Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 19, 1893, Image 9

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ZNeine einzige Se?geschichte.
ein Uz'üZ Glück brachte. Von B. S,
Ei schwere Gewitter entlud sich
2b der nördlichsten Stadt Ostpreußen
5 mir von so anhaltenden Regengüsse
begleitet, daß die Straßen überlchwemmt
und die Weg außerhalb der Stadt un
asstriar eemorden waren.
I da kleine IhurmmZrtnhZuSchfN
am Leuchtlhurm hatte sich eine Gesell
schuft junger Leute, die die Absicht gehabt
hatten, den arme Abend zu einem
va,iergange durch den Wald zu le
nutzen, geflüchtet. Aa in Heimkehren
war bei dieser Finsterniß und bei diesem
Regen nicht zu denken. Mfzhald ras
bei sich Alle in ihr Schickssl und frag
ten den diensthabenden ThurmsZrter, ob
er sie wohl die Nicht hindurch beherber
en und lh,:en ab und zu em Glas neu
n
Grog geben könnte. Nachdem sie
aus diese ffrage eine befriedigende Ant
oort erhalten hatten, suchten sie sich die
Zeit damit zu vertreiben, daß sie einander
Witze und Anekdoten zahlten, aus
denen freilich mehr Galgenhumor als
chtn Humor herosrklang. .annNie
mang von Euch eine Seegeschichte zum
Beste geben?' fragte einer der Gesell
schaft. Sie würd in unserer Lage die
geeignetste Unterhaltung fein. Hort man
die See dsch augenblicklich lauter losen,
als den prasieinden Stegen.' ju llge
meinem Bedauern war Niemand im
Stande, den Wunsch deS Frager zu er
sullen.
Gleichzeitig mit den jungen Leuten
war ein hochzemaüsener, kcöstiger Mann
mu hellblondem Bolldarte in das im
mer, dessen niedrige Decke er fast mit dem
Kopfe berührte, getreten. Er hatte sich
abseits an einen kleinen Tisch gesetzt und
schweigend ein Glas Grog getrunken
Als er auS dem kleinen Kreise seiner
Schicksalsgefährten da! Verlangen nach
einer Seegeschichte laut werden horte,
überflog ein Lachein sein schönes, mann
licheS Gesicht. .Wenn es den Herren
recht ist, will ich Ihnen eine Seegeschicht
erzählen sagte er, die einzig aus
meiner Erfahrung, die deS Erzählens
werth ist. Mit ftchtltcher Freude wur
den feine Worte begrüßt. Man bat den
Fremden er war offenbar in Frem,
der; in einer kleinen Stadt kennen die
Einheimischen einander seinen Platz zu
verlassen und sich den Junglingen, die
all .den besser Ständen anzugehören
schienen, zu gesellen. Ec gehorchte der
Aufforderung, und nachdem der Thurm
wart die Gläser aus'S Neue gefüllt hatte,
begann der Fremde:
.Man pflegt zu sagen, daß sich die
Seegeschichten von den Jagd, und Kriegs
enSblunaen nur dadurch unterseiden.
daß diese rloqe und jene nicht wahr
sind. Auch soll man Landbewohnern
keine wahren Seegeschlchten erzählen,
denn nur die erlogenen sind ihnen in
teressant. Trotzdem will ich Ihnen,
meine erren, eine eeae chichte zum
Besten geben, an der Alles wahr ist und.
die Ihnen vielleicht doch aumalta ein
wenig Interesse abnöthigt.
.Im Winter 1832 kreuzte die Merne
ler Barke Marie, mit Holz beladen, bei
Äcndweftfturm im Kattegat nordwärts
auf. Das Feuer von Marstrand, der
Bademsel von Gothendurg Karl X.
errichtete daselbst ine Granitfeste als
in Gibraltar gegen Norwegen, die noch
jetzt ficht und aus ihren Bastionen das
Leuchtfeuer trögt war eben aus Sicht
gegangen, er schwere Seegang au
dem Skagerack stellte sich ein. Das
Schiff stampfte keuchend in die See und
lag sehr nahe Lee geneigt. Es war
Nachts um zwölf. Die Wache an Deck
wurde abgelöst und dann sollte mit .alle
Mann' dag Fock und Großsegel gerefft
werden. Bte ee schlug spritzend von
Luvert über die Decklast; der Schnee
zagte über das Schiff und fetzte stch über,
oll fest, jede Stelle an Deck und in der
Takelage glatt und schlüpfrig für Haud
und Fuiz machend. iDoa) der Ostsee
mann ist an dergleichen eroöhnt. VLx
gelenkiger zu sein, wirft er das Oclzeug
as, unv in wenigen Minuten ist 0.18 von
der Nässe schwere Großsegel gerifft. Die
Refftalgen sind ausgerollt und wie Katzen
klettern Matrosen und Jungen ach oben,
um oas egci auszurenen, c. h. ,nn
Theil an die Raa zu binden, um S zu
verkleinern, chon schien dem Steuer,
mann, der unten das nöthige Tauwerk
klar legte, die Arbeit beendet, als öden
in Schrei erscholl, dann jeneö Rascheln
und Reiben sich höre lieg, das ein an
Tauverk und Ketten entlang gleitender
schmerer Körper oerurjacht. Hieraus
gab S inen dumpfe Fall. Auf dem
weißen Schnee, zwischen der Stapeldank
und der Wmde, lag der fixeste der siren
Schiffsjunge en Bord. Er war aus
geglitten und von oben herabgefallen.
Wenige Minuten später lag der Junge
halb entkleidet auf einer Matratze in der
Kajüte. Langsam kehrte ihm die Bestn
r.llng zurück, zur großen Erleichterung
de Kapitäns und teS Steuermanns, die
sich bemühten, ihm das Blut vom Gesicht
zu waschen und die Glieder des Knaben
auf Knochenbrüche zu untersuchen. Ei
stellte sich heraus, daß außer einigen
Wunde am Kopfe und einer am Unter
ktefer, die nicht gefährlich schienen
der linke Unterarm und der rechte Ober
Ichenkkl gebrochen waren. Der Kapitän
erschloß, den Jungen, wenn irgend mög
sich, zu landen, nachdem man ihn, so gut
eS sich machen ließ, verbunden hatte.
.Der Wind ging bis zum Morgen
westlich, und man erreichte gegen Abend
Uklixoona und inen Lootsenkutter von
Arendal, der den Jungen an Bord ahm,
um ihn am aikdern Morgen in'S Hospital
zu liefern. Schmer wurde dem Knaben
der Abschied vom Schiffe, und schnür den
Schiffsleuten der Abschied von ihm,
Jcder wollte dem armen Jungen noch
etwas Liebe thun. Mancherlei Trosts
orte und gute Wäsche werden ihm von
Der Sonntagsgast
Jahrgang 14.
allen Seiten mitgegeben, die zwar rauh
klangen denn rauh ist der Seemann
nun einmal! aber doch von herzlicher
Tbelioabme zeigte. .Dies Brief in
sofort an den Lootfenkommandeur abzu
geben , sagte de? Kapitän zum Ober
loo!sen. .Und nun farewell, mein
Junge! Halt Dich brav! Es wird Alle
wieder gut. Setzt ab den Kutter los
die Trese, braß hinten voll! Auf daS
Ruder!' erscholl daS Kommando. Lang
sam buqte di ,Mi' an dn Wind,
während der Kutter vor dem Winde, den
wogenumschaumtcn Klippe von Utclt,
poona zuschoß.
Zwei Stunden später landeten die
Lootse bei Marro, der oaljen tation
von Arendal. Als der OSerlootse dem
Lootsenkommandeur den Brief übergab
mit seinem mündlichen Brnchte dazu von
dem zerschlagenen Schiffsjungen deS
Memeler Schiffes Marie, der im Kutter
liege, um nach Arendal in'S Hospital
gebracht zu werden und in so blaNer,
geduldiger Junge sei, da sah die Frau
deS Lootsenromminoeurs ihren Gatten
mit inem sprechenden Blicke an. Sie
hatte ihren einigen Sohn zur Se oer
loten und dieser Schmerz würd bei jedem
Anlaß aus' Neue in ihr lebendig. Der
Kommandeur verstand den Blick, der aus
dem Herzen kam. .Nun, so sieh selber
zu,' sagte er, reicht sein Frau vie
Hand und schritt mit ihr über die Planke,
welche den Kutter mit dem Land ver
band. Die Dämmerung war herein
gebrochen. Auf dem Decke stehend,
beugten Beide sich über die Luke und
sahen in die klein Kajüte hinab, in der
mit Decken, Kissen uns Kltidersscke
festgestaut, der Kranke lag. Di kleine
Lamp erleuchtet den Raum genügend,
um da blasse Gesicht sehen zu lassen,
das ergreifend von seiner rauhen Umge
bung abstach. .Wie heißest Du, armes
Kind?' fragt di Frau in gebrochenem
Deutsch, ,mo wohnen Deine Eltern?'
Seine Augen, die sich bei ihren freund
lichen Worten erhellt hatten, füllten sich
mit Thränen. .Beide lange todt.' Ja,
sie waren vor langen Jahren gestorben,
als r noch ganz klein war, und dieses
waren die ersten Thränen, die r sich be
wußt war, um sein Eltern zu weinen.
Seine körperliche Hilflosigkeit ließ ihn
plötzlich sein Waisenthum schwer fühlen.
AUly 015 ugrn kr njamz luuini jcuii
W Y i. ' . M . c T , , C..X1
geworden. Si drück! tzres Mannes
ngnd und (haute ihm bittend tn'S'Se tchk.
.Ich habe ja den Brief des Kapitän der
.Marie' noch nicht gelesen.' sagte er
ausweichend und wandt sich an einin
Loolsen. .Halten Sie die Lampe yochl"
Be ihrem Schein begann er, vas
Schreiben zu lesen, um sich gleich nach
den ersten Worten zu unterbrechen.
.Wie? Du heißest Robert Krüger?'
rief er in ziemlich gutem Deutsch dem
Kranken zu. .Ja." .Vein ater yle
Friedrich Bernhard Krüger und fuhr die
Selma?' .Ja.' Deine Mutter war
eine geboren Wendn?' .Ja.' .Und
Rdeder Wender in Memel i,t ein On-
kel?' .I,.' .Maarlille,' sagte der
Kommandeur gerührt zu seiner Frau,
welch' ein seltener Zu all! Der Junge
ist auf See geboren ich war mit dem
Bater befreundet und habe i Cipftadt
bei diesem Schlingel Pathe gestanden.'
sie legte ihren Arm ,n den rzres hatten.
.Nicht wahr.' flüsterte sie. .wir lassen
ihn nicht in'S Hospital ziehe, wir be
halten ihn bei unS und pflegen ihn, bis
er gesund ist?' Er uickte ihr freundlich
zu und sagte dann, stch dem Lootsen zu,
wendend: .Nach Arendal braucht Ihr
nicht heraus zu fahren. Dagegen sollen
vier Mann in meiner Zoll zu Dr. Lasten
hin: er möcht sofort mit Verbandszeug
kommen. Schildert ihm, was dem
Jungen fehlt.' Aber macht schnell!
Mein Junge ' letzt richtete an Roort
das Wort, .Du bleibst bei uns in Pflege.
Dein Vater war mein guter Freund.
Ich bin Dein Path. Leute, hebt den
Zungen auf Deck, aber vorsichtig! So,
jetzt legt ihn der Länge nach in die Decke
und tragt ihn in einer angemalt in
mein Comptoir. Schafft sein Sachen
auch dorthin!'
Mittlerweile hatte di Frau Komman-
deur in einem, an daS Comptoir ihres
Gatten grenzenden klein Zimmer m
Bett aufstelle und Herrichten lassen. Di
Thür zum Comptoir standen offen, da
mit dessen Wärme in den kleinen daran
stoßenden Raum hinüber zöge. Absicht
ltch war di immer IS Autenlhalt für
den Kranken von der Dame gewählt wor
den; das Comptoir wurde Tag und Nacht
geheizt, auch befand sich beständig in
Wache daselbst. Die Wohnräume der
Familie deS Kommandeurs grenzten an
dieses Zimmer. Bald nachdem die Loot
sen den Knaben auf ihren großen Händen
heu in gebracht, ihn dann entkleidet und
aus s Bett gelegt hatten, seilten ver
Arzt. Er stellte fest, daß in der That
der linke Unterschenkel und der rechte
Oberarm gebrochen waren. Die kleineren
Kopfwunden halten nicht auf sich. Die
schienen wurden vorgenommen; Noverl
itg Alles, was der Arzt sur nothmendig
hielt, an sich vollziehen. Rben dem
Bett saß die ffrau Kommandeur. Ein
kleiner, chijähriger Lockiinkopf, ihr in
zg?s Möchte lein, schrnugte ;sp an ne uns
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
sah mit mitleidsvollen Augen auf den
.neuen Bruder,' wie di Mutter ihn be
zeichnet hatte. .Nun wollen wir ihn
allein lassen, liebes Kind,' sagte die
Letztere, .Lars kann Acht auf ihn geben
und melden, wen er twaS unche
sollte. Morgen früh versuche, ob Du
mit ihm sprechen und ihm in gut,
freundliche, kleine Schwester sem kannst
Der arm Jung hat weder Eltern noch
Geschwister und wird 3 bis 4 Monate
krank fein. Als der Kommandeur sp!
ter mit seiner Familie fein Abendbrod ein,
nahm, erzählte er feiner Gattin AlleS,
was er über Roberts Vater wußt. Di
Sttfreundfchaft, die auf gegenseitiges
Wohlgesallen schnell im Ausland ge
schlössen wird, hatte beide miteinander
verbunden und bis zum Tode KcügerS
nicht aufgehört. Der Kommandeur war
in früheren Jahre häufig als Kapitän
nach Memel gekommen und zu den Ver
wanSteu feines Freundes in nähere Be,
ziehungen getreten; ost hatte r ihre Gast
freundschaft genossen. Seeleute schließen
rasch Freundschast; sind st ja doch nur
kurz Zeit beisammen. Warum sich da
durch Sttishett das Leben erschweren? Je
schneller man sich nah tritt, desto mehr
hat man von einander, und da man stch
bald wieder trennt, so ist die Gefahr nicht
qro, da ein gewii plump Vertrau
lichkeit zum Freibrief für Grobheiten
ausarten konnte. Dazu kommt, daß fie
oft einander lange per Renommee kennen
und einsam in der Fremde als Fremde
auf einander angewiesen sind. Lieft man
dann später in den Schiffsberichten:
.Schm so und so, Kapitän so und so ver
schollen' oder dergleichen, so macht man
m seinem Seeherzen ein Kreuz und damit
hat die Freundschaft ihr Ende gesunden,
.Roberts langes Krankenlager war
durch die liebevollst Pflege der Frau
Kommandeur und durch die zerstreuende
Gesellschaft der kleinen Jngeborg er
leichtert und verschönert. Das Kind
lehrte den kranken Bruder norwegisch
lesen und schreiben, und sah es, daß er
große Schmerzen hatte, so küßte eS ihn
unter thränen und sprach ihm n 1 zu.
Bald hatten beide stch so aneinander ge
wöhnt, als hätten sie stets zusammen ge
hört. Nachdem der Knabe genesen war
und in einem schonen skandinavischen
Sommer seine volle Kraft m:edergesion
nen hatte, so raß r sich wieder auf die
See hinauswagen konnte, war de? Ab
schied sowohl von seiner, als auch von
JngeborgS Seite in sehr schmerzlicher.
Auf Seefahrten hat man nicht viel Zeit
zum Britsschreiben, namentlich nicht,
solange man einer der Jüngsten auf dem
Schiffe ist. Auch Robert konnt feiner
kleinen Freundin sein Gedenken nicht
durch Lebenszeichen beweisen. Er ver
gaß das kleine Mädchen und dessen El
lern nie; in welchem Welttheile er sich
auch befand überall dachte er mit
Dankbarkeit an die, die ihm Gutes er
wiesen hatte.
Einmal, nach Jahren, schickte er von
New York auS ein Bibel mit Dore'schen
Bildern in verkleinerten Karten an
Jngeborg. Cr bildete sich ein, jcht, mit
IS Jahren, müßte das junge Mädchen
konfirmirt erden; daher sandte r ihr
die Geschenk, izin kurzer Brief be,
gleitete es. Er enthielt die Mittheilung,
daß Robert in Hamburg das Steuer
mannerame abgelegt unv in etwa zwei
bis drei Jahren Kapitän zu sein hoffe.
Jngeborg war zur Zeit ihrer Freund
schaft mit Robert noch zu sehr Kind ge
aesen, um nach so langer Trennung dem
Jugendfreunde eine lebhaft Erinnerung
bewahrt zu haben. Vergebens suchte ste
in dem, dem Briefe beigefügten Bilde
nach einem Zuge in dem kraftvollen,
männliche Gesicht, der fie an den kra,
ren .Bruder' mahnen konnte, trotzdem
freute fie sich über das schön Geschenk
und das an den Vater gerichtete Schrei
be herzlich. Die jungen Mädchen an
de Küsten Norwegens bleiben lange
Kind. Darum hielten der Lootsencom
mandeur und seine Frau so schwer
ihnen die Trennung von ihrer einzigen
Tochter fiel S für gerathen, die
Letztere eine Zeitlang aus dem Eltru
haus fortzugeben und fie in fremden
Verhältnissen sich seldftständig ntwickeln
zu lassen.
Der Erzähler machte ine Paus.
.Ich muß Sie um Verzeihung bitten,
meine Herren,' sagte r dann. .Eine
Skegeschtchte habe ich Ihn versprochen
zum Schluß spielt dieselbe sich aber
auf dem Lande ab. Die siebzehnjährige
Jngeborg wurde in das Haus ihres
Onkels, der norwegischer Konsul iu Me
mel war, geschickt. Das schöne Mädchen
erregte in der kleinen Stadt Aufsehen
und wurde auf Bällen und in Gesell
schaften über alle Maße gefeiert. Sie
lernte Roberts Verwandte, die in ange
sehener Stellung ia Memel lebte, ken
nen, und da fie oft Roberts Erwähnung
thun hörte, so erwacht unwillkürlich in
ihrr Brust wieder das Interesse an ihm.
Es berührte sie angenehm, zu vernehmen,
daß er zum Winter in seiner Heimath r
wartet würde, um daselbst die Kapitäns
schule zu besuchen.
.Eines Abends bemühten zwei arme
Kinder sich, einen Schlitten mit Abfall,
holzsv".nen an der Ecke der Lindenallee
den erhöhte Seitenweg hinaufzuziehen.
Vergeben; die Schlittenkufe graben
sich tief in ki Erde und snereu va se t,
so daß die Kleinen schließlich weinend
von ihrer Bemühung abstehen. Eine
Schaar junger Mädchen und junger
Männer kommt eben vom Eiskorso zurück
und bleibt plaudernd und lachend in der
Allee stehe, um stch von einander zu
verabschiede.
Man bemerkt di Noth der Kinder und
zwei Herren ersuchen alsbald, ihnen
Hilfe zu leisten. Aber auch ste sind nicht
im Stande, deu angefrorenen Schlitten
von der Stelle zu rücken. Eben geht ei
junger Mann, dessen feste Bewegungen
man auf den ersten Blick den Seemann
ansteht, vorüber. Rasch entschlösse legt
er Hand an den Schlitten, zieht ihn mit
einem kcaftoollea Ruck ia die Höhe und
will di junge Mädchen mit inem
flüchtigen Blicke streifend weiter eilen,
IS er auf norwegische Worte hört:
Den Zu erkenn' ich lobend an.
icht Fruhjofs derStarke hätt's besser gethan.'
Robert denn r war der Seemann
erwiderte lachend: .Danke, schöne
Jngeborg!' und ging seines Wege wet
ter. Nun stürmt Alle auf die junge
Norwegerin mit Fragen in, wer der
Fremd sei und woher er ihren Namen
wiss. Aber Jngeborg konnte die allae
meine Neugier nicht befriedigen; ste
kannte den jungen Mann nicht und .In
geborg' hatt cr fie genannt, weil sie ihn
.Fnihjos' angeredet hatt. Lang zedoch
währte s nicht, da begegnete fie einan
der im Hause ihre Onkel. Neun
Jahre waren seit ihrer Trennung oer
gange, aber doch war eZ beiden bei den
ersten Worten, al hätten fie fich nie aus
den Augen verloren und immer zu ein
ander gehört. Bald laS fie au feine
Blicken, wie sehr r ste likbte, und
setzt fie daher nicht zu sehr ia Erstaunen,
als er ach bestandenem Kapitäusexamen
um ihre Hand warb.
Wieder unterbrach der Ertähler fich
In feiner Geschichte und bat den Thurm,
wart, ihm zu sagen, was r für die ver
zehrten drei Gläser Grog zu bezahlen
habe. Dann erhob er sich, beglich seine
Schuld und rüstete fich trotz des noch
immer laut an di Scheiben klatschenden
Regen zum Aufbruche.
.Und wa ist aus den Beiden gewor
den?' fragte einer der jungen Leute ihn
voller Interesse. .Und ist die Geschichte
wirklich wahr?'
.Wahr von Anfang bis zu Ende
mein Wort darauf! Was aus den Bei
den geworden ist ? Ein glückliches Ehe
paar! Er lebt jetzt als Lootfenkomman
deur in einer preußischen Küstenstadt.
Fünf gesunde, liebliche Kinder schmücken
sern Haus. Momentan ist r, einer
Erbschaftsangelezenheit wegen in seiner
Vaterstadt Memel. Nun aber verzeihen
Sie, meine Herren, wen ich weitere
Fragen nicht beantworten kann. Ich
muß trotz Regen und Sturm den
Heimweg antreten. Fragen Si nur
Ihre Elrern die werden sich der Ge
schichte gar wohl erinnern Sie selber
waren zu jener Zeit wohl kaum auf der
Welt. Nochmals die Versicherung, daß
jedes Wort an der Sache wahr ist. Habe
ich ja Alles selber erlebt! Nicht wahr.
Sie haben s längst errathen, daß ich
modert Kruger. der Held metner Ge
chtchte blni Nachdem ich die Ehre ge
habt habe, mich Ihnen vorzustellen.
wünsche ich Ihnen Allen gute Nacht und
recht glückliche Heimkehr Lurch den aus,
geweichten Wald!'
Lin erster Ruß.
Ion Victor Blüthgen.
Er war KürassterLikutnant; hoch und
breit, mit inem gute blühenden Gesicht.
dem üblichen hübschen Schnurrbärlchen
aus der Oberlippe und strahlenden blauen
Augen, der Blick ausnahmsweise nichts
Schneidiges hatte. Sie in Fräulern
von So und so; in schlankes hübsches
Mädchen, halb Landblume, so gesund und
o einfach halb iDam, so vornehm
ruhig von Haltung.
Eö war gelegentlich eines Manövers.
daß si sich kennen gelernt hatten.' Er
stand am Biwakfeuer, dazu kommandirt,
gerupfte Hühner zu braten. In Wahr,
heit verstand er keinen Deut davon, that
einfach in Huhn in die Pfanne und
stellte eS über das Feuer, worauf es um
gehend verbrannte, zum Ergötzen einiger
jungen Damen, di in schicklicher Entfer
nung zusahen. Die Damen lachten, er
enSthete und schielte mit lachender Ver
legenhkit hinüber. Da war ste es. die
sich ein Herz faßt. .Erlauben Sie,
Herr Lieutenant, fo wird's nichts, geben
Sie mir, bitte, die Butter da.'
.Ach. gnädiges Fräulein wollten di
Güte haben darf ich mich vorstellen:
Mein Name ist....'
Die Bratfrage wurde glänzend zu Ende
geführt, der Lieutenant erfuhr ihre Na
men und machte andern gs Besuch auf
PapaS' Gute, ulo ein halbes Dutzend
Kameraden von der Infanterie schon iu
paar Tage wie die Gölter gelebt hUten,
Jetzt hat er Urlaub und ist wieder auf
Papas' Gute, der Jagd halber für irt
No. 22.
paar Woche geladen die Hasenjagd
:n - r. .1 - 1 l i. . ii.i T
ii gropuriig von um rr angeviici) ein
leidenschaftlicher Jäger.
Er ist in Civil da, aber das schadet
ihm nicht. Bai gnädige FrSuIeiu Ilse
geht ihm offenbar nicht auS dem Weg.
Er ist im Gegentheil überzeugt und zum
Seußersten entschlossen.... er hat da
freie Feld, keinen Nebenbuhler, ein
vielbeschäftigte, derben, aber gemütb
lichen Wirth, ine wohlwollend Tante
di Mutter fehlt, ohne von Ihm ver
migk zu werden.
Natürlich ist da gnädige ffräulein ein
zige Kind und Erbschafter, aber dieses
qavel wiederum ihr nicht.
Ein schöner, sonniger, Herbftnachmit
tag; an den Garten schlickt ein kleiner.
alter Park und unter den alten Bäumen
spazieren er und sie. Der Kaffee ist eben
eingenommen, Papa liegt halb schlafend
auf seinem Ledersopha, jeden Augenblick
m Gesahr, die Cigarre au dem Mund
zu verlieren, die Tant nickt im Lehnstuhl
Di Jugend braucht keine Nachmittag,
ruhe.
Oder doch?
. Sind Sie schläfrig.Herr Lieutenant ?'
flk o . : f f l .
r irnv iinamseie worrrarg, nnoe
ich.'
.Im Gegentheil, gnädiges Fräulein',
sagte r gezwungeu munter. .Wach' mit
allen isinnen. Ich habe mich nur einen
Augenblick aus'S Denken gelegt.'
.Warum denke Sie nicht laut?' '
ES giebt Gedanken, die etwa Heim
lichcs an stch haben. Scheuen gewisser
magen vor dem Sonnenlichts
.Zum Beispiel....? Aber ist da
nicht ein Wagen Sie horcht, der Llu
tenmt nicht. Sie stehen auf dem Kies
wcge, i spielenden Sonnenlichtern.
.Zum Beispiel: Weshalb bin ich hier?
Um zu jagen? Nein, da ist eine Lüge:
mache mir verdammt wenig au der
Jaai Pmdon I Fräulein 51(1 e
Wollen Sie wissen, warum ich hier bin?
Um Si um Si ich denke nichts
als Sie ich will nichts als Sie bin
ein unglücklicher Mensch ohne Sie. ... '
Sie tt mit Blut übergössen
lächelt, mit jenem geheimnikvollen
Lächeln, das etwa Schmerzhaftes an
fich hat fie stützt die Schirmfpitz in
den Kies und die ganze schlanke, süße
Person hebt stch....
.Ilse!'
Er breitet die Arm aus. der kleine
Kopf legt sich in den Nacken und verlangt
mit den schwellenden Lippen. . . .
Piotzlich steht er stramm wie vor der
Front, mit einem Ruck: .Ach. der Herr
Lieutenant mit Ilse. Guten Tag. Her
Lieutenant, guten Tag mesn Schatz
eine Stipsoistte, wir sind auf dem Wege
nach Kremzow, um zu sehen, ob Mutter
und Kind sich Wohlbefinden. Beeilt
Such, Mädchm!'
Eine älter Dame, zwei junge Mäd
chen vom Nachbargut. Sie haben den
Wagen am Park halten lassen und sind
auSgesticgen, um zu überraschen. Er
verbeugt stch kühl, ste hat keine Schwie,
rigkeil, blaß zu werden; die Augen suchen
nch. nur mit emem Blitz ....
sie gehen durch den Garten in 8
Haus, hölflich, mit wechselnder Laune.
Si Tante opfert den Lehnstuhl. . . . nur
Papa wird nicht gestört. Dann und
wann ein Seufzer, ein Blick, ine Be
wegung der Ungeduld: das spielt stch auf
der Gartenterrasse abwährend die beiden
älteren Damen für fich sprechen, die
jüngeren ausnehmend liebenswürdig zu
der Freundin sind und den Lieutenant
meinen.
Endlich: .Himmil Ella, Magda,
es ist höchst Zeit, da ist ja mehr als ine
Stunde herum . . . . ' Nun, e ist wahr
hastig Zeit.
Der Wage fährt' ab, man winkt
Grüße die drei kehren treppauf zurück.
Die Tante geht oorau. Der Lieutenant
hascht Ilse's Hand, neigt daS lachende,
verlangend Jestcht hinüber. . . .
' .Um Gotteswillen,' haucht S mit
einem strahlend, besorgten Seitenblick nach
der Küche unten. .Nicht hier!'
Di Tante sucht stch im Gartensalon
eine Handarbeit. Ilse ist im Zimmer
weiter gegangen, der Lieutenant ihr ach.
Sie steht inmitten der Stube, ganz rosige
Verwirrung .... noch ine Blick zurück
nach der geschlossene Thüre und er brei
tet die Arm aus
Endlich, nikiu süße Ilse, meine. . . .
Bum bum bum bum in
Gepo!tr, so rasche, unheimlich dumpf
Schläge gegen die nach dem Korridor
führende Thür, daß die tödtlich Erschreckte
leichenblaß mit einem unterdrückt Auf
schrei aus de umschlingenden Armen bis
zum Fenster hinfliegt.
Bum vum vum.... .Waitn
das?'
Er zieht die Brauen zusammen und
beißt stch auf die Lippen und geht festen
Schrittes nach der Thür; ah, ein großer
brauner Jagdhund liegt draußen in ver
zweifeltem Kampfe mit de blutgierigen
Feinden, die er am Busen nährt; seine
heftigen Bewegungen haben die Thür mit
jenem räthselhasten Bum Bum er
schüttelt, nun drängt er sich arglos in das
Zimmer. .Hier ist der Störenfried...'
lacht belustigt ein wenig gezmun,
gen der Offizier .er stört nicht
zweimal. Und jetzt fol kein Macht der
Erd....'
.Liebe Ilse, wolltest Du nicht so gut
sei, mir das Garn zu halten?' fragt
die sanft Stimm der gütige Tant
durch di knarrend Thür. Ich wollt r
um den Stuhl legen und wickeln, aber s
ist so envirrt.'
.Heiliger Antoniu vo Padual'
Der Lieutenant wirst mit einem dumpfe
Seufz die Blick noch der Stube.
decke.... .äh äh erlaubt gnädig
Fräulein, habe da oft gemacht, hab
ine bemerkenswerte Fertigkeit . . . .
Er schüttelt noch war jammervoll den
Kopf zu Ilse hinüber, alldann geht er
zur Tant, um fich da Garn um die
Arm lege u lasse. Sie bleibt zu
rück, ihr fängt die Sache an verdrießlich
zu werden; sie setzt fich, nimmt et Buch
und beginnt zu blättern, während ihre
Obre da Gespräch im Nebenzimmer zu
haschen suchen.
.Mag er sehe, wie er zu seinem Kur
kommt!'
St grollt innerlich mit ihm, al sei
r schuld an seinem ihrem Mißgeschick.
Cr wiegt drüben da Garn, redet mit
Engelsgeduld, die Tante zupft und steckt
durch, ist voll Dankbarkeit.... füuf,
zehn, fünfzehn Minuten.... üblich
geht' glatter; und jetzt: .So, nun
darf ich mich wohl nach gnädigem FrLu
lein umsehen. . . . scheint zu zürne, da
ich fie treulos verlassen.' Er geht in
da Nebenzimmer Jls ist fort. Er
klingt di Thür zum nächsten immer
auf, leiser als die vorige, denn noch ei
Zimmer weiter, da schläft Papa. . . men
er noch schläft?
AVer da ist Ilse, di Brauen zusam
mengezogeu, und winkt ab: .Papa
kommt!' und schwebt doch aus den Zeh
näher, leise, ganz leis knarrrn die Sri,
felchen.... Er überlegt nicht, ihm
brennt da Herz voll lodernder Unge,
duld. zwei Schritt vor und er hat fie t
den Armen und preßt ste fest, da kein
Entwind möglich ....
.Ein alte Weib auf der Thurmspitz
saß' natürlich, versteht fich: da ist
der dröhnend Baß vom Papa, zwei
wuchtige Fußtritte und da steht r selber
in der Thür, zunächst allerdings nur mit
dem Rücke. .Friedrich. Du sollst mir
die stinkende Hundetöl nicht in' Ha
lassen....'
Ilse windet sich och vergeblich in de
umschlingenden Armen. Auf der Stirn
des Lieutenant steht da Roth leid..
fchaftlicher Erbitterung und um de ge
preßten Mund der feste Entschluß der
Verzweiflung. Nun läßt ihr Widerstand
nach, nun schließt sie die Augen und hält
ergeben die süßen halb geöffneten Lippe
hin ... . er küßte ste er bleibt dabei
keine tausend Teufel hätten ihn jetzt von
diesen Lippen fortgezogen. '
.Donnerwetter, sagt der Amtmann,
mit großen Augen an der Gruppe auf,
und niederfahrend. .Wa zum Geier
machen Sie denn da, Herr Lieut,
ant....?
.Ich küsse, Herr Amtmann rlaub
gütigst drei Mal ist mir da Gla
vom Munde weggeschossen worden. . . .der
Mensch kann viel aushalte. . . . '
.So Wie lange treiben Sie denn da
Geschäft schon?'
.i'arole d honneur, mein hoch
ehrt Hr Amtmann war der
erste. . . .und
i gewissenhafter vrat.
Zwei Nottinghamer Spitzenfabrikan,
ten, Boviil: und Moore, führte im
Jahre 1316 vor Gericht Prozeß gegen
einander wegen angeblicher Patent
letzung. Der Fabrikant Heathcoat in
Tiverton, der fich die Uebzeugung ver
chasft hatte, da die sogenannten
.Erfindungen' beider Streitparteien nur
Abänderungen der ihm selbst patentirte
Bobbinetmaschine seien, engaairte nun
einen jungen Rechtsgelehrten, Sir John
Cowley lnachmals Lord Lyndhurft), um
eine Mfinderrecht gerichtlich darzutbun
und zu wahren.
Der genial Advokat fand beim Durch
lesen der Aktenstücke, daß er ohn Detail
cenntnisse t d Maschinerie nicht tt
oigretch platdtren könne. .Er reifte daher
nach Nottingham, wo er als Lehrling am
Bobbinktstuhl so lange recweilte. bi
im Stande war, ein Stück Bobbinet mit
eigenen Händen anzufertigen und alle
Einzelheiten der Maschine gründlich zu
verstehen. Am Terminstage ward die
Heathcoat'sche Maschine vor die Juru ge
orachk; str zoyn iüowley fetzt sich an
dcn Webftuhl und zeigte ten Geschw
renkn, indem er eigenhändig ein Stück
Zeug anfertigte, wie Boville'S und Moo
re'S Prltmstonen eigentlich nur Räch
ahmungen de Heathcoat' schm Prinzip
seien. Heathcoat gewann den Prozeß.
Auf 10,000 Pfund Stnling (20,V00
Mark) beliefen fich die Prozeßkost
Heathcoat' und auf 400 Pfund Sterling
oder 80,000 Mark jene d beiden Gegen
Parteien. Aber indem Heathcoat durch
den Ausgang dei Prozesse berechtigt
wurde, eine jährliche Rente von allen
damals im Betriebe stehenden Maschine
sein Art zu beziehen, wurde diese
enorme Kosten auf das Reichlichst wird
ingebracht, und der Klient de gewissen
hafte Advokaten starb al Millionär.
Auch in Vorstellung.
Zunger Zahnarzt (fich in Dame
auf dem Balle vorstellend) : .Mein Fräu,
lein, wir sind uns nickt so an, und.
sannt. Ich hatte erst gestern da V
gnügen, Ihrem Herrn Vater zwei Zähne
auszuziehen.'
Furchtbare Vrshong.
Hausherr (zu einem Bettler): .Machen
Sie, daß Sie fortkommen, sonst
Bettler: .Nun, sonst?'
Hausherr: .Nun, sonst kriege' einen
Brate u essen, den meine Frau selbst
zubereitet hat.'