erdgeschoß deS Schlosses versammelt; Gras Degen würde mit den Damen erst gegen Morgen vom Balle heimkehren was hinderte ihn also, einen Versuch zu wagen, sich mit dem Inhalt des Testamentes bekannt zu machen? Wer würde eS erfahren, wenn er heimlich das Testament läse, ti heim lih wieder an seinen Platz legte? Die Schwierigkeit, den s:cretSr zu öffnen, eristirte nicht. Gras Degen wußte nicht, daß er daS Geheimniß kannte, den Secre tär ?hne Schlüssel durch den Druck einer ttbsrge.ien Feder zu ötsuen. Es hatte bereits ein Uhr geschlagen, als Herr von Verben in einem Gehpelz unhSrbar auf feinen großen Filzschuhen langsam die Treppe hinunterhumpelte, nach den Gemächern deS Grafen, ein Licht in der Hand. Er hatte daS Schlaf immer des Grafen zu passtren und ließ die LerbindungSthür nach dem Prioat kabiuet offen, in dem sich außer dem Sekretär nur Akten und Geldschränke befanden uud welches keinen anderen Aus gang hitte. ES gelang ihm, den Sekretär ohne Schwierigkeiten zu öffnen, und nach tini: gem Such :n fand er die Kopie des Testa meniS und beim Lesen desselben feine Be fürchtungen bestätigt. Der Graf hatte, im Gefühl der Eifersucht, daß seine schöne Gattin nach seinem möglichen frü heren Ableben als reiche Erbin baldigst eine Neigungsheirath eingehen würde, dies zu vereiteln gesucht, indem er die Erbschaft, falls Nachkommen da wären, mit strengen Bedingungen verklausulirte, und im Falle er kinderlos stürbe, Alfa auf das Pflichtteil setzte, während sein großes Vermögen einem N.ffen zufiel Blaß und bebend vor Wuth war Herr von Verben gänzlich in die Leklüre des Aktenstückes vertieft. Plötzlich de'rat der Graf sein Schlaf zimmer. , Einen Augenblick blieb er wie gebannt auf der Schnelle, als er di halboffene Thür feines PrivalkabinctS und Lichi i demselben gewahrte. Sein erster Gedanke war der Geldschrank und Diebe! Der Graf war zwar ein Krüppel, aber er besaß Muth und Unerfchrockenheit. E' überlegte, daß die Diebe entkommen wür den. bis er die Hilfe der Dienerschaft herbeigeholt halte, und so ging er mit schnellem Entschluß nach dem Revolver, kästen vor seinem Bett, nahm einen sechs läufigen Revolver heraus und begab sich geraden Wegs nach der halboffenen Thür Da geschah so behutsam, daß Herr von Verben unter seiner Pelskappe die Ankunft deS Grafen nicht bemerkt hatte Erst ein Geräusch, unter der Thür ließ ihn auS seiner über da Licht gebeug'en Stellung emxorfahren. Sein erster Ge danke war, das Licht auszulöschen. .Werd? Dieb! rief der Graf, der unter der Pelzmütze und in dem alten Mantel seinen Schmiegeroater nicht er sannt hatte. Mit vorgestrecktem Reool er schritt der Graf auf ihn zu. In dieser Gefahr faßte der Bedroht schnkll einen ReltungSxlan. E galt den Versuch, unerkannt an demGegner vorbei zukommen. Den Pelzkragen tief über da Gesicht gezogen, nahm er einen ver zweifelten Anlauf, den Grasen über den Ha- seit zu werfen. Aber er erfuhr einen unerwarteten Widerstand. Mit eiserner rast krallte sich die Hand de Grasen beim Falle an ihn fest und riß ihn mit zu Boden. Ein kurze Ringen begann. Herr von Verben raffle sich empor und stürzte der .yar zu, aber der Kruppe! hing an den Falten seine Mantels und wurde von ihm einige Schritte mitgeschleist. Da siel rer Mantel zu Boden! Mit Entsetzen starrten sich beide Männer in einem Augenblick des Erkennen gegenseitig in oie verzerrten Veftazter. Einen Augenblick und blinde Wuth ein wilder, tödllicher Haß loderte im Herzen de alten Manne empor. Die ser Krüppel wollte an sein elendes Da sein de schöne Weib fesseln, ohne den höchsten Prei dafür zu zahlen! Und vor viefem lenven stand er nun entehrt, ge- vranvmarrt, wie ein gemeiner Ver brechen iUle Tragwcitt seiner Hand lungSweise kam ihm plötzlich zum Be, wuhlscin nnd machte sein Blut sieden. Im Wahnsinn deS Hasses und der Verzweiflung riß er dem vor Schreck er starrten Grafen den Revolver aus der Hand und richtete gegen ihn die Waffe. Zwei Schüsse krachten! Schmer und dumpf siel der Gras zu rück. NoH einmal raffte er sich vom Boden empor, mit weit aufgerissenen Augen uns wildem Blick. .Mörder, Mörder!' tönte es von fei nen blutigen Lippen. Dann brach er in seinem Blut zusam men. Stumm, regungslos stand der Alte vor seinem Opser. Der Sturm der Leidenschaft hatte in ihm ausgetobt. Die Folgen seiner That standen ihm klar vor Augen. Er hatte sein Leben verwirkt, sich vor Schande zu retten. gab es noch ein Mittel! In dem Reoolvcr stickten noch dre, Schüsse. Em erneuter Knall und der alte Mann lag entseelt neben dem jungen. Um die Mauern deS Schlosses weh klagte der Wind und der Neujahrsmor gen dämmerte über seinen Zinnen. DaS alte Jahr war hinabgesunken in die unendliche Tiefe der Vergangenheit Ein Tropfen mehr in dem Ocean der Ewigkeit, in die Erdeniahrtausende hin einrauschen wie ein Strom und auf ihren Wogen die Tobiei hinübertragen tn das unbekannte Land, die todten Völker, die nervenden Generationen, die welken Blüthen urd fallenden Blät er von Baum des L benS, die da frühe blühen uns Abend abfallen und vndorren. Der furchtbare Tumil'. den die'e Eckigniß auf Schloß Lubbock h,rvorge rufen, hatte sich gelegt. Die alle Gräsin war erkrankt und unter ärztlicher Pflege. Aerzte und GerichtS-Perfonen hmfchien im schloß. In stummer, thränenloser Betäubung saß Alfa bei der Leiche ihres VaterS, wie eS schien, von Allen veraeffen und ge mieden, ja fast verabscheut, als die Ursache deS entsetzlichen Unheils. So traf sie Doktor Revnold. Er nahm ihre kalte Hand und sagte ruhig und mild: .Kommen Sie, ich brmge si zu- rLck nach Hohenlanden. Alfa deutete aus den toben Vater. .Ich kann noch nicht fort.' .Man wird ihn nach Hohenlanden bringen, sobald da Geni,t es gestct!et. Kommen Sie. Als lies sich in ihren Mantel hallen. In der Dämmerung deS Neujahrs morgens hielt ein Wagen vor dem Schloßportal. Doktor Revnold hob Alfa hinein und folgte ihr. Er hüllte sie sorglich in warme Decken; wie in willtnloseS, müdes Kind ließ st sich von ihm betten. Eine Weile herrschte im Wagen während der Fahrt auf der Land strafze tiefes Schweigen. Ueber dem flachen Lande hingen leichte Nebelschleier Plötzlich ging in eisiger Luflhauch über die dünne Schneedecke der Ackeiflä chen, die Schwarzpappeln am Wege ruf selten und klapperten wie im Frostschauei und die Dämmerung glich einem todten, grauen Licht, in dem alle Gegenstände farblos und gespenstisch aussaben. Doch allmählich verschoben sich die Nebelwand, im Osten, ein goldener Streif zeigte sich wie eire Spalte, durch die bald ein rost ger Lichtftrom flulhete. Alles gewann Farbe, Leben, Bewegung; die Sonne ging auf in strahlender Pracht. .Die NzujahrSfonnel' sagte Doktw Revnold leise zu seiner Begleiterin, deren Hand sich beim Sonnenaufgang mit bei seinen vereinigt hatte. .ES ist dieselbe sonne, vor der Jahrtausende vorüberge gangen sind, wie ein Strom, vor der der Mensch ist wie ein Gras. Wenn der Wnd darüber geht, ist e nimmer da, und fe'ne SU te kennet es n chi mehr.' Hand in Hand fuhren sie der aufgehen den Sonne entgegen. Sie wußten, daß jenseits von Tod und Grad auch ihnen eine Sonne aufgehen würde; die Mor gensonne des Glücks, auf das sie opfer muthig verzichtet hatten. Sie mußten, daß sie stets zu einander gehört hatten und daß sie nichts mehr liennen konnte. Die Wasser der Trübsal und Noth waren ihnen bis an die Seele gegangen, jetzt sahen sie im Glanz der NeujahrS sonne von fern den Userftreifen eines blühenden, sonnigen Landes schimmern, deS Landes ihrer Hoffnung. Stellen Sie mir Ihre Krau vor! Der im Jahre 1846 serftorbene schwe dische General Graf 23. erzählte aus seinem Militärleben gerne folgendes Er lebniß. Im Jahre 1307 stand er als Lieutenant i einem Regiment in Go- thenburg, dessen Oberst ein stolzer, un freundlicher Mann uar und sein größte Vergnügen darin suchte, die jüngeren Osfiiielk zu plagen. Namentlich aus den jungen Grafen schien er e abge sehen zu haben, täglich gab e Verweise, und wo er ihn in Arrest schicken konnte, da versäumte r dik Gelkgcnhkit gewiß nicht. .Anfang ertrug ich,' so erzählte Graf B,. mit Gleichmukh die Launen meine Obersten, nach und nach erfüllte sich aber mein Herz mit Haß gegen ihn. und ich gelobte mir einr Tage?, al ich wikder einmal im Arreste faß, daß ich mich an meinem Peiniger rächen wollte. verheirathile sich der Obost, der Wiltwer war. zum weiten Male mit ver r.it ne ?e. 'g- einer Baroresse v. L. Die Olfhi versammelten sich und machten der G mahlin ihre ChesS ihre Aufwartung er Oberst stellte alle Offizier seiner Gemahlin vor, als ober an mich die Reihe kam, um vorgestellt zu werden, machte er uns seine AdschiedSverbeugung, und wir waren entlassen. Diese Beleidigung brachte mein Blut dermaßen in Wallung, daß ich. zu Hause angekommen, meine Pistole lud, mit dem festen Vorsatz, den Oberstin niederzuschießen. Von der Ausführung dieses Vorsetze kam ich, etwa ruhiger geworden, selbstverständlich wieder ab und eS fiel mir ein bessere Mittel ein. Ich ging nämlich noch denselben Abend nochmal in das Haus des Obersten, ließ mich bei ihm anmelden, und al er mich auf seine gewohnte barsche Manier fragte, wa ich wolle, antwortete ich: .Herr Oberst, ich bitte Sie, mich Ihrer grau Gemahlin vorzustellen. .Das werde ich bleiben lassen!' ant- wartete er. Ich empfahl mich mit einer tiefen Ver, beugung und schickte einen Freund in die Wohnung meine Kommandeurs, der ihn auf Säbel fordern mußte. Der Oberst nahm tie Forderung an, wir schlugen un am folgenden Tage, und ich versetzte meinem Todfeind einen tüchtigen Hieb über tie Schulter. Nach einigen Wochen war die Wurde geheilt, des König GeburlStog wurde geseiert, bei dem Piäsidenten war großer Ball, zu dem alle Ofsiziece geladen wc.- ren. Ich trat etwas später ein, als meine Kameraden, und fand den Oberst am Spieltische im Nebenzimmer. Höflich näherte ich mich ihm und bat: .Herr Oberst, darf ich bitten, mich Ihrer grau Gemahlin vorzustellen?' .Nein!' antwortete er zornig. Am folgenden Tage traf ich mit dem Oberst an derselben Stelle zusammen, wo wir da erste Duell auögesochten hatten, und wiederum erhielt mein Kom mandeur eine tüchtige Wunde am Ar. ES dauert diesmal mit der Wiederher ftellung dS Obersten länger als da erste Mal; kaum war er jedoch genesen, als ich auf einem Pferderennen die Frau Oberst erblickte. Ich suchte und fand ihren Gemahl, und er erblaßte, als er mich kommen sah; ich sprach aber wieder rnit der liebenswürdigsten Höflichkeit: .Vars ich Stk, Hkrr Oberst bitten, mich Ihrer Frau Gemahlin vorzustellen?' .Neinl' antwortete der Oberst. Am folgenden Tagt begegneten wir uns auf dem bewußten Platze, und wieder besiegte ich meinen Gegner, indtm ich ihm klnk Quart über' Gtsicht gab. Noch ehe der Oberst geheilt war. wurde ich zu einem Regiment an der in icH 'N. ach norwegischen Grenze versetzt, und kam meinem Gegner au den Augen Im Jahre 1813 marschirten wir nach eulschlanv, unv erst tn der Schlacht bei Leipzig sollte ich ihn, der inzwischen General geworden war, wiedersehen. Wir rückten im Sturmschritt gegen eine fetnd ih Batteri, da sah ich ihn vor seinem Regiment herreiten; ich eilte ihm zur Seite, und tm furchtbaren Kar, köeschenseuer erstiegen wir zuerst die Batterie. In einem und demselben Augenblick pflanzten wir die Fahnen unserer Regimenter auf. unsere tapferen Leu e folgten uns und eroberten die Gr- Ichütze. Da blickt mich der General m:t eimm freundlichen Läch-ln an, bietet mir die Hand und sagt: .Run will ich Sie meiner Frau vorstellen!' C. T. Auch ine Art Bolltjuftt,. In der Gegend von Göppingen hat sich eine komische, aber recht nachahmunciS werthe Volksfttte noch bis auf den heuti gen Tag erhalten. Wird nämlich in einem Dorfe kund, daß eine Ehefrau von iyrem Manne thatlich mchbandelt vor- den, so geht alsbald das Gerücht herum: Heute Abend wird d:m M.... ge knälll l' Gegen elf Uhr Nachts vernimmt man einzelnes Peitschengeknall, bis das Knallen zu einer Stärke anwächst, wie bei einem militärischen Schnellfeuer. Dann herrscht eme lautlose Stille; eine Stimme uhmt das Jmmern der miß handelten Frau, eine andere das Rumo ren des zornigen Ehemann, S nach. Wagt aber dieser sich in den tobenden Haufen, so wird er mit Peitschenhieben regelrecht durchgebläut. K.nder Begräbnisse in Brasilien. Fast ganz entgegengesetzt den Gebräu ch:n in den meisten kultivirlen Länder sind die Leichenbegängnisse der Kinder im nördlichen Brasilien. DaS Seltsame ist nämlich dabei, daß diese daselbst wie Freudenfest betrachtet werden und wahren Triumphzügen gleichen. Weiß, ich geschmückte Pferde, mit weißen Feder, du, chen aus ten Kopsen, ziehen einen offenen Wagen, worin in rinem kostbaren Gewände, doch ohne Kopfbedeckung, der Priester sitzt und auf seinem choo. aus einer kleinen offenen Bahre, die mit Län dern und Rosen gezierten irdischen Rest des verstorbenen KindcS hält. Auch die KerzenlrSger sind in weiße, mit Gels, treffen verzierte Gewänder gekleidet. '