V r Eine Vecemdernacht. ;on elicitaZ. Der Schneesturm tobt um da alte Schloß, da? die Wetterfahnen auf den Sntenilzürmen sich kreischend drehten, nd die Gelt ring umher lag wie au eflsrben im Dunkel de, unheimlichen Dkcemberadend. Drinnen im Schloff herrscht tiese, Schweigen, und dn Sturm konnt ungestört sein wilde Lied fingen, da, klagend, stöhnend, pfeifend durch die Kamine, über die Corrtdore und au, den dunklen Fensternischen klang. Unten im Parterre ,chi,q oyt einer von der Dienerschaft auf den Zehen durch di hohen Räume, der zwei stell, ten die kps zusammen und sprachen mit trüber Miene und im Flüsterton miteinander. Er macht' nicht lange mehr sagte der alte Kammerdiener Werner zu dem blonden Clau, .ich hab' gleich di hnong gehabt, al, Unka, den ersten tend so schrecklich heulte! E ist, al ob da lhier Menschenverstand hätte IV Er wie aus inen großen, schönen Neufundländer, der an seinem gewöhn, ten Play, vor de Barons Schreibtisch, la, und die glänzenden Augen beim lange seine Namen auf den Sprecher richtete. .Du lieber Gott sagte Clau, .wer hätt das gedacht! So jung noch und er war ein so guter $n! .Claus, mem Junge' die Stimme de, Alten bebte .ich habe ihn auf meine Armen getragen al kleine Kind, und mein Herz hat an ihm ge. hangen, mehr al ich sagen kann. War ein ganzer Mann, zehntausendmal besser all die meisten seinesgleichen. Ach, wenn da die selige BaroninMutter erlebt hätte I Er war ihr einzig Kind!' .ES wird 'ne grausige Nacht.' sagte Clau, ,h!r', wie da Wetter rast. Ich möchte nicht der Docior sein und bei solchem Sturm nach N. fahren. Nee, da ist ja zum Bangewerden.' .Vorboten! Vorboten!' murmelte Werner leise. .Ich muß wieder hinauf. Gehst Du zu Bett?' fügte er hinzu. Clau zog die kräftigen Schultern in die Höhe und schüttelte den Kopf, dann blickt er Werner nach, wie dieser sich zur Treppe wandte, die in den ersten Stock sührt. Im dicht verhangenen Krankenzimmer ruhte der Baron siebermatt auf seinem SchmrjnSlger. Wer heute Abend dem Arzt in da kluge, freundliche Ge ficht geblickt hätte, der würde darin ge lesen haben, daß wenig Hoffnung sei, da Leben dieses vor kurzem noch so jugendfrischen Manne zu erhalten. Baron Harald von WildbachSteinen nrnq vielleicht schon mit dem Tode. An seinem Lager sah eine Diakonissin, ine zart Gestalt mit vollem blonden Scheitel und schönen dunkelgrauen Augen. Der , Schmelz erster Jugend ar von diesem Antlitz abgestreift, und doch lag ein eiqener Liebreiz in den Zügen. War's ein seelischer Zug, der zuweilen in einem Menschengeflcht Zeug iß giebt von schwerem Kampf und end lichem Sieg? E war schon die dritte Nacht, daß Schwester Agne mit dem alten Werner di Wach hielt bei dem Schwerkranken und sich in aufopferndster Pflege selbst keine Erholung gönnte. Wie leise und sanft wußte sie die Kissen zu rücken, dem Leidenden die Arznei reichen, kurz, alle die Samartterdienste zu erfüllen, die für Frauenhand gemacht sind! Welche laugen, bangen stunden hatte sie in diesem Raum durchlebt, wenn daö Fieber den Barou schüttelte, oder wenn sie den matten, unregelmäßigen Puls fühlte! Den Kopf auf die gefalteten Hände gelehnt, betrachtet die Pflegerin angst voll da bleiche, vornehM'slböne Gesicht -dort in den weißen Kissen. Da braune Haar ist von feiner Stirn zurückge strichen, die Augen sind halb geschlossen, und röchelnd geht der Athem über die blaffen Lippen. .Mein Gott, laß ihn nicht sterben!' Hat sie ti gesprochen oder nur gedacht? Sie weiß e nicht. Und draußen rast der Sturm. Er erzählt von vergangenen Tagen, von alten Erinnerungen voll Glück und Weh, ud das bangende, klopfende, einsam MLdchenherz o ersteht die Sprache. E war auch ein Wintertag wie heute acht Jahre liegen dazwischen da be fand sich die tamal zwanzigjährige Agne Lenkhoss in den glänzenden Ge: sellschaftsrällmen ihres elterlichen Hau se, umgeben von einem frohen, jugend lichen Kreise, der sie, als die älteste Toch In de reichen Handelsherrn, feiert und auszeichnete. Alles, waö das Leben vcr schönern und angenehm machen kann, umgab sie damals, das verwöhnte Kind de Reichthums, und Keiner widerstand da Zauber ihrer Anmuth. Aber jener Gefkllschastssbend im Geiste erlebt sie ihn noch einmal. Der ganze Glanz des hanseatischen Patrizierthum umleuchlet fk. Und nun wird ihr in dem rauschen den, bunten, lächelnden Gedränge der schöne junge Caoallerieossizier Baron Wildbach vorgestellt. Wie er mit ihr tanzt und plaudert, viel besser al alle anderen! Wie er fingt und sie ihn beglei tet, al hätten sie sich lange gekannt. Und wie dann mitten in die helle Luft hinein der Cchreckenöruf: .Feuer!' er - tönt, die furchtbarste Verwirrung her vorrufend. Mitten durch Flammen und Rauch sieht sie dann plötzlich auf dem Dache des Nebengebäudes einen Offizier, wie er kaltblütig die weißen Handschuhe abstreift und mit klarer Besonnenheit die erst Löschversuche selbst leitet. In jener Minute schon schlug ihm ihr Herz warm entgegen, und bald gab eS auf der mei, tm Welt nicht Theurere für sie als seinen Namen. Ach, die sonnigen, monni gen Stunden gemeinsam verlebt in erster ahnungsvoller LiebeSträumereil Wie sie ihn vorüberreiten sieht und lächelnd grüßte, wie si an seiner Seite im Schlitten üben die glitzerridr Schnee fläche fliegt, an feinem Arm durch den Ballsaal l Wie ihr alle dunkel scheint wo er fehlt, und wie sein Augen immer deutlicher davon reden, wa sein Herz für fi empfindet. Ein süßer, unvergeh licher Traum, nd in schauerliche Erwachen l Lauter braust der Sturm. Er peitscht die Aeste der alten Linden, die wie treue Wächter da Schloß umgeben, gegen die Fensterscheiben. Der Kranke regt stch, und Schwester Agne reicht ihm Tropsen, fährt mit kühlendem Tuch leise über die gequälte Stirn. Er wendet den Kops ,ur Seit und murmelt unverständliche Worte, Fieberpharitasieen wirr, abgerissen Sätz, Namen au serner Kinderzeit, Fragen, die ihm Niemand mehr beantwortet al der Tod! Und der Dezembersturm erzählt weiter von einem blühenden, duftenden Frühling abend, der im maiftischen Park zwei iunae überalückliche Menschenkinder wan dein sah, die sich immer wieder küßten und immer wiederholten, wie namenlos lieb sie sich hätten. Heiße Thränen stürzen aus den Augen der blassen Diakonissin. Sie sinkt am Bette nieder und bedeckt die schlaff herab hängende Hand des Todtkranken mit Küssen. Da Leben hat grausam hineingerissen in ihr Jugendglück. Nach jenem seligen VerlobungSabend kommt in ihrer Erin nerung etwa wie ein tiefer finsterer Ab gründ. Da alte, reiche Handelshau Lenkhoff fallirte, den Chef desselben aber fand man mit zerschmettertem Haupt in seinem Comptoir, er hatte in der Ver zweiflung sein Leben durch ine Kugel be nvet. Schlag auf Schlag traf di Unglück liche Familie, sie verlor auf einmal Alle, den Vater und Versorger, den ehrlichen Namen, da ganz Vermögen, und daran reihte sich di ganz Kette der bittersten Ersahrungen und Entsagungen. Wie viel Schmerz birgt da eine kleine Wort .Entsagung'. Agne hat e durchge kämpft, von jenem entsetzlichen Tage bis zu dieser Minute. Ihre Verlobung mit Harald löste sich. Er, der Sohn eines stolzen alten Ge schlecht, der sich mit Mühe des Vater Einwilligung zur Verbindung mit einer Bürgerlichen errungen hatte, mußte jetzt feiner Familie und ihrer StandeSehre feine Liebe opfern. Die arme Waise hätte er zu einer Baronin erhebt n kön nen, aber einen Namen, auf dem ein brennender Makel haftete unehrliche Speculation und Selbstmord den dürfte er dem feinen nicht verbinden. Mit blutendem Herzen halte er ihr den letzten Brief geschrieben, und da stand zwischen den Zeilen so viel von tiefer, heißer Liebe, daß das Blatt ihr ein Hei Iigthum blies. Sie sah ihn damals nicht mehr, und da war auch gut. Aug' in Auge und Herz am Herzen sich sagen müssen vom Scheiden auf immer, das wäre Ober ihre Kraft gegangen! Also vorbei der Traum, die Glücks Hoffnung, und nun hinein in die trostlose Zukunft von Armuth, Demüthigung, Entbehrung. Auch die Familienglieder hatte das Unglück auseiuandergerlssen. Der gebeugten Mutter war kaum so viel geblieben, daß sie mit der Tochter eine bescheidene Stadtmohnung miethen und Pensionärinnen halten konnte. Beide Söhne wanderten nach Amerika, um sich dort eine neue, erträgliche Zukunst zu gründen. E sind dunkle Schattenbilder, welche an der Seele der Einsamen vorüberziehen Sie ist Gesellschafterin geworden in einem vornehmen Hause, den Launen und der hochmüthigen Geringschätzung einer kränklichen Dame ausgesetzte Aber sie hatte gelernt, da alles zu ertragen in dumpfer Reflgnation.sie hatt fich inner lich eine eigene Welt gestaltet und ihr Herz zum Schweigen gezwungen. Aber e hatte doch laut aufgeschrieen in Sehn, suchtqualen, als einige Jahre später Baron Wildbach, der fie weit fort glaubte, eines TageS jener Familie inen Besuch machte. Ihre Anwesenheit konnte er nicht ahnen. Vom Fenster au hatte sie ihn kommen sehen. O Gott, wie war er doch so schön und gut, wa hatte fie verloren! Bald darauf wurde er zu einer Soiree eingeladen, wo die höchst Aristokratie jener Gegend sich versammelte. Agnes brauchte dabei nicht zu erscheinen, und doch hatte sie ine schwere Probe zu be flehen. Comtesse Valerie kam nach dem Souper zu ihr hinauf und bat fie, ein paar Tänze zu spielen. Die jungen Gäft hatten so stürmisch darauf gedrun gen, tanzen zu dürfen, wo aber sollte man so schnell Musik bekommen I Da war eS ja sehr bequem, eine Person wie Agne im Hause zu haben, die so schön spielte! Vergeben sträubte fich da junge Mäd chen, Comteß Valerie bestand auf ihren Wunsch, und eine Viertklstunde später stand Agne im einfachen schwarzen Sei denkleid wirklich am Flügel, nachdem sie mechanisch ihre Verbeugung gemacht, und setzte sich nieder, um einen Walzer zu spielen. Da vernahm st mitten au dem Ge dränge eine wohlbekannte Stimme: .Man muß sich aber doch wohl der Dame verstellen.' .Überflüssig, lieber Ba ron,' lautete die wegwerfende Antwort, die Agne wie ein körperlicher Stich traf, .ist keine Geborene, nur die Gefellschas terin oder so etwas!' Mit Todesverachtung, die Lippen fest zusammengepreßt, spielte AgneS einin jener wunderbaren Strauß'schen Walzer, welche die Wonne und das fehnendste Weh in un anklingen lassen, und mit der Melodie verschmolz, wie au weiter Ferne kommend, Harald'S Stimme, die ihr scharfe Ohr dennoch vernahm: .Ich denke, diese Rückficht schulden wir jeder Dame.' Sie fühlte mitunter, wie zwei Augen brennend auf ihr ruh'.en, und ei sie ge, endet, stand Harald schon neben ihr. Flehend blickte sie zu ihm auf wie da wiidwunde Reh zum Jäger. .Herr Baron, um Gottesmillen, kein Wort!' .Agne, ich muh Ihnen nur da eine sagen: e ist nicht meine Schuld ' Ein trauriges Lächeln flog um ihre zuckende Lippen: .Ich weiß e, aber seien Sie barmherzig, verlassen Sie mich !' Sofort trat er zurück in den Kreis der anderen Herren, und nur, al si den Sail verließ und man nicht umhin konnte, ihr einig anerkennende Worte zu sagen, sah sie ihm noch einmal in das schöne erregte Gesicht. Dann fiel die Portiere hinter ihr, wie eine Brandung verklang der Jubel der Glücklichen, fie war erlöst. Draußen im Corridor schlägt eS Mit ternacht. Werner tritt ein und bittet die Schwester, fich etwa zu legen, er will bei feinem Herrn wachen. .Ich danke Ihnen,' sagt sie freund lich, .ich bin noch gar nicht müde.' E ist dieselbe Antwort, die sie ihm immer giebt. .Aber wenn sie vielleicht in der Nähe bleiben wollen, Werner, ich fürchte' st stockt und weift leise auf den verändere ten Zug im Antlitz de Kranken, jenen Zug, der ein ernster Vorbote de Tode ist. Und da große schöne Schloß ist so still und leer. Wo sind sie alle, die hier einst gewandelt, gelebt, geliebt, ge litten? Todt todt! stöhnt der December stürm. Nun steht der letzte Stammhalter schon an der dunklen Pforte, die hinüber führt. Aber e giebt noch ein Leben, ein süßes junge Leben, eine frische kleine Knospe am Stamm der Wildbach , Stei nen. In einem andern Zimmer des ersten Stockes schlummert fie, die dreijährige Baroneß Harala mit ihren braunen Löck chen und rothen Backen. Sie schlummert alhemloö und lächelt im Traum. Arme Kleine! Keine Mutter wacht über dir, der alten schwerhörigen Großtante, der Generalln, welche hier reprasenlirt, rtst Du oft in Last und der Bonne zuweilen auch. Dein Vater aber, an dem dein Ktnderherz mit allen Fasern hängt, liegt im Todeskamps. .Armes Kind!' klagt draußen der Sturm. Die Vergangenheit ist weiter vorüber gegangen an AgneS eeie. Wie fie von einem Hause in daS andere kam, ein heimathloser müder Wandervo gel, wie ihr eines TageS Frl. v. L, er, zählte, daß fich ihre intimste Freundin, Baroneß Irma, mit Harald Wildbach verlobt habe und daß sehr bald die Hoch zeit sein sollte. Nichts wurde der Armen erspart, immer wreker führte sie daS Schicksal in Harald'S Lichtkreis, wenn ne wett genug geflohen zu sein glaubte Wohl krumpfte eS fich wie eine eisige Faust um ihr Herz, aber die lebe, von der die Bibel sagt, daß sie Alle duldet, hoffet, glaubt, die da stärker ist, als der Tod, sie gab ihr Kraft, nur an sein Glück zu denken. Zur HochzeitSfeier der Freundin wollte Fräulein v. L. den Myrthenkranz überreichen und bat Ag nes, ihr ein Gedicht dazu zu machen. .Sie können es, ich weiß das. Sie dichten reizend, Fräulein Agnes, helfen Sie mir aus, bitie, bitte.' Und Agnes that e. Sie faßte ihr Wünschen und Denken in ergreifenden, einfachen Versen zusammen. Alle be wunderten da .entzückende' Gedicht, und Niemand ahnt, daß e mit Herzblut geschrieben war. Niemand? Doch Einer, und das war Harald selbst. Fräulein. L, aar zu aufrichtig, um das Lob ihres dich lerischen Talents anzunehmen. Sie sagte, die gebühre ihrer Gesellschafterin, Fräulein Lenkhoff. Ueber das Antlitz de Bräutigam? war ein trauriger Schat ten geflogen, der schatten einer unbe zwinglichen Erinnerung. Bald nachher hatte Agnes den Ent, schluß gefaßt, Diakonissin zu werden, in dem ernsten Dränge, eine Aufgabe zu finden, die fie ganz i Anspruch nähme und die es werth wäre, ihr Leben dafür einzusetzen. So zart ihre außer Er schemung war, besaß fi doch ein kräftig Conftitution und entwickelte eine bewun- dcrungöaürdige Ausdauer, auch bei der anstrengendsten Pflege. Man schätzte sie im Mutterhause ihrer Tüchtigkeit wegen sehr hoch, aber fie blieb immer dieselbe in ihrer Bescheidenheit und stillen Liebens Würdigkeit. Es fehlte nicht an Bornen tn tgrem Beruf; dennoch war er ihr lieb. Man überwindet den eigenen Schmerz eher und tragt seine Bürde leichter, wenn man hineinblickt in die Tiefe fremden Elends. Und eS gab auch kleine Freudenblumen am Weae. fei eS auch nur da Lächeln eines armen Patienten, daS DankeSwort eine KindeS, der Händedruck eine Ge trösteten I Längere Zeit hatte sie in einer entfern ten Provinz an einem Hospital gearbei tel, dain kam ein Ruf an li; Kranken station der Kreisstadt N. Sie wußte Harald'S Heimath ganz in der Nähe, wußte auch, daß er bei seiner Verheb rathuog den Dienst quittirt hatte, um sein Stammschloß zu beziehen. Aber die Vergangenheit war ja abgeschlossen, eS sollte Alle so gut sein. AgneS besuchte die Ihrigen nach langer Trennung wie. der. Ihre Schwester hatte inen tüchti. gen Arzt geheirathet, und in ihrem Hause fand die Mutter ein Heim, wo fie ihren Lebensabend sorgenfrei beschließen konnte. In N. hörte AqneS, daß Harald seine. Frau schon nach einem Jahre verloren hatte. Die Ehe hatte sür eine glückliche gegolten. So wie Agne den Jugendge liebten kannte, wußte fie wohl, daß er feinen Schwur gehalten und alles gethan hiben würde, seinem Weibe ein aufmerk simer, treuer Gatte zu sein. !u ra ronin, obwohl eine mehr kühl Natur, hin ihren Gemahl doch sehr geliebt, und al fie bei der Geburt der kleine Harald gestorben war, hatte der junge Wittwer fi aufrichtig betrauert. Er lebte eine Zeitlang im Auslande und widmete fich nach seiner Rückkehr ganz seinem Kinde und der Bemirthschaftung seiner Güter. Von der Gesellschaft hatte er fich sehr zurückgezogen, a man ihm im höchsten Grade verargte. Ein so jun ger, vornehmer, reicher und schöner Mann braucht doch nicht Wutwer zu bleiben I Er mußt ein Sonderling sein, so mit der alten wunderlichen Tante Generalin einsam aus seinem Schlosse Steinen zu Hausen. E war schade um ihn. So lautete da Urtheil der Welt. Agne wußte e besser, und sie war tief bewegt. O, wenn sie nur sein lnv einmal hätte sehen und liebkosen dürfen ! Die er Wun ch ollte fich bald erfüllen, Sie wurde vor drei Tagen von dem Oberarzt gerufen: .Schwester, Sie mttf, sen mit mir nach Steinen kommen, Sehr schwerer Fall. Baron Wildbach verunglückt.' Einen Augenblick schwankte der Boden unter ihren Füßen. .Verunglückt?' stammelte fit. .Ja, mit dem Pferd gestürzt. Inner Verletzungen, tote wissen schon. .In Gölte Namen denn!' E galt den letzten Liebesdienst. Was das Leben ge trennt, da vereinte der Tod. So war AgneS gekommen. Sie nahm da liebreizende Kind, da im Vestibül neben einem großen Hunde kauerte und mit den runden Handen auf ihm herum batschte, von einem übermächtigen Im puls qetrieben auf ihre Arme und küßte eS. .Wie heißt Du?' .Haldo.' sagte die Kleine mit ver- legenem Gestchtchen und sah wie hülse suchend auf den Hund. , Komm, UnkaS I ' AgneS fühlt, wie ihr die heißen Thrä nen aufstiegen. S liebkoste das Kind nochmals und fehle es behutsam wieder nieder, um dem Boctor wieder tn 8 Krankenzimmer zu folgen. Der Baron erkannte Niemand. Er lag in wirren Fieberphantaflen. Zmi schen Hoffen und Bangen schlichen die Stunden hin; oft klammerte sich das Herz an einen schwachen Faden, aber um- sonst. Auch daS thränenumdunkelte Auge mußte erkennen: es geht zu Ende. Die Uhr schlägt Ein. Unerbittlich rückt der Zeiger weiter, fingt der Pendel sein altes Lied: Immer nimmer! Und der Sturm todt weiter um da alte Schloß. Aber in Schwester Agnes' Brust hat er ausgetobt. Es ist still drinnen geworden unter dem Gebet: Dein Wille geschehe! Jetzt fährt der Kranke plofcl'ch empor, die Augen weit geöffnet: .Wo bi ich? Wer ist hier?" Sie hat es erwartet, das letzte Aus; flackern de Lebenslichtes vor dem Er, löschen. Er ist jetzt bei klarem Bewußt, sein. Leise legt fie die Hand auf sein feuchte Stirn, wortlos beugt sie fich über ihn, Die geliebten Augen ruhen auf ihr, forschend, zweifelnd, dann aufleuchtend, fast wie einst, i wie einst I .Agnes, bist Du es? Einmal noch kommst Du zu mir? O meine alt süß Messn! Geh' ntcht wieder fort!' .Ich bleibe bei Dir, Harald. Wenn Du noch einen Wunsch haft, sage ihn mir, ich will Alles thun, was ich kann,' flüsterte fie. Er hat ihre beiden Hände an seine arme röchelnde Brust gedrückt. .Ich danke Dir. Ich habe Dich sehr lieb gehabt. Nefsg.' Sie kann nicht sprechen, fie preßt nur die Lippen aus seine Hand. .Nun meine letzte Bitte: Mein Kind, meine kleine Halda willst Du si nicht verlassen?' .Ich will fie lieb haben, wie ich Dich liebhabe. Soll ich fie holen I ' Sie hat den Wunsch von seinen Lippen gelesen und ruft Werner herein, um selbst an Halda i Bettchen zu fliegen. .Komm', mein Liebling,' sagt fi schmeichelnd zu dem erwachenden Kinde, Du darfst Papa sehen. Aber ganz still müssen wir sein, der arme Papa ist so krank und müde!' .Papa krank - Halda still sein'. wiederholt das Kind schlaftrunken und legt den Arm um den Hals der Schwester. Mit dem kleinen Mädchen in den Armen kniet AgneS nun am Sterbebette nieder. Halda küßt den Papa und ftrei chelt feine Wauge zärtlich: .Süßer Papa!' Seanend ruht seine Hand auf ihrem dunkellockigen Köpfchen, aber sprechen kann er nicht mehr. Der letzte Kamps bat besonnen. Schwester AgneS legt die Kleine, die schon wieder eingeschlummert, auf den Divan und deckt fie sorglich zu. Immer unregelmagtger wird der Athem, der PulS deS Sterbenden. Sein brechender Blick trifft die Generalin. welche man herbeigerufen hat, die Dienerschaft, die noch einmal des Herrn gütiges Antlitz sehen will, und bleibt dann auf AgneS haften. Sie möcht ihm zurufen: .Nimm mich mit!' Aber fie denkt feines Vermächt. nisseZ und daß ihre Aufgabe auf Erden noch nicht vollendet ist. Und er schläft ein unier dem Blick einer Liebe, ,di da nimmer aufhöret!' Der letzte Athemzug ist vorüber. ES bleibt ihr nur noch, die lieben Augen zu zudrücken. Z)er (startn legt nq allmüyucy, wie ermüdet. Will er das schwelgen des Todes ehren, daß über dem einsamen Schlosst ruh!! Oder verstummt er vor dem Frieden, der in den Zügen des Ent fchlafenen so verklärend liegt? Und nicht dort allein. Auch im Herzen der ein samen Fauengestalt, die den Tcdten wie den Lebenden geliebt hat, ist in jener Dezembervacht daS Schönste nd Schwerste, wa ei Mensch erringen kann, eingekehrt: Friede ! auxtmann und Grodschmied. Während de siebenjährigen Kriege verlor Friedrich der Große so viele Osft ziere und Manschaflen vn seiner Armee, daß e schließlich unmöglich war, au den Landelkindern den nöthigen Ersitz zu beschaffen. Ebenso schwer war aber da Werben im Auslande. schon im Jahre 1757, also sofort nach Auöbruch dS siebenjährigen Kriege, bildeten fich daher Freikorps, an deren xitze preußl fch Offiziere traten. Diese Freikorx hatten einen großen Zulauf von Aben teurern, von kriegsluftigen jungen Leu ten, auch von altgedienten Soldaten au fremden andern, denn tn diesen Frei korx entschied über die Beförderung nur die militärische Tüchtigkeit, ob der Be treffend bürgerlich oder adelig ar, fiel nicht im Geringsten in's Gewicht. Vil Leute au niederem Stande wurden darin Offiziere und zeichneten fich al solche au. Am Ende de siebenjährigen Kriege war Preußen mirthschastllch und sinair ziell vollständig ruinirt. Friedrich der Zweit mußt vor Allem daran denken, Landwirlhschist und Industrie wieder zu heben und so reduzute er denn in rück, flchtloser Weise die Armee. Pensionen für die entlassenen Ossiziere konnten nicht gezahlt werden, das Wohl des Staates ging dem des noch so verdienten Einzelnen vor. Selbst sein Günstling Oumtu JciliuS, der viele Jahre ein Freikorps mit großem Erfolg geführt hatte, konnte die Rückzahlung der Gel der, welche feine Offiziere für den König ausgelegt hatten, nicht von Friedrich dem Großen erlangen. Auf fern 1764 emge reichte Gesuch um Rückerstattung dieser Gelder schrieb Friedrich eigenhändig .Seine Ossiziere haben wie die Raben gestohlen. Sie kriegen nichts.' Ouintu JciliuS mied darauf eine Zeitlang den Hof Friedrich'S de Großen und ver Shnte sich erst spater mit ihm. Hatt ihn doch Friedrich an der Tafel eine Tages einmal öffentlich beleidigt. OuintuS JciliuS bewunderte nämlich die Tabaksdose des Königs und streckte un willkürlich die Hand darnach aus, um sie näher anzusehen, als der König sagte: .Hand weg! DaS Stehlen hat ausgehört! Trau' euch Spitzbuben von den Freikorps der Teufel. Ihr seid im Stande und stehlt mir meine Dose.' Fast unglaublich klingt folgende hifto risch verbürgte Anekdote. In der Frei, schaar des königlichen Günstlings Ouin tuö JciliuS hatte fich ein Schmiedegeselle aus einem schlesi chen Dorfe anwerben lassen, der fich bald fo hervorthat, daß er zum Ossizeer befördert wurde. Aus Vorschlag deS Kommandeurs OuintuS JciliuS fertigte der König auch dem Schmiedeqesellen das Patent alS könig lich-preußischer Lieutenant auS, und der neugebackene Offizier, der wahrschetnich später in der Napolevnischen Zeit eS bis ium Marschall gebracht hätte, zeichnete sich so auS, daß er den Orden "Pour le merite1' erhielt und bis zum Hauplmann aufrückte. Nach dem Kriege mußte er, da er trotz der Verwendung des Quintus JciliuS keine Pension erhielt, wieder zu seinem Handwerk zurückkehren. Er wurde tn einem schleichen ',oxt Der Jauer Schmied. Au Aerger über die Rücksichtslos- kett, mit der man ihn behandelt hatte, trug er nun stets, selbst wenn er in der Schmiede beschäftigt war, am Halse den Orden .Pour Le Merite', der damals in einem Ansehen stand, das heute unge fähr der Schwarze Adlerorden hat. Am Anfang der siebziger Jahre deS vorigen Jahrhunderts fand nun in Schle sten ein groß Truppenschau (litt, und der berühmte Reitergeneral Sevdlitz kam vor die Schmied des ehemaligen Haupt manns, um seinem Pferd ein Hufeisen auflegen zu lassen. Er glaubte feinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er be merkte, daß der Schmied den Orden .Pour Le Merite' um den Hais trg. Er stellt dn Schmied heftig zur Rede, dieser aber erklärte gelassen, daß er könig- lich preußischer Hauptmann und Inhaber des Ordens fei und holte zum Beweise seine Papiere hervor. Natürlich verfehlte Sevdlitz nicht, noch an demselben Tage dem Könige von sei ner Begegnung mit dem sonderbaren ischmtedemetfter Mittyettung zu machen. Der König kam am nächsten Tage selbst zur Schmiede und machte dem Schmied orwurse, vag er sich mqi naq Aus lösung der Freikorps bei ihm um eine Versorgung beworben habe. Aber in derber Weise entgcgnete der Meister, daß er sowohl wie sein früherer Chef Ouin tuS JciliuS vergeblich versucht hätten, beim König eine Versorgung zu er wirken. Friedrich der Zweit bot dm ehemali- gen Hauxtmanne darauf ine Penston an. wenn er fich r o.i seinem Gewerbe zu rückziehen würde, dieser jedoch erklärte, er brauche jetzt de? König Gnad nicht mehr; er ernähre fich durch seine Hände Arbeit, nd das desrttvlge ton vou kommen. Friedrich der Große, der nicht unge- halten ar, wenn man ihm energisch antwortete, schüttelte den Kopf und ritt davon. Er befahl dann aber seinem Günstling Ouintus JcilmS, daß er nochmals mit seinem Hauptmaun unter handeln möge. Letzterer nahm denn auch nach einigem Sträuben die Pension an, gab sein Handwerk auf und lebte in einem Städtchen Schlesiens im Kreise alter Waffengefähtten noch lange Jahre, Er ist erst kurz vor der unglücklichen Doxpelschlacht von Jena und Austeriitz gestorben. Vielleicht wäre eS für die Weiteren!- Wickelung deS preußischen HeereS vor . . .j theilhafter gewesen, hätte Friedrich nach BeenUgung de fiebenjährtgen Kriege seine treuen und erprobten bürgerlichen Ossi;iere behalfen und die hohen Herren vom Adel enll.ssin. Vielleicht wär e dann Napoleon nicht so leicht gewsrdi, die preußische Armee in einer einzige Schlacht zu vernichten. Wie Theodor Wchtl Sanzr wurde, wird im ,R. W. Tagebl.' so erzählt: Zu Ende der vierziger Jahre lebte in Hamburg ein Makler, Namens Puffer korn, ein lustiger un van, der mit Vor liebe in seinem Heim und zur Sommer, frisch draußen im frischen giüen Walde Quartette veranstaltete. Der blutjung Wachtel war der .Ledroschkenkutsche:' Pfefferkorn, und bei den sommerlichen Ausflügen durste er diese und seine Freunden auch bei Tafel im Freien be, hilflich sein. Emmal rxn geschah e, daß der Tenor dc QuattettS Psesserkorn plötzlich heiser wurde, denn er war so un vorsichtig gewesen, fich in seinem koketten Höschen auf da feuchte Gras zu setzen. Holland in Noth! Da nahte sich schllch lern der Kutscher Wachtel in Hemds ärmeln seinem Chef Pseffeikorn und fragte: .Wenn jü mi mitfingen laaten wullt, denn kann'! losgahn. Ick Hess bat ohle Leed all mannichen Sünndag mit onhüert!' Der Kunstmäzen betrach tete seiaen Kutscher mit HZchsiem Stau, ne, als wäre er ein Fabelthier ur,d ent gegnele: .Du wullt fingen? Kennst du denn de Noten?' .Nee, de kenn ick nich, dat gciht so ook ganz qoot. Mit sooecl Wiitlöltigkeilkn gisst sich unserem nich äff!' Und man lachte und ließ Wachtel sirigen. Aber als die wunder bare, wenn auch ungeschul! Stimme er scholl, da lachte kein Mensch mehr, und Pfefferkorn fiel seinem Kutscher um den Hals und schrie, daß Wachtel nun fingen lernen müsse. Und Morgens, als Wach, tel in Holzpantoffeln dastand und seine Wagen wusch und die ganze Geschichte schier vergessen hatte, da stürmte der eisrige Sängerfreund auf ihn zu und schleifte ihn, den Widerstrebende, zur Grandjean, der besten Gesangslehrerin Hamburgs, hin; und während der junge Mann bei ihr Proben seines köstliche Tonmaterials zum Besten geben mußte, befanden fich im Nebenzimmer mehrer Hamburger Sachverständige, die ihr Ur theil über das Phänomen in die Wag, schale legten und über di Zukunft des ManneS entschieden. So wurde Wch tel zum Sänger. Allerdings ist diese Geschichte nicht ganz verbürgt, wenigstens nicht so, wi die Anrede, die Wachtel nach einer Trou badour-Aufführung in Wiesbaden hielt, in der er dem jubelnden Publikum ver sicherte: .Dieser Abend ist der schönste Tag meines Leben." Aehnliches hat er zuweilen auch auf .schriftstellerischem' Gebiete geleistet; das ,N. W. T.'be wahrt auS jungen Jahren des Sängers neben verschiedenen Kostümbildern noch eine Photographie von ihm. die daö sinn reiche Autograph zeigt: .Wachtel als Mensch.' Richt nur in seinem Bühnenleben war Wachtel stets ein Wanderer, auch im Privatleben liebte er stets den Wechsel. Dreimal war er in Wiesbaden Villen befiyer, jedesmal verkaufte er seine Be sitznngen wieder, wie seine Pserde und Wagen, an denen er besondere Freude hatte. Er war ein guter Familienvater, der seinen Kindern eine sorgsältige Er Ziehung zu Theil werden ließ; nur zum Theater ließ er sie nicht. Einer seiner Söhne, der trotz deS väterlichen Willens mit seiner unbedeutenden Stimme die Bühnenlaufbahn einschlug, hat es darin nicht weit gebracht. Je älter Wachtel wurde, desto sorgfä! tiger und koketter pflegte r sein AeußereS. Er blieb immer xechichwarz, sein dicht gekräuselte Haar und sein Schnurbart behielten immer die Farbe ber fugend. AIS er einmal vor Jahren in Wien gastirte und zu einem bekannten Schau- spleter Jemand äußerte: .Wa sagen Sie, wie merkwürdig fich dieser Wachtel erhalten hat, seine Haar find ja noch ganz schwarz!' da erwidert der Ang redet boshaft: .Ach! den habe ich ja ge kannt, wie er noch grau war!' Das Wettrennen. dei Tafel. Dem ercentrischen Lord Panmure klagte sein Pächter Panlathie eineS Tage über den Mangel an Geld. .Ich werd Ihn welches verschaffen,' sagte der Lord: ,Bcthe,l,gen Sle sich morgen an dem Diner, welche ich ein paar Freun den in Brechim Caflle geben werde.' Dann gab er ihm noch eine geheime An weisung. Zur Tafel erschienen, außer dem Lord Panmure und Panlalhie, zwei junge reiche Edelherren. Sobald die Tafel aufgehoben war, begann der Lord das Wettrenvenfplel. .Alle Hüte in'8 Feuer, oder 20 Pfund auf den Tisch ! ' (Vier Hüte flogen sofort in den Kamin. .Alle Röcke in's Feuer, oder 30 Pfund auf den Tisch!' rief ein Anderer. lLier Röcke folgten den Hüten nach,) .All stteseln tn'S Feuer, oder 100 Pfund auf den Tisch!' rief der nächstfolgende Edel, mann (acht Stiefeln wurden von den Füßen der Spieler abgezogen und in'S Feuer befördert). Jetzt kam Panlathi an die Reihe. .Zwei Vorderzähne in'S Feuer oder !00 Pfund auf den Tisch!' rief er. schlug sich mit der Faust zwei (natürlich falsche) Zähne aus und fchlku derte si mit heroischer Geberde in di Flammen. Diesem Beispiel kam kein Anderer nach nnd so ging der vergnügte Pächter zwar Hut-, rock- und ftiesello, aber um 600 Pfund reicher nach Hause. Tiefer Linnsxruch. Wenn Liebeöglulh erfüllt deS Msrine? Seele. Wird das Genie recht oslmals zum ameele.