Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 11, 1894, Image 9

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    Durch die j?oft.
Sine launige ?ri!ng o 9. ?lnlchhaun.
.Rein Brief für mich da? Postlagernd
Vhlffre S. U. Nr. 15?"
Schon oft hakte der am Schalter
dienftlhuende Postafsiftent Fritz Staub,
er die Frage von den rothen Lippen de
vor ihm stehenden junge MZdchen je
Hirt. Doch wie immer, f auch heute.
Neiu, bebau sehr, mein Fräulein!"
Enttäuscht wandte sich die junge Dame
zum Gehen. Doch war' Täuschung,
oder war' Wirklichkeit, ei schien al ob
die Blicke der jungen Leute auf Sekunden
in einander hafteten.
.die!'
Empfehle mich!'
Da find eigentlich Complimenle, zu
denen man für gewöhnlich im Pofldienste
keine Zeit hat!
Doch nun zunlchst Ort und Personen
der Handlung.
Ort: eine mitteldeutsche Badestadt mit
regem Postverkthr und einem entsprechen
den Gebäude dafür.
Personen: Fräulein Zllma Uebrecht,
deren Valer, Major . D. Philipp Ueb
recht, Fritz Staudner. Postafsiftent mit
der Hoffnung auf Steigerung in seiner
Lebensstellung.
Fräulein Alma ist eine mittelgroße
Blondine mit allerliebstem StumpfnSs
chen und Grübchen in den Wangen, die
schon auf manches JünglingSher, einen
tiefgehenden Eindruck gemacht hat. Sie
füh,t im Verein mit einer AufvSrterin
irem Vater den Haushalt. Herr lieb
recht, wie gesagt, Major a. D. und
Wtltwer, hatte sich in der lebhaften Bade
stadt, die ihm manche zusagende Gesell
schaft bot, niedergelassen und eine Etage
der Villa, die der Post gerade gegenüber
lag, gemiethet. Im Sommer machle er
es, wie viele Miether de Städtchens, er
ließ ab und zu einem besonders ihm sym
palhischen Kurgaste ein oder zwei
Zimmer seiner Etage ab. Da gab zu
der Pension immer einen nicht zu verach
tenden Zuschuß. Wie gesagt, da ge
(iah (a Dielfad).
Tan Nogaliiitenten ssrib Staudner
haben wir eigentlich zur Genüge kennen
gelernt. Doch darf nicht verschwiegen
werden, daß er ein schlank gewachsener
Jüngling war, dem da Bärtchen auf
der Oberlippe gut stand, der auf sein
AeukereS etwa aab und treu und gemis.
senhaft im Dienste, für seine Carriere
nicht besorgt zu sein brauchte.
ES war im Nachsommer, als Fräulein
Alma nun schon zum öfteren Male nach
dem betreffenden postlagernd! Briefe
fragte. Der Dienst war zu Ende und
ffriv Staudner sag m femem vtubchen,
Er hatte eine Lange" zwischen die
schneeweißen Zähne geschoben und stmu
lirte.
Was war das für ein Brief, nach dem
die schöne Alma immer fragte?! Zum
ersten, zweiten und dritten Male hatte
Fritz ein kimcs View als Antwort ge
habt. Nach und nach war für die schöne
Madchenaestalt das Interesse wach ge
worden. Und jetzt, nach einigen Wochen?
Sr konnte fich's nicht verhehlen, er
war verliebt. Mächtige Dampfaolken
stiegen zur Decke seines Zimmers. Ber
liebt, wahrhaftig, verliebt!
Wenn aber Einer verliebt ist und daS
Ideal feiner Seele fragt allwöchentlich
nach einem poftlagernden Briefe, so ist
das gewen rein paß. Ha er Brief!
Fritz Staudner griff an seine Stirn. Er
sann nach. Die Fragen nach dem Briefe,
fit waren gekommen, nachdem der letzte
und einzige Gast des Herrn Major a.
D. für diesen ommer abgereift war,
Ja, so war's. Aber das war doch ein
Herr in gesetztem Alter gewesen, wie sie
der Major sich immer aussuchte. Hätte
er doch einmal auf die Hand deS Herrn
gesehen, ob sie jenen kleinen Goldreif
trug. BaS hatte er nicht gethan, das
war unaorsichkig giwesen, aöer wer hätte
auch gedacht, daß er er Fritz Staub
ner gewiß, ganz gewiß, er war er
liebt, ein anderes Geluhl war e nicht,
- das in ihm gährte und kochte. War's
aber nicht schon öfter vorgekommen, daß
ein junges Mädchen einem älteren Manne
feine Neigung schenkte? Sollte denn aber
der Mensch so schlecht, so treulos sein,
daS liebliche Kind angeführt, ihm Be
fprechungen gemacht haben, die er fo bald
nach der Abreise vergessen Fritz Staus
nerS Hände ballten sich, hätte er ihn hier
gehabt, den Wicht, er wurde thu zer
schmettert haben. Aber wäre eS denn
nicht gut für ihn, wenn der Rivale von
f:!bft auS der Kampflinie weiche, war
ihm dann nicht das Feld frei und offene
El, und nach der ersten Tauschung wen
.dct sich ein verachtetes Heiz leicht einem
andern zu. Wo hatte er doch das ge
lesen?
Mit großen Schritten durchmag der
Erregte sein tuochen.
Ich wag'S!" rief er plötzlich, .ich
wag's 1
Dann setzte er sich nieder, zu schreiben.
Mehrmals zerriß er das weiße Blatt,
endlich schien er zufrieden. DaS zusam
mengefaltete Schreiben wurde in einen
Umschlag gethan und als Aufschrift dar,
auf gesetzt: .A. Ue. postlagernd Nr. 15
in 23."
E ist Sonnabend der nächsten Woche,
so lange hat Fräulein Alma unterlassen,
nach einem poftlagernden Briefe zu fra
gen. Heute trippelt sie wieder die Frei'
treppe vor der Post hinauf und drinnen
ertönt die bekannte Frage: .Kein Brief
für mich da? Postlagernd" doch sie
flockt mitten in der Frage, sie hat empor
geschaut, der Herr vor ihr hat nicht das
bekannte Gesicht, das sie oft hier gesehen.
Der neue Postbeamte schaut fragend
uS dem kleinen Fensterchen heraus,
sei-
Jahrgang 14.
dessen Griff er mit der rechten Hand noch
festhält.
.Postlagernd, tzhNre,'
.Postlagernd. Chiffre A. Ut. Nr. 15."
.Hier!" und der Beamte reicht den
sehnlich erwarteten Brief herau.
Hastig ist derselbe ergriffen und in dem
eleganten Täschchen verschwunden. Doch
merkwürdig, in daS Gefühl der Freude
über da endliche Eintreffen de Briefe
mischt sich leise ein andere, da leiser
Unzufriedenheit, worüber? Mechanisch
ist zu Hause da Couvert aufgeschnitten,
ein seiner weißer Bogen fällt auf den
Tisch und Fräulein Alma beginnt zu
lesen. Doch was ist da? DaS Papier
zittert in den kleinen Händen und jetzt
lassen dieselben den Bogen gar fallen,
und ein leiser Schrei tönt durch da
Gemach. Hohe Nöthe ergießt sich über
Nacken und Wangen der Leserin, die jetzt
den Brief wiederum aufgreift und noch
einmal lieft:
Hochverehrtes Fräulein!
Sie haben gewiß einem Unwürdigen
Ihre Neigung geschenkt. ES schmerzt
mich, wie ich so lange habe sehen müssen,
daß Sie vergeblich warten und hoffen.
Vergessen Sie den Treulosen, eS schlägt
sür Sie hier ein treue Herz. Ein klei
neS Zeichen Ihrer Zuneigung würde
glücklich machen
Ihren ewig treuen
Fritz Staudner.
DaS war da Opus, das unser
Freund Postassistent mit Mühe verfaßt,
er war ein Neuling in Liebesbriefen.
Und dies Opus wanderte in ein Käst,
chen hinter festes Schloß und festen Nie-
gel
Fritz Staudner war auf Reisen. Er
wollte noch vor Weihnachten seine Mut
ter in der -ReichShauptftadt besuchen.
Wenn erst daS Fest nahte, war wegen der
Arbeit an Urlaub nicht zu denken. Er
hatte einen Zug verspätet und war ge,
zmungen, in einer Provlnzialstadt zu
übernachten. In seinem Hotel saß er
soeben beim Abendtisch, als sich auf dem
gegenüber leer gebliebenen Sitze noch ein
Herr niederließ. Staudner blickte auf,
hätte aber in dem Augenblick fast die
Gabel aus der Hand fallen lassen; denn
ihm gegenüber faß derselbe Herr, der im
verflossenen Sommer bei Herr Major
Uebrecht als Aftermiether gewohnt. Ein
eigenes Gefühl durchströmte den jungen
Mann; war eS Haß, war es Freude, er
wußte eS selbst nicht. Doch einen raschen
Blick warf er auf die Hand da drüben,
die eben zum Löffel griff. Wahrhaftig,
da glänzte daS goldene Reiflein und leise
Beruhigung zog durch das Gemüth des
Erregten. Muß denn jeder Brief, den
ein junges Mädchen erwartet, ein Liebe,
brief sein?
.Wir scheinen uns nicht ganz unbe,
kannt zu sein begann der Fremde, in
dem er den leeren Teller zurückschob.
Am Tische eines Hotels knüpft sich leicht
ein Gespräch an.
.Sie haben recht; wenn ich nicht sehr
irre, waren fett im sommer zur ur in
W., dort haben Wie mich oft gesehen,
wenn Sie Briefe zur Post brachten
Pota stflent Fritz istauduer " und
Fritz verbeugte sich leicht.
.Wahrhaftig, so ist eS, doch erlauben
Sie Daniel Fix, Weinreisender für
Collman & Co. in Hamburg.
.Sehr angenehm!"
.Apropos," fuhr der Weinreisende
fort, .Wie geht's meinem werthen
HauSmirth und seiner hübschen Tochter
Alma?"
.Danke, gat!"' war die etwas ge
preßte Antwort.
Donner" sagt plötzlich Herr Daniel
Fix und griff an seinen Kopf " .wie man
doch so vergeßlich sein kann, habe ich
dem Fräulein ein Versprechen gegeben
und "
Fräulein Alma hat zum öfteren nach
einem poftlagernden Briefe gefragt,
sollte "
.Freilich, freilich, der hängt mit met
nem Versprechen zusammen. Donner
ja. daS ist mir nicht lieb. Wissen Sie.
der alte Major ist ein leidenschaftlicher
Münzensammler, er hat prächtige Erem
xlare in seiner Sammlung. Gelegent,
ltch kam zwischen mir und Fräulein
Alma die Rede hierauf und ich erwähnte,
daß ich bei einem Händler der Reichs?
Hauptstadt einen .Kaiser Nero" in Gold
gesehen. Der Händler ist ein Bekannter
von mir, müssen Lsie wissen. Nicht
jedem, aber mir hätte er das Prachtstück
abgelassen. DaS nun sollte für den
alten Herrn ein Geburtstagsgeschenk aus
der Hand der lieblichen Tochter werden,
und ich sollte Nachricht geben, aber damit
der alte Herr nichts merkte, in einem
poftlagernden Briefe; wahrlich eS ist
mir unangenehm, undankbar zu erschein
nen, aber die Geschäfte " '
Verzeihen ste, verehrter Herr, wäre
das Prachtstück noch zu haben?"
Das fragte Fritz Etaudner, der ln
einer Stimmung war, in der er sein
Gegenüber an die Brust hätte ziehen
mögen.
.Ob eS noch zu haben t u Warum
niük? Woll'n sehen!"
Noch eine Weile saßen die beiden Her,
ren bei einer Flasche Rotheg der Firma
Collrann und Co. aus Hamburg und
SoiBifüj$ji(ii
Beilage zum Nebraska taats-Anzelger.
Fritz Staudner hatte dem gemüthlichen
Herrn fein Herz ausgeschüttet, alle seine
Befürchtungen und Muthmaßungen ihm
erzählt. Herr Fir lachte herzlich.
,Na, der Kaiser Nero kann Ihnen
vielleicht zum Glück verhelfen, junger
Mann. Wie ich höre, reisen Sie ja
nach Berlin und ich werde Ihnen einen
Brief an den betreffenden Händler mit
geben."
Mit herzlichem HZndedrucke schieden
die beiden.
.Aber die erste Verlobungsanzeige"
.Bekommen Sie, Hen Fn."
Fritz Staudner war von seiner Reise
zurück. Wieder saß kr, wie sonst am
Schalter, klebte Marken, wog Briefe,
zählte Gelder. Aber die Tage vergin,
gen und daS Antlitz, nach dem er sich
sehnte, erschien nicht wieder am kleinen
Fensterchen. Der erwartete Brief war
ja angekommm ! Na manchmal überlief
eS unsern Freund doch mit Grausen,
wenn er an den Brief dachte. Wie war
er wohl aufgenommen? Von drüben
kein Zeichen, nichts I Hatte er beletdtqtV
Fand seine Neigung nicht Widerhall da
drüben? Sein Kaiser Nero brannte ihm
dann in der Tasche wie Feuer. Wie
sollte er das Stück an seinen Mann
bringen i
Auf das Schlackenmetter de Vorwiir
ter war Schnee mit Ei gefolgt. Die
Kleinen suchten voll Freude die Schlitten,
bahn. Die Großen untersuchten die
'schnallen der chlittschuhn.
Und so zieht dann an einem Sonntag
Nachmittag Fritz Staudner auf der dlan
keu Eisfläche seine eleganten reise. Da
Wer stößt dort vom Ufer ab und schwebt
in zierlichem Bogen dahin? Fritz reibt
sich die Augen, wahrhaftig, Fräulein
Alma. Da heißt e handeln, die Ge
lkgenhcit bietet sich so leicht nicht wieder.
und mit energischem Schwünge sauft der
Verliebte dah'n! Wag ist das? WeiHt
ihm das Ziel seiner Sehnsucht aus? fcs
scheint so. Fräulein Alma sieht ihren
Anbeter nahen, eine scharfe Wendung auf
den Hacken und o und ach, sie prallt mit
dem dicken Provisor auS der Apotheke am
Markt zusammen. Der Provisor ist oer
lobt, seine Braut, die von der edlen
Kunst deS Schlittschuhlaufens nicht er
sieht, sitzt am Ufer; deshalb ist der Dicke
sroh, daß er dem herbeisausenden Post
assistenten mit einigen Worten der Ent,
schuldigung die sorge für das hingesu!
kene Fräulein Alma überlassen kann.
.Mein Fuß", stöhnte Fräulein Alma
.Sie haben sich weh gethan."
Sie nickte.
.Darf ich Sie nach Hause geleiten?'
Ich bitte!" Es war eben kein anderer
alh.
Bald waren die Schlittschuhe abae
schnallt und das Paar wandelte langsam
der Stadt zu. Mit dem Fuße ging eS
seden schritt de er. Vchweiqen beider
seilS. Die Gelegenheit war eigentlich
nicht passend, man soll nicht die Noth des
Anderen zu seinem Nutzen ausbeuten.
Doch mann traf sich vielleicht eine bessere
Gettgenyetlk
.Zürnen Sie mir?" frug Fritz leise.
.WesyatdV
.Nun wegen deS des
Briefes .
,O o doch nicht
der ein Miß Verständniß .
Der Abend war herniedergekommen
und die Lichter der tadt schimmerten
Wäre doch der Weg weiter!
.Ein Mißoerständniß?
.Ach, bitte, lassen wir .
Man war in der Nähe der Post und
der Wohnung des MaiorS.
.Noch einen Augenblick, Fräulein
Alma, ich habe da einen Kaiser Nero, Ihr
.perr arcr, rcy weiß, oursie lcy -.Einen
Kaiser Nero? Woher wissen
sie i
Und da galt es zu erzählen mit flie
genden Worten. Man stand vor der
Hausthür.
.Darf ich Ihnen vielleicht den Kaiser
Nero Y
.Nein, nein," wehrte Fräulein Alma,
.führen Sie sich mit dem oerhängniß
vollen Geldstück beim Vater ein.
Sie huschte tn's Haus.
.Ein prächtiger Mann, auf Ebre. ein
prächtig Mensch I "
too sagte am andern Moraen der Derr
Major a. D. zu seiner Tochter. Eben
war Fritz Staudner auS dem Hause ge
treten. Er hatte sich nach dem Befinden
des Fräulein erkundigt, die Miin.famm:
lang deS alten Herr eingehend betrach.
ter und der aijer vitxo war ein Haupt,
ftück derselben geworden.
.Wahrha tia ein prächtiger Menscb.
Freilich vom Münzwesen versteht er
wenig, muß ihn in der Beuebuna nocd in
die Schule nehmen. Aber mir das Stück
zu senken, durste es wohl nicht anneh
men, mußte partout, eigenthümlicher
Mensch, würde vielleicht ein Aequivalent
verlangen mit der Zeit, wag er wobl
meint?"
Fräulein Alma erröthete und ging
hinaus.
Fritz Staudner war ein gern gesehener
Gast geworden im Hause deS Major.
Da er der Münzsammlung de alten
Herrn große Interesse entgegenvraqie,
mehrte sich da Interesse de Sammler
an dem Schüler. Ja wenn der alte Herr
manchmal gesehen hätte, wie die Augen
de Poftmanne oft über ein seltene
Stück der Sammlung, da eben einer ge
naueren Betrachtung unterworfen wurde,
hinüber zum Fenster schweiste, n dem
Fräulein Alma stickend saß und den
Blick, so oft e eben zugänglich war, er
widerte.
Dann wurde Fritz Staudner befördert
und seine Versetzung stand bevor. Dem
alten Herrn ging die Trennung nahe.
Doch wer gar nicht an Trennung
dachte, waren die jungen Leute. Und so
stand denn eine schönen Morgen Herr
Staudner vor dem Herrn Major und bat
in aller Form um die Hand der Tochter,
.Sind Sie einig mit einander ?"
Schon lange l"
.Hm, also das ist das Aequivalent für
den Kaiser Nero? Wahrhaftig, nicht
chlecht spekulirt. Hm, hätte ich das ge
dacht ? Doch ich habe Sie schätzen ge,
lernt. lunger Mann, ich geoe Euch mci
nen Segen, Kinder, machen Sie mein
Kind glücklich. Fritz I'
.DaS werde ich thun!" war die treu,
herUge Antwort und die Hände der bei
den Männer einigten sich im kräftigen
Handschlag.
Und dann kam Alma mit einer Flasche
Rothen vom Hause Collmann & Co. in
Hamburg.
Zum Schluß tritt noch eine vierte Per,
son m die Handlung: die Mutter taud
ners. Sie ist herbeigeeilt, da Glück
ihrer Kinder zu sehen. Bit schmieger,
tochter gefällt ihr ausnehmend.
.Wie seid Ihr nur so rasch bekannt
und einig geworden, Kinder, als Fritz
mich letzthin besuchte, hat er noch gar
nichts gesagt, er war freilich so zer
streut "
.Wie sie bekannt geworden sind?"
knurrte der alte Major, .durch meine
Münzsammlung ist's gekommen !'
Fchlae choflenl sehige choneni' ne,
fen die jungen Leute wie auS einem
Munde, .nicht durch Deine Munziamm
lunz, Vater, durch die Post, durch die
Post !"
vlut für Blut.
Von Wilhelm Stein? reis.
.Ich frage Dich zum letzten Male,
willst Du meine Frau werden?" Es war
ein junger Bursche, der so sprach, wohl
kaum 18 Jahre alt und doch zeigte der
ent chlos ene Ausdruck seines Gesichts,
daß er die Frage sehr ernst nahm. Die
Angeredete war ein hübsches Mädchen,
kaum der Schule entwachsen.
.Du weißt doch, daß meine Mutter
dies nicht zugebe würde, selbst wenn
ich es wollte," entgegncte sie sehr be.
stimmt.
.Dann verlassen wir die Stadt heim
lich." .Niemals I Diesen Schmerz mag ich
meinen Verwandten nicht zufügen; übn,
genS bin ich noch nicht alt genug, um zu
heirathen."
.Du willst also nicht?"
.Nein!"
.Dann trage die Folgen Deiner Wei
gerung!"
Bei diesen Worten zog der erzürnte
Liebhaber einen Revolver und feuerte
einen Schuß in das Gesicht deS jungen
Mädchens. Die Kugel fuhr durch ihren
Kopf und sie siel todt zur Erde, ohne
einen Laut von sich zu geben.
Wie von einem bösen Traum er,
wachend blickte der Mörder auf sein
Opfer nieder, stieß einen witden Schrei
aus und wandte sich zur Flucht. Da die
That jedoch an Hellem Tage und auf
offener Straße geschehen war, so konnte
er kaum hoffen, zu entkommen ; der
Schuß hatte die Aufmerksamkeit der
Passanten erregt, die sich auch sogleich an
die Verfolgung d:S Flüchtlings machten
und denselben nach kurzer Zeit ergriffen;
er wurde nach dem Orte des Mordes zu,
rückgcbracht, wo er zitternd gestand, die
That verübt zu haben. Die wzwischen
herbeigeeilten Polizeibeamtcn bemächtig?
ten sich deS Mörders und brachten ihn
zur Station, gefolgt von einer großen
Menschenmenge, welche nicht übel Luft zu
haben schien, Lynchjustiz zu üben.
Unter Denjenigen, welche bet dem er
mordeten Mädchen zurückgeblieben waren,
befanden sich Mehrere, welche sie als die
Tochter der nahebei wohnenden armen
Wittwe Schulz erkannten und sich berett
erklärten, die Leiche dorthin zu tragen.
Die unglückliche Mutter siel bet dem An
blick ihres todten Kindes in Ohnmacht,
wahrend die jüngere Schwifter der Ver
ftorbenen sich auf den blutbefleckten Kör
per stürzte, denselben umklammerte und
laut zu meinen begann ; der hinzuae.
rufene Arzt brachte die ohnmächtige Frau
wieder zur Besinnung, während er in
Bezug aus das junge Mädchen nur kon
ftaliren konnte, daß dasselbe wirklich todt
M- . .. . . .
Der vor den Richter gebrachte Mörder
gab feinen Namen als Hugo Reimann
an und gestand, daß er da Mädchen,
No. 34.
welche feine Nachbarin war und die er
seit 9 Jahre kannte, erschossen habe,
weil sie nicht mit ihm entfliehen und seine
Frau erde wollte. Die Polizei-Aklen
selbst ergaben, daß er schon mehrere
Male wegen Herumstreifen und Ge
waltthätigkeiten bestraft war. Nachdem
da Protokoll geschlossen, wurde der Tag
der öffentlichen Anklage festgesetzt und
der Gefangene i einer Zelle un!erge
bracht.
Die Zuschauerräume des Gerichts
Saal waren am Terminstage bis zum
letzten Platze mit Neugierigen gefüllt,
welche da Erscheinen de Angeklagten
mit Zischen begrüßten. Die Zeugen
bänke wurden von der Wittwe Schulz
mit ihrer zwölf Jahre alten Tochter
Marie, den Eltern von Hugo Reimann,
sowie einigen Augenzeugen des MordeS
eingenommen. Nachdem der Staats,
anwalt seine lange Anklageschrist vor
getragen und namentlich den schlechten
Charakter deS Mörders und die Bruta
lität seiner unerhörten That hervorge
hoben hatte, beantragte er die TodeS
strafe für den Angeklagten, welcher Aus
spruch durch ein Beifallsgeschrei deS an,
wesenden Publikums unterstützt wurde.
Hierauf ergriff der Anmalt deS jungen
Menschen daS Wort und suchte zu be?
weisen, daß sein Client an periodischem
Irrsinn leide, verursacht durch eine frü
here Krankheit, und daß er in einem
solchen Anfallt die That begangen habe.
Die Zeugenaussagen unterstützten diese
Theorie jedoch nicht und nach kurzer
Verhandlung wurden die Geschworenen
ersucht, sich zur Berathung zurückzuziehen.
Dieselben schienen Alle mit dem Urtheils,
fpruche des StaatSanwaltS übereinzu
stimmen und stießen nur auf den Wider
stand eine alten ehrwürdigen Kollegen,
welcher sich erhob und folgende Ansprache
hielt: .Meine Herren, ich muß erklä
ren, daß ich ein entschiedener Gegner der
Todesstrafe bin, denn dieselbe hat alle
möglichen Nachtheile für sich und bietet
nicht den geringsten Nutzen; auch halteich
keine mmschliche Gemalt für befugt, ein
menschliche , Leben zu zerstören. Die
kaltblütig berechnete und vollstreckte
Todesstrafe wirkt übrigens verheerend
auf baZ Gemüth deS Volkes, ohne einen
anderweitigen Vortheil zu erzielen, denn
daS Geschehene wird dadurch nicht un
geschehen gemacht. Auch hat die Ersah
rung gelehrt, daß der Mensch durch die
Strafe für ein Verbrechen von dessen
VerÜbung nicht abgehalten wird, weil
er tn solche Augenblicke meisten nicht
att die Folgen denkt, sondern nur der
entfachten Leidenschaft folgt. Verbrechen
werden au Dummheit verübt und tön
nett nur durch richtige Erziehung und
Bildung verhütet werden. Da es nun
aber auch selbst einem sittlich verkomme
nen Menschen mit der Zeit noch möglich
in, bessere moralische Anstchten zu ge,
winnen, sein begangenes Verbrechen zu
erkennen, bereuen und durch ein ferneres
tadelloses Leben wieder gut zu machen,
so ist eS unnatürlich, dem Menschen
diese Möglichkeit einer moralischen
Wiedergeburt und daraus folgender
wirklichen ühne zu nehmen. Auch
würde durch die Vollstreckung einer To
besstrase nicht allein der Schuldige,
sondern auch der Unschuldige getroffen,
da die Verwandten und Freunde des
Hingerichteten ebenso hart gestraft wer
den, als er selbst. Bit träfe ist grau
sam und der heutigen Civilisation wi
versprechend, der fortwährende Gedanke
eines zum Tode Berurtyeitten an
sein sicher bevorstehendes Ende läßt
ihn denselben tausendfach fühlen und er,
leben, er ist während der Zeit bis zu
seiner Hinrichtung einer fortwährenden
Tortur unterworfen, welche viele zum
Wahnsinn treibt. Ich bitte Sie deö,
halb, Ihre Ansichten zu ändern und dem
jungen Verbrecher Gelegenheit zu geben,
sich zu bessern und so zum Bewußtfein
seiner grausamen That kommen zu la en
Ich schlage deshalb für den Angeklagten
eine zehniShrtqe uchlhausftrase vor und
hoffe, daß wir darin übereinstimmen
werden."
Die schlichten Worte deS Redners
hatten ihren Eindruck auf die übrigen
Geschworenen nicht verfehlt, und nach
einigem Neberlegen stimmten sie ihrem
Kollegen bet und begaben sich nach dem
GerichtSsaale zurück, wo ihr Vorsitzender
den Urtheilsspruch verkündete, welcher
auS Rücksicht auf die Jugend des Mör,
der auf zehn Jahre Zuchthaus lautete.
Im Zuschauerraum wurde dadurch lauter
Unwillen hervorgerufen, hatte man doch
bestimmt erwartet, da TodeSurtheil
ausgesprochen zu hören. Selbst der
Verurtheilte blickte sehr erstaunt und
fragend auf seine Richter, als wenn er
deren Milde nicht verstehen könne. Seine
Eltern jedoch vergossen Freudenlhränen
und näherten sich ihm, um Abschied zu
nehmen. Die Wittwe Schulz verließ
mit ihrer Tochter unwillig den Saal, die
Strafe schien ihr zu leicht.
Nachdem die Eltern den Verurtheilten
endlich verlassen hatten, wurde derselbe
aus dem Saale geführt, um seine Strase
anzutreten.
J'kn labre find seitdem verstrichen.
Die Ellern von Hugo Reimann waren
i dieser Zeit gestorben; die Wittwe
Schulz lebte uoch in demselben Hause
bet ihrer Tochter, welche einen Eise,
bahnbeamten geheirathet hatte und deren
Familienleben nur och hin und wieder
durch eine Erinnerung an die todte
Schwester getrübt wurde; sie hatte einen
liebevolle Mann und ihr kleine einjäh
rige Kind, ein Knabe, vervollständigt
ihr Glück.
Nach Ablauf der zehnjährige Zucht
hau strafe wurde Hugo Reiman fretge
setzt, begleitet von den besten Glückwün
schen de Doktor und der Wärter, die
den Gefangenen in den letzte Jahre
wegen seine stillen und zurückhaltenden
Wesen lieb gewonnen hatten. E schien
eine große Verwandlung i seinem In
ner vorgegangen zu sein, denn da Ge
sieht trug den Stempel tiefer Schwermuth
und sein Benehmen verrieth deutlich, daß
ein verzehrender Kummer sein Gewissen
bedrücke; er schien zur wirkliche Er
kenntniß seiner grauenhasten That ge
kommen zu sein und sein reuevolle Herz
verzweifelte bei dem Gedanken, daß er i
nie ungeschehen machen konnte.
Der erste Gang war nach dem Hause
seiner Eltern; er fand jedoch nur fremde
Gesichter und erfuhr, daß die Gesuchten
schon seit Jahren todt seien. Tief er
schütten verließ er die heimathliche
Stätte, verzweifelte Gedanken durch
kreuzten fein Gehirn, von Gewissensbissen
gepeinigt irrte er durch die Straßen bi
sich der Abend herabsenkte; unwillkürlich
hatte er sich dem Hause seiner früheren
Geliebten genähert, eine fremde Geaalt
schien ihn anzuziehen.
Er nahm sich vor, die Wittwe Schulz
aufzusuchen und ihre Vergebung zu er
bitten und so neuen Muth zum Leben zn
gewinnen, welches er mit aller Möglich
keit den Unglückliche und Bedrängten
widmen wollte. Nur in solchen Gedan
ken fand er Ruhe. Als er sich mit die.
fem Vorsätze dem bekaunten Haufe
näherte, wurde feine.Aufmerksamkeit mit
einem Male durch eine große Menschen
menge vor ihm und das Läuten der
Feuerglocken geweckt. Jetzt erblickte er
auch einen Feuerschein in der Gegend de
Schulz'schen Hause. Mit Gewalt,
wand er sich durch die Menschenmenge,
welche vor dem brennenden Hause standp
seine Vorahnung hatte ihn nicht getäuscht,
da Haus der Wittwe Schulz stand in
Flammen; die durch das Feuer über
raschten Bewohner kamen mit. verstörten
Mienen auf die Straße gestürzt und
unter ihnen als die Letzte auch die
Wittwe, welche ihre Tochter mit Gemalt
nach sich zog. Plötzlich riß sich die Letz,
tere los, blickte wild um sich und schrie
mit herzzerreißender Stimme: .Mein
Kind! rettet meiu Kind, eS verbrennt Int
Schlafzimmer!" Da Niemand den Muth
hatte, das brennende Haus zu betreten,
so wollte sich die schrecklich geängstigt
Mutter selbst in die Flammen stürzen,
als schnell tink ManneSgestalt, welche die
Worte der unglücklichen Mutter gehört
hatte, auS der Menschenmenge twit .
brach und in dem brennenden Gebäude
verschwand. Ein allgemeiner AuSruf
der Ueberrafchung erscholl von den Um
flehenden, die junge Frau sank ohnmäch
tig in die Arme ihrer Mutter. Eine er
martungSoolle Stille erfolgte, nur unter
brochen von dem Knistern und Fallen
des brennenden Gebälks. Viele gaben de
Fremden für verloren, doch nach einigen
Minuten erschien derselbe wieder in der
hellerleuchteten Hausthür, da Kind- in
seinen Armen. Laute Freudenschreie be
grüßten fein Erscheinen, in dem Augen
blicke jedoch, als er aus dem Haufe her
auöstürzte, wurde er von einem herunter
fallenden brennenden Holzstücke auf Kopf
und Schulter getroffen, er taumelte noch
mehrere Schritte mit dem Kinde vor
wärt und fank dann schwerfällig zu
Boden, halb aufgefangen von den Nabe
stehenden; daS Kind war unbeschädigt
und wurde von der glücklichen, inzwischen
wieder inS Leben zurückgerufenen Mutter
empfangen. Der kühne Retter schien
jedoch daS Bewußtsein verloren zu haben,
lheilnehmend näherten sich die Wittwe
und ihre Tochter und ergrissen die Hände
des Schwerverwundeten. Er schlug die
Augen auf und blickte unruhig umher,
die beiden Fronen schienen ihn nicht zu
erkennen, bis sie seine Stimme vernäh
men. .Frau Schulz," hauchte der Uu
glückliche, .ich fürchte, daß ich sterbe,
möchte aber nicht aus der Welt scheiden,
ohne Ihre Vergebung sür mein schweres
Verbrechen erhalten zu haben. Können
Sie mir vergeben?" Oh Hugo, bist Du
es I" rief die alte Frau erschüttert aus,
Du, welcher meine.... aber nein.
Nichts mehr davon, wir vergeben Dir
von Herzen, denn Du hast gesühnt.
Stirb in Frieden." .Habt Dank
jetzt fühle ich leichter.... Mir ist ver
geben. . . . Lebt wohl!" Ein tiefer Seuf
zer entrang sich seinen Lippen, er war
todt.
Die Vorauösaguvgen deS alten Ge
schworenen waren in Erfüllung gegan
gen, der Verbrecher hatte erkannt und
gesühnt.
v?ortsxielerei.
Ohne Moneten werden oft Minuten
zu Monaten.
verkhrte TX)tU.
Backfisch (aus der Stadt, bei einer
Gebirgstour): .Fabelhaft, jetzt jodeln
sie hier auf dem Lande auch schon wie im
Theater I"
Naiv.
Damk (zum Mädchen): .Hanni, ich
glaube, es läutet I'
Mädchen: Ja. das t kein Anderer.
als mein Franz, der schlechte, ungetreue
Menschl ES ist unter meiner
Würde, ihm zu sagen: daß er mir
nie mehr vor die Äugen kommt! . . Bitt'
chön, ans grau, gehen S i e hinaus
und sagen See ihm!"