Die Versuchung. Sine Ekschich! ui in ?roKadl. G,LItt'l. l'en Endlich hatte sie die fünf Treppen, die zu ihrem Mansardenstubchen ymaufführten, ibermundea. Oben stand fie einen Au genblick still, um Slhem zu schöpfen und nach dem (Schlüssel zu jucye. ü)te .yur ihre Zimmer mündet auf den Trex mflur. Au dem Halbdunkel. welche diese Thür umlagert, leuchtete ein blanke Mesflngschild hervor. E trug den ekigraiirtea Namen ,Emm Hall ing'. Emma war ine der tausend hübschen Verkäuferinnen der Residenz. Sie ,kon ditionirte, wi der landläufig Ausdruck heißt, in einem Handschuh und Kraoat tengeschSst der City. Heute hatt si ihren freien Nachmittag. Nachdem sie in inem Restaurant ihr bescheidene Mahl zu sich genommen hatt, war sie hier hin usgepilgert nach der von sogenannten kleinen Leuten bewohnten Borftadt. Ihr Gehalt gestattete ihr keine große Miethe, lm Gegentheil, st mußt an dieser und am Essen sparen, wa sie für ihre Garderobe mehr verausgabte. Und Emmn hielt auf sich. Ihre Kleidung war insach. aber modern und chic. Au dem bescheiden mSblirten. aber blitzsauberen Zimmer weht ihr eine wahre Gartenluft entgegen. Sie hatte die Gewohnheit, das Fenster zu öffnen, wen st Morgen fortging, und jene war Sommer und Winter dicht mit Blu mevtöpfen setzt. Ihre Liebling lohn len ihr aufmerksame Pflege mit berau schenken Düften. Auch an diesem, einem sommerhellen Herbsttage bereiteten sie der .kleinen Handschuhmacherm' ein custen de Willkommen. Emmy bemerkte von alledem nichts Sie schien mlßmuthig, verstimmt, unzu frieden mit sich selbst. Sie drückte hastig die Thüre zu, schloß da Fenster, warf Hut und Mantel ab und trat vor den Spiegel. Prüfend ruhte ihr Auge auf dem reitenden Bild, welche aus demsel ben sie anblickte. Aber wie nun hinter dem hohen Kirchthurm die Nachmittags sonne hervortrat, und die schräg herein fallenden Strahlen ihren hübschen Gret' chenkopf umspielten, ein Netz von Gold fäden um ihre aufgesteckten Zöpfe fpin end, da trat ein selbstzufriedene Lächeln auf ihre Lippen. Ja, sie war schön? Einer raschen Eingebung folgend, löste sie die goldene Haarfülle, und nun glich sie einer wirklichen MSrchenprinzessin. Ja, auch unsere Zeit hat ihre Aschen, brödel und ihre Dornröschen. Aber ach! wo sind die Prinzen, die ihre Armuth nicht scheuen und mit einem Kuß aus voller Seele sie aus ihrer Verzauberung erlösen? Ob Emmv wohl auch so etwas dachte? Mit einem halb erstickten Seufzer wandte sie sich weg, drückte sich still in die Sopha ecke und versank in Nachdenken. .Ihre Schicksale waren dieselben, fast möchte man sagen alltäglichen, unter denen ihre Genossinnen noch heute scuf zen und auch immer seufzen werden. Aus einer besseren Familie stammend und mit gewissen Ansprüchen in das Leben tretend, hatte sie frühe den Vater und mit ihm alle Aussicht auf eine reiche Zukunft verloren. Was ihr von derselben noch blieb, waren Träume und Wünsche, nebelhaft und unerfüllbar. Die höhere Schule mußte verlassen wer den, und an die Stelle deS gediegenen Wissens trat jene zu Nichts befähigende Halbbildung, welche die Quelle des Un glück für ungezählte Hunderttausende ist. Mit der fürsorglichen Mutter dar, bend und zuletzt doch gezwungen, selbst auf Erwerb zu sinnen, mußl eine Stelle, wie si si jetzt bekleidete, als sehr be gehrensmerth erscheinen. Sie schützt doch vor Noth, rangirte nicht mit dem, was man im gemeinen Sinne .Arbeit' nennt, gab den jungen Mädchen unaus fällig Gelegenheit, gesehen zu werden, um vielleicht das schwebt wohl jeder hübschen Verkäuferin und deren Mutter vor noch einmal eine gute Partie zu machen. Also die Sache hatte auch ihre Romantik, und wer trüge sich nicht in einem .gewissen" Alter mit den thörich sten romantischen Ideen. Viele erden ja überhaupt nie davon geheilt. Von der Gefahr einer solchen öffentlichen Stel, lung mit ungenügenden Mitteln, von der Versuchung, gerade für ein hübsches Mädchen, das mit dem Schicksal grollt und nicht vergessen kann, daß st einmal berufen gewesen, andere Ansprüche an da Leben zu stellen davon spricht man nicht. Aber Emmu's gute Mutter hatte daran gedacht und dahin gewirkt, ihr ge j liebteS Kmd gegen dies Gefahr zu wappnen. Vor einem Jahr gestorben, hatte sie noch die freudige Genugthuung gehabt, Emmv'S Hand in die eines braven, ar beitfamen ManneS legen zu können, von dessen Liebe und starkem Arm sie allen Schutz für ihre nun vollends verwaiste Tochter erhoffen durft. Und sie hatte sich in ihrem Urtheil über Bernhard Müller nicht getäuscht. In seiner Seele war kein Arg und kein Falsch. Werk meist in der Handschuhfabrik, welche dem Geschäft, in dem Emmy thätig war, die Waare lieferte, hoffte er, in abfeh, barer Zeit mit seinen kleinen Ersparnissen sich selbständig machen zu können. Dann wollte er Emmv heimführen. Er betete sie an. In Worten zwar gab er ihr das nicht zu erknnen. Er hatte ihr auch nie gesagt, wie schön sie sei. Er entsprach damit einem Wunsch ihrer seligen Mut. ter, welche Emmy alles fern halten wollte, was ihre Eitelkeit wach rufen konnte. Auch ihre Genußsucht sollte keinerlei Anregung erfahren, und so legte sich Bernhard auch nach dieser Richtung einen gewissen Zwang auf. Arme Frau, bethörter junger Mann. Hätten sie da Leben richtiger erfaßt! Der Jahrgang 14. dann wären sie nicht auf diesen Unglück tichnen aller uiwege versauen. Vena e kommt eine Zeit ach! und i bald wo jede hübsche lunqe Mädchen weiß und e hören will, daß sie schön ist. Auch di Freud am Leben, der Drang zum Genießen wnden durch Enthaltsamkeit nur gesteigert, niemals uvterdrickt, zu mal bei jungen Mädchen, die doch all nur in Wunsch hegen, zu sehen und gesehen zu werden. Jene Bethörten hatten auch mit dem nie ausbleibenden Tage nutzt gerechnet, wo sich nun Jemand findet, der seiner Bewunderung inen oft übertriebenen Ausdruck giebt und di unter der Ent haltsamkeit sortschwebende Genußsucht zur hellen Flamme entfacht. Und dieser Tag war auch für Emmv Hallberg av kommen. Nicht heute erst. Schon seit längere? Zeit verfolgte fie ein reicher junger Kavalier mit seinen Aufmerksam, ketten und Betheuerungen, welch! Emmv allerdings einen hohen Begriff von ihrer Schönheit geben mußten, wie st ihn vor dem nie besessen hatte. Im Geschäft hatte flch dies für fie, di Unerfahren, so gefährliche Bekannt schaft geknüpft und unter der Maske einer harmlosen Annäherung so zuge spitzt, daß Emmy anfing mit ihrem Loose ernstlich unzufrieden zu werden und für Bernhard wenig schmeichelhafte Vergleiche anzustellen zwischen ihm und dem ieaanten redegewandten Kavalier, welcher nicht müde würd, ihr wieder und immer wieder, selbst in angeblich eigenen Gedichten zu sagen, wie dien dend schön sie sei, und der bereit war, alle Schätze dieser Erd ihr zu Füßen zu legen, wenn sie fie von seinen Hän, den nur annehmen wollte. Zuerst oe trachtete Emmv das alle nur als Scherz, und e bereitete ihr Vergnü gen, mit Jemandem so leicht plaudern und lachen zu können, wie e ihren Jahren und ihrer heiteren LedenSauf fassuna so sehr natürlich war. Dann ward sie berauscht von der ernstgemein ten Huldigung eine ManneS, welcher der Abgott der Frauen seines Standes war, die er wie Nichts achtete, mährend er sich nach einem Blick aus ihren schönen Augen verzehrte; der gern seine prächtige Equipage verließ und stolz und glücklich war. neben ihr zu Fuß gehen zu dürfen, wenn fie Abends den Heimweg nach der fernen Vorstadt antrat. Plötzlich war fie erschrocken, als sie sich sagen mußte, daß sie Unrecht that. Bernhard diese ge- schädlichen und außergeschäftlichen Be gegnungen unter dem nichtigen Vorwande geheim gehalten zu haben, daß er sich darüber ganz unnütz beunruhigen könnte. Jetzt wußte fie es, eö war schlecht und fie selbst aus ernem schiefen Wege. Ja, Bernhard hatte Grund zu ernster Be unruhigung, denn mehr und mehr fühlte fte sich von ihm, dem schlichten, arbeit samen Manne, abgezogen und lenem Anderen geneigt, der so viel höher stand. schön, aufmerksam, gewandt und reich war reich! Welche Zukunft hier und dort! Ach, warum war fie nicht reich? Ein starkes Pochen an die Thür entriß fie ihren Träumen. Erschreckt schnelle fie empor. Wenn es Bernhard wäre?I Mit ihren Wirthsleuten kam sie fast gar mcht zusammen. Ober tollte 1 Das Herz stand ihr still. Sie war einer Ohnmacht nahe. Sollte sie ihre A, Wesenheit verleugnen? Das Pochen wie- derholte sich. Zugleich wurde ein unzu- sriedencs Brummen hinter der .hure laut, welches auf einen gänzlich Frem den deutete. Vielleicht der Briefträger? Emmv öffnete. Ein Dienstmann stand draußen. Er schob, ehe fie es verhindern konnte, einen langen, koffei artigen Ka sten in's Zimmer, warf, was sie nicht sah, hinter ihrem Rücken einen Brief auf den Tisch, beantwortete ihre erstaunte Frage mit einem haftigen: .Ist schon richtig I" und drückte die Thüre in'S Schloß. Als Emmy diese nach nur kur zem Zögern noch einmal öffnete, war er verschwunden. Sie schloß dieselbe und schob den Riegel vor. Eine Ahnung sagte ihr, von wem die Gabe komme, und waö es sei. Mit bebenden Händen öffnet sie den Kasten. Er umschloß in prächtiges, mit Blumen garnirte Ballkleid. Nun stand ihr wieder klar vor der Seele, was fie schon halb und halb vergessen hatt. Willborn (der Name jenes Ka, valiers) hatte ihr freimüthig gestanden, daß er nicht offen um sie werben dürfe, und daß sich ihrer Verbindung unendliche Schwierigkeiten entgegenstellen würden, die er aber alle zu überwinden gedenke. Nun hatte er eine ihm geneigte Ver wandte in' Vertrauen gezogen. Diese hatte den Wunsch geäußert, Emmy ken nen zu lernen, und eine Ballfestlichkeit in ihrem Hause sollte Letzterer Gelegen, heit geben, sich dort unauffällig einzufüh ren. Emmy hatte scherzend gemeint, daß sie dann gerade in ihrem Straßenkleide aus dem Balle erscheinen müsse; er hatte sie an Aschenbrödel erinnert, die aus dem Grabe ihrer Mutter mit den reichste Gewändern überschüttet wurde. Hier war nun ein solches, und fie brauchte es nur anzulegen, um als Königin eines großen Feste zu glänzen! Sie buchte bei sich, daß fie Ihbcr fter- Soilltf(lQ$pI Beilage zum Nebraska Staats'Anzelger. ftrt nt& In 0tnm frf!h rtfin tnrtfsf vf v iti , nv v welche fie nur seiner Wohlthätigkeit er dankte. Und dann, er weiß, ob e ihr Überhaupt paßte? Boa dem Sehen und Betasten aber erwuchs in ihr die bren nende Begierde, wenigsten sich selbst ein mal in solchem Staat zu betrachten. Der Spiegel plaudert ja nicht cm, und in Störung hatte fie nicht zu fürchten. E wäre doch seltsam, wenn da Ballkleid auch ohne Maaß und ohn Anprobe sitzen sollte. Dies nebensachlichen rwagun gen verdunkelten den Kernpunkt der Sache in echt weibliche Raisonne ment. Sie legte da Kleid an und stand ent zückt, bewundernd vor ihrem eigenen Spiegelbilde. Nun, meinte sie, fehlen nur noch Fächer und Handschuhe. Aber unter dem Seidenpapier, das dem Kleide zur Unterlage gedient hatte, fand fie noch mehr, in kostbar Sortie äs bal und in einem Etui ein echten Bril lantschmuck. Brillanten! E ar da, erste Mal in ihrem Leben, daß Emma sich mit sol chen schmücken konnte. Sie that e, Nun war sie in der That eine blendende Schönheit. Aber wer sah da ? Wer bemerkte, mit welchem vornehmen An stände sie sich zu bewegen wußte? Wenn Willborn sie so sehen könnte! Seine Verwandte die Ballgesellschaft l E fluthete ihr heiß zum Herzen. Sollte sie in lknc Gesellschaft gehen ? Warum nicht ? Wer hätte sagen können, daß sie da Alles noch vor wenigen Minute nicht besessen ? Das Kleid konnte nicht besser sitzen. Wie ar e nur ohne ihr Dazuthun zu stände gekommen 7 Das Kleid hätte e ihr erzählen können. Aus Verabredung mit einem der ersten Konfektionäre hatte Willborn sie zu einer vorher bestimmten Zeit an dessen chau senster geführt. Jener hatte sie unbe, merkt beobachtet und fein Augenmaß hatte ihn nicht getäuscht. So war das tadellos sitzende Kleid zu Stande gekom men. Der neue, nie gekannte Glanz verwirrte ihre Sinne, er erhitzte ihre Phantasie. Sie fühlte sich berufen, eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen, in jener großen Welt, in die sie bisher nur ab und zu einen bewundernden Blick ge, warfen. Wen eS sich um einen Auftrag von vornehmen Kundinnen handelte, hatte man das hübsche und geweckte Madchen, da sich allerseits Sympathien erwarb. gern mit einem Gange zu jenen betraut. So weit und weiter nicht reichten ihre Kenntnisse von jener großen Welt, an deren Schwell sie jetzt zögernd stand. Ach, nur einmal wollte sie dieses ärmliche Zimmer, nur auf wenige Stunden mit den Salons der Vornehme vertauschen, um sich als Dame zu fühlen. Sie glaubte an Willborn'S Betheuerungen, an feinen oft bewiesenen ritterlichen An stand, an feinen Schutz, ja, an die Mög lichkeit, di Gattin des zukünftigen Millionärs zu werden. Des armen Bernhard'S Bild verschwand au diesem reichen Rahmen. Er hatte darin keinen Platz. Noch ein letztes stürmisches Herz, klopfen, ein letztes matteS Ringen mit der widerstrebende Pflicht, dann warf sie ihren Mantel um und setzte die am Spiegel entzündet Lampe aus den Trsch, um sie auszulöschen und zu gehen! In diesem Augenblick fiel ihr der verkehrt aufliegende Brief in die Augen, Haftig griff sie danach; ohne auf die Adresse zu sehen, riß sie ihn auf. Sie las. Eine tödtliche Blässe überzog ihr Ge- ficht. Ein jäher Aufschrei! Gebrochen sank sie aus den Stuhl. Der Brief war von Willvorn, aber nicht an sie. A einen vornehmen nd gleich leichtlebigen Freund in Westen war kr gerichtet, bei dem Willborn sich wegen feines heutigen Ausbleibens ent chuldigte. Wie und womit! m war die Sprache des gewissenlosen Welt, mannes, in dessen Augen sie nur ein Spielzeug war, nichts wehr, der ne verlachte. Der Dienstmann hatte rn der Hast, wegzukommen, die beiden Briefe vertauscht. Thränen stürzten aus ihren Augen. Sie dankte Gott, daß er ihr den Weg auS diesen Irrungen ge. wiesen. In weniger als fünf Minuten stand sie wieder in ihrem schmucklosen Geschäfts kleid da, war alles so eingepackt, wie eS gewesen. Und mehr Zeit blieb ihr auch nicht, um Willborn zu empfangen, welcher seinem Freunde geschrieben, baß er die kleine Handschuhmacherin .avyoien und selbst zur Borinska" sühren werde, welche die Rolle seiner .Tante" zu spie, len bestimmt sei. Diese Andeutungen dürsten cuSrei chen, um den Willborn bereiteten Em, xsang zu charakteriflre. Er genug, um ihn und sein Geschenke sür immer von EmmyS Schwelle zu bannen, uver welche auch da heutige wanderte mit hm! Herr Müller war sehr erstaunt, an diesem Abend Emmy vor seiner Fabrik und seiner harrend zu finden. .Frau Werkmeisterin' zu heißen, genügte jetzt ihrem tief gedemüihigten Stolze. In vierzehn Tagen waren fie ein Paar. Nähnadeln oder kalte Um schlage. Nach einer wahren Begebenheit. E war im Sommer 183. Bei dem einladende Wetter und bei den stieb lichtn Au sichten de politischen Hori zonte führten der Fürst und die Fürstin von X. den seit Jahre gehegte Wunsch au, dem großherzogllchen Hose von dem die Fürstin entstammte, einen Be such abzustatten. Mittelst eine Erica. zuge, in welchem der fürstliche Salon, wagen eingestellt war, trat da hohe Paar mit seiner Begleitung und Bedienung die eise an. Nach mehrstündiger Fahrt wurde auf der letzten Station Z., der großherzog licheu Residenz, ine längere Rast ge, macht, die seitens der mitreisenden Herren dazu benutzt worden, den Reiseanzug mit der Galauniform zu vertauschen. Der Wirth der BahnhofSreftauration hatte zu diesem Zwecke em Prtoatztmmer zur Ver, fügung gestellt. Der Reisemarschall, Oberst von Bom, sendorf, zwängte feinen Unterkörper, dessen stattliche Fülle den Spaßvögel de Hofe schon zu manchen Lcherzreden Anlaß gegeben hatte, in ein Paar weiße, goldgestreifte Beinkleider, wa ihm um so schwerer wurde, al Mode und Eitel keit zusammen ihn bestimmten, dies Klei dungSftück so eng anliegend al möglich zu tragen. Nur mit großer Mühe und vielem Zeitaufwand beendigte er feine Toilette. AIS r, in de prall anliegenden Bein, kleidera nur mit Borftcht auSfchrettend, wieder aus dem Perron erschien, waren seine Gefährten, der Flügeladjutant, Rittmeister von Walken, und der Kabi, netSsekretär Dr. Ellern, mit denen er ein Eoupee theilte, schon längst wieder eingestiegen, auch im Salonwagen war man der Abfahrt gewärtig. Mit Schrecken bemerkte der Oberst, daß ma aus ihn warte. Um nicht noch länger ufzu halten, verzichtete er darauf, das vor hin benutzte, augenblicklich ziemlich weit von ihm entfernte Eoupee, in welchem die beiden anderen Herren faßen, wieder aufzusuchen. Eilig stieg er in den zufällig leeren Wagen, der ihm zu, nächst war, und sofort setzte sich der Zug in Bewegung. Oberst von Bomsendorf hatte, wie er mit Entsetzen bemerkte, das Einsteigen nicht ohn Unfall bewerkstelligt. In dem Augenblick nämlich, wo er seinen Fuß in das Eoupee gesetzt hatte, war sein Bein, kleid, unfähig, die so veranlaßte und bei der kräftigen Konstitution des Obersten sehr beträchtliche Spannung zu ertragen, hinten an einer höchst prekären stelle geplatzt. Zugleich war der Oberst, als er sich aus das verraiherische Krachen der Hosennähte unwillkürlich umwendete, mit dem Kopf gegen die obere Kante des für seine stattliche Gestalt viel zu niedri gen ThüreingangS gestoßen. Der toß war so erheblich und die Kante so scharf, daß die Stirn deö Oberste anfing, ein wenig zu bluten. Er merkte jedoch von diesem Bluten nichts. Zwar hatte er den Stoß gegen die Stirn schmerzlich empfunden, aber seine Gedanken und seine Aufmerksam, keit waren durch das seinen Beinkleidern widerfahrene Ungemach allem in Anspruch genommen. Was sollte er thun? Eine hilfreiche Hand, die mit einer Nähnadel den Schaden wenigstens oberflächlich hätte reparrcen können, war nicht da. sollte er nach der Ankunft, annatt aus- zusteigen, sich im Wagen versteckt halten? Unmöglich. Die grofzyerzogtiche Ja milie von B, namentlich die Groß, Herzogin, die, wie Bomsendorf wußte, mit ihrer Familie die Fürstin von k,. ihre Schwägerin, bei der Ankunft in der Residenz aus dem Bahnhof erwartete, kannte ihn seit Jahren und hielt große Stücke auf ihn; die hohe Dame pflegte bei solchen Gelegenheiten nach ihm zu ragen und ihn durch eine freundliche An, rede auszuzeichnen. Dem Obersten schwindelte eö vor den Augen. Jetzt hielt der Zug; man war am Ziele. Der Oberst, nur an die schwache Hoff, nung sich uammerno, oa seine oretken Rockschoße den Schaden vorläufig einiger maßen verdecke würden, verließ Pflicht. mäßig sofort nach dem Anhalten des Zu, ges den Wagen, den Heim in der Hand; vielleicht traf es sich, daß man ihn dies, mal vergaß oder übersah, wen er sich, während die Fürstlichkeiten sich begrüßten, möglichst im Hintergrunde hielt. Der au end " nunerie ver Ritt meister von Waiden, der nicht weit hinter dem Fürsten neben dem Dr. Ellern stand, diesem zu, ,wa hangt denn dem Ober- sten da hinten heraus i seyen sie, wie langsam er vorwärts schreitet!' .Er wird fem Wchnupsluq aus der Tasche verlieren,' sagte Dr. Ellern. Doktor, sie find rurz,ichlig, suyr Waiden, da Auge auf den Anzug des Obersten gerichtet, fort. .Da Weiße hinten ist zu groß für ein Taschentuch.' Plötzlich trat die anmuthige Groß Herzogin von P., die inzwischen ihre dem Salonwagen entgiegenen Vkrwaudtkn begrüßt hatte, auS der Gruppe, welche die Fürstlichkeiten um fie bildeten, her- No. 23. au, ging grüßend an dem Rittmeister und dem Doktor vorüber ad schritt aus vea ubcruen zu. ,AH, mein Herr von Bomsendorf, wie geht e Ihnen?' sagte sie, indem fie dem Oberste die Hand entgegen streckte. .Meinen ehrfurchtsvollste Dank, kö nigliche Hoheit,' erwiderte der Oberst, indem er die Hand der Fürst! küßt. .Ich....' ,Ah, ich sehe,' unterbrach fte ihn, indem sie die noch etwas blutende Schramme an feiner Stirn bemerkte, .Sie habe Malheur gehabt. Wie hat denn da komme können?' Der Oberst, der nicht ahnte, daß der Stoß eine blutige Spur auf feiner Stirn hinterlassen hatte, glaubte nicht ander, al daß die Großherzogin trotz seine vorsichtigen Drehen und Wenden den seiner Rückseite widerfahrene Unfall bereit entdeckt habe und ihn deshalb be dauere. .Königlich Hoheit,' stammelte er, .beim Einsteige i de Waggon war ich leider so ungeschickt.... .Run, mein guter Bomsendorf, da ist bald geheilt,' tröstete die Großher. zogin. .Machen Sie nur einige kalte Umschläge.' .Ich bekenn, königliche Hoheit, 'sagte der Oberst, sich in seiner Verlegenheit nur mit Mühe fassend und doch nicht Höf ling genug, um seine Vernunft unter den obwaltenden Umständen ganz gefangen zu geben, .ich bekenne, daß ich für den Augenblick nicht absehe, welchen Nutzen kalte Umschläg in dirsem mißlichen Falle habkn könnten.' ,O. das Wasser zieht zusammen.' ant. ortete die schön Großherzogin freund, lich und mild; .außerdem kühlt und er, frischt S, und damit ist schon viel ge wonnen. Wie gesagt, mit ein paar kal ten Umschlägen ist der Schaden schnell kurirt. Nun Adieu, mein lieber Oberst. wir sprechen uns noch. Auf Wieder sehen!' Damit verlieh die Großherzogin den Obersten, den der beharrliche Vorschlag der hohen Dame, seinen Schaden durch zusammenziehendes, kühlende und er, frischende Wasser zu bekämpfen, an de Rand geistigen Bankerottes gebracht halte. Waiden hatte unterdessen, die Lage schnell überschauend, dem Doktor einen Wink gegeben. Beide nahmen den Ober sten, einen halben Schritt hinter ihm zurückbleibend, in die Mitte, und durch diese Flankiruog gelang es ihnen, den Aermften vor indiskreten Blicken zu schützen, bis er in einem Toiletten-Zim, mer des Bahnhofs Gelegenheit fand, seine Bemrtetder so wett ausbessern zu lassen, daß er einen der Wagen besteigen konnte, welche das fürstliche Gefolge nach dem großherzoglichen Schlosse brachten. Niemand weiter hatte von dem Unfall des Obersten etwas bemerkt, auSaenom- men der Fürst, dessen scharfem Auge so leicht nichts entging und der seine Beob achtungen durch Nachfragen z ergänzen wußte. So blieb Las Abenteuer des Herrn von Bomsendorf und das kleine MißverftSndniß zwischen ihm und der Grokherzogin am Hofe nicht verborgen. Als nach acht Tagen das Fürflenoaar mit feinem Gefolge die Rückreise antrat und der Oberst neben den übrigeu Her. ren bereits im Eoupe saß, trat die Groß Herzogin an die noch offen stehende Thür desselben, überreichte dem Obersten em prächtiges silbernes Reisenecessaire und sagte mit verbindlichem Lächeln: .Reh men Sie, Herr von Bomsendorf, Sie finden auch Nähnadeln und Zwirn darin für kleine Reifeunfälle, die mit kalten Umschlägen am Ende doch nicht zu kuri, ren find.' BöseS Nbenteuer. Die Zerstreutheit des bekannten spa, nischen GeneralkapitänS Martine; Cam, pos, des Opfers des jüngsten Bomben, attentats, ist im Lande sprichwörtlich ge, worden. Vor einigen Monaten ist ihm wieder etwas ganz besonderes begegnet. Er hatte den Abend im Klub zugebracht und war. zu vorgerückter Abendstunde, auf dem Wege nach Haufe begriffen. In Ctoilkleidung, wegen der Nachtfrische in einen großen Mantel gehüllt, ging er zu Fuß und ohne jede Begleitung, wie er dieS öfter zu thun pflegt. Plötzlich, al er um eine Straßenecke einbiegen wollte, prallte er etwas unsanft gegen einen aus entgegengesetzter Richtung herkommenden Mann, der einige Worte der Entschul digung stammelte und dann seinen Weg fortsetzte. In demselben Augenblick machte der General die Wahrnehmung, das ihm seine goldene Uhr fehlte. Der Dieb konnte nur der sich entfernende Passant sein! Rasch entschlossen eilte ihm der General nach, erreichte ihm im Handumdrehen, ergriff ihn mit, starker Faust an der Gurgel und rief mit fürch terlicher Stimme: .Schurke! die Uhr heraus, oder ich erdrossele Dich!' Der Andere, knieschlotternd und schreckenS bleich, ließ sich das nicht zweimal sagen und überreichte dem General eine gol dene Uhr, die dieser ruhig einsteckte, worauf er raschen Schrittes seine Woh- nung aufsucht. Wer aber beschreibt die Verblüffung und die Verlegenheit Eam poS, al er, zu Hause angekommen, seine Uhr auf einem Schreibtische vorfand, w, er selbst vor dem Ausgehen st iederge legt hatte! General Martine; Eampo, die angesehenste Person dc spanische Reich, war au Zerstreutheit zu Straßeuriuber geworden! Man begreift di Scham, die ihn bei diesem Gedanke überkam. Tag darauf wollte er iae Anzeige i di Blätter Barcelona etn rücken lassen, um den Beraubte zu er Mitteln und sich bei ihm unter Zurück erstattung der Uhr entsprechend zu nt schuldige. Seine Freunde aber, brat er betrübten Herzen die heikle Ange legenheit nterbreitete, riethen ih, die ganze Sache so geheim al möglich zu hallen, um der Lächerlichkeit nicht zu Opfer z falle. Der von Gewissen, bisse geplagte unfreiwillige Straßen räubex hat aber jetzt eine Geheimpoli zisteu mit der Sendung betraut, de Eigenthümer der gräßliche Uhr findig zu mache. Dos Zische i Thetex. Anläßlich de wieder in Erinnerung gebrachten Erlasse der kaiserlichrusft. schen TheaterDirektioa in St. Peter, bürg, daß da Zischen im Theater un, tersagt sei, ag hier in Vorgang erzählt sein, elcher sich Anfang der achtziger Jahre in einem Kunsttempel der Rewa. stadt, und zwar im .Alerandra-Theater' abspielte. E wurde damals ein Schau spiel gegeben, in dem mehrere Darfteller betrunken auf der Bühne zu erscheine hatte, wa einen geradezu widerwirli gen Anblick bot. AI nach dem erste Akte der Borhang fiel, klatschte der Pi. bel laut Beifall. Im zweite Akt wir, melte die Szene abermals von Betrunke nen. Ab da besser Publikum schämt sich der skandalösen Vorgänge und begann sein Mißfallen durch Zischen zu bekun den. Besonder laut that die in ältk rer Herr, bei dicht neben dem diensthaben, ben Polizei-Offizier faß. Der Offizier firirte den Herrn scharf, und al der Vorhang flch bann zum weiten Mal senkte, erhob er fich und sagte: ,Wa fällt Ihnen ein, hier solch ein Aergerniß u verursachen!' .Aergerniß?' erwidert der Angeredete. .Wollen Sie mir viel. leicht sagen, wen ich geärgert habe ?' .Da Publikum', antwortete der Offi. zier. .Haben Sie nicht bemerkt, wie Alle Beifall klatschten, mährend Si zischten? Wenn Sie sich nicht ruh! ver halten, werde ich Sie nach der Wach bringen. ' Der Wortwechsel der Beide wurde von den Nebensihenden gehört und von Mund zu Mund weiter erzählt, und al der dritte Akt begonnen und sich dr erste Betrunkene wieder auf der Bühne zeigte, erhob sich im ganzen Theater, vom Parquctt bis zum letzten Platz de OlympS, ein nicht enden wollende ZI seyen, nur der zur Rede gestellte alte Herr klatschte. Der Polizei-Ofsizier saß mit hochrothem Kopfe starr auf seinem Platze; kaum jedoch war der Akt zu Ende, so erhob er fich, um hinauszugehen. Aber auch sein Nachbar stand nun auf und rief, so laut er konnte: .Sie, ich beschwere mich ! Das Publikum hat gezischt! Wol, ' len Sie die Güte haben, es nach der Wache zu führen!' Unter stürmische Gelächter verließ der Offizier da Theater. , Moderne Wunder. Ein interessante Geschenk erhielt die Königin von England bei der Beftchti, gung einer Nähnadelfabrik in Birming ham von dem Besitzer derselbe. E war eine Stopfnadel. Da man aber beim Stopfen auch eine Scheere gebrau chen kann, so war auch diese mit dabei. Di Stopfnadel diente nämlich al Etui für die Scheere , welche vollkom men scharf geschlissen und gebrauch fähig war. So berichtet die Zeitschrift .Dampf'. Dnsselbe Blatt weiß noch von einem anderen Wundermerk der Nähnadelfabrikation zu erzählen. Im Krystall-Palast, jenem großartigen AuS, stellungSgebSude Londons, war vor ini ger Zeit eine Nähnadel in einem mit ro them Atlas ausgefchlagenen Kästchen ausgestellt. Sie wurde von einem Herr wie ein Werthgegenflavd ängstlich be wacht, was natürlich zuerst den Spott der Ausftellungsbesucher hervorrief. Hatte sich jedoch eine Anzahl Menschen vor feinem Stande angesammelt, so erklärte er das Geheimniß feiner un fcheinlichea Nadel. Mit feierlicher Miene wurde diese dem Behälter entnom men, der Besitzer schraubte den oberen Theil ab, zog eine zweite Nadel auS der Süßeren Hülle und ließ diese, wie die Theile der ersten Nadel, von den Anme, senden prüfen. Hatte fich der Bemunde, rungsfturm gelegt und war die zweite Nadel in die Hände deS Aussteller zu rückgelangt, so wurde auch diese auSein ander geschraubt und ihr unter allgemei nem Erstaunen eine dritte Nadel von der Starke emes Haares entnommen. Solch' ausgesuchte Feinarbciten bedingen natür licherweise auch Instrumente, welche sich nur nach jahrelanger Uebung handhaben lassen. Si fetter Bissen. Nach der Eroberung MerikoS sandte Cortez an Kaiser Karl V. daß demselben zukommende Fünftel der Beute, darunter eine auS Silber gegossene Feldschlange, genannt der Vogel Phönix. Da Schiff aber, da diese kostbare Ladung trug, fiel in die Hände eine? französische. Kaper und sie kam anstatt in den Besitz des Kaisers in den seine Feinde Franz I., der sich darüber nicht wenig freute. Roß".bek. Herr (im Restaurant): .Kellner, die Beefsteak kommt mir so bekannt vor sollte ich vielleicht schon einmal damit gefahren sein?!'