Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 21, 1893, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der improrisirte Rutscher.
Novelle von Z. Piorkomka.
,O. ich im auß mi,! Taß da
gnade heute xassnen muß! und noch
dazu im letzten Augenblick
Vor Aerger traten ihr die Thränen in
die Augen.
.Die Sache ist sehr fatal, aber nicht
zu ändern verseht achselzuckend Frau
vonTrebnitz.
.Warum erlaubtest Bu yoma, aver
auch, heute früh nach Haus zu reisen?'
sagte Hermin ihre Schwester in
fast voraucfZvollem Tone.
.Liebe Kind, wie hätte ich ihm ver
weigern können, seine sterbende Mutier
noch einmal zu sehen! Meinst Du, em
Diener hibe nicht so gut ein Herz im
Leibe, wie unserem? Wir konnten doch
auch nicht im Vorau wissen, daß der
Kutscher Malheur haben und sich den
Fuß verrenken würde!'
.Man möchte wahrhaftig meinen, er
hätte eö absichtlich gethan,' stieß Her.
mine gereizt hervor.
Sie trat vor den Trumeaur, der von
der Decke bis znr Erde reichte, und be
trachtete mit dem Ausdruck tiefsten Be.
dauernS die schlanke Gestalt in der ele.
ganten GesellschastStoilette, die ihr in
dem Spiegel gegenüberstand.
.Wenn ich denke, wie viel Mühe die
fe Kleid mich gekostet hat!' seufzte sie,
.ich habe Nanelte bild zur Verzweiflung
damit getrieben und ganz umsonst!
kein Mensch bekommt eS nun heute Abend
zu sehen.'
.WaS nützt dieses Klagen, Hermi!'
entgegnete Frau von Trebnitz etwa är
gerlich, ich bin in demselben Lage wie Du;
aber waS hilflS? dem Unvermeid.
lichen muß man sich fügen.'
.Ich mag mich aber nicht fügen!' und
HermineS kleiner Fuß kam mit dem dicken
Smvrnateppich in nicht allzu zarte Be
rührung ich kann Dir gar nicht sagen,
wie ich mich auf diese Gesellschaft gefreut
habe! Wenn ich nur irgend einen Rath
wüßte, waS man '
Sie stockte.
Die Thüre wurde mit lebhafter Be.
wegung geöffnet, und ein schlanker,
junger Mann in hellgrauem Anzug trat
ein.
.Wie! Du, Oswald?' begrüßte Frau
von Trebnitz ihn mit frohem Erftau.
nen, .woher kommst Du? jetzt zu dieser
Stunde?'
.Direkt von zu Haus. Mit PapaS
Befinden geht es besser; da habe ich schnell
einmal der Stadt den Rücken gekehrt, zu
sehen, wie eS meinen beiden Cousinen
geht. Wie geputzt Ihr beide seid? wollt
wohl in Gesellschaft gehen?'
Frau von Trebnitz ließ sich seufzend
in einen Stuhl sinken, Hermine machte
ine ganz verzweifelte Miene.
.Mein Gott, was ist denn geschehen?'
fragte der junge Mann, jetzt wirklich
tmaS erschrocken.
.Etwa höchst AergerlicheS?' stieß
Hermine hervor.
.Vor zehn Minuten kommt die Köchin
und meldet, daß der Kutscher sich den
Fuß verrenkt hat; der Diener ist heute
früh zu seiner kranken Mutter gereift,
und wir sitzen nun da, ftr und fertig in
Toilette, und haben Niemand, der uns
fahren kann. Die Baronin Sagan hat
Ball heute Abend, Graf Balten und
feine Gemahlin werden auch da sein, ich
habe mir ein neues Kleid dazu anfertigen
lassen und kurz und gut, ich bin außer
mir!'
.Da ist Pech!' meinte Oswald mit
aufrichtigem Bedauern, .ist denn hier in
der Nahe nirgends ein Wagen aufzu
treiben?'
.Nirgends,' entgegnete Frau von
Trebnitz kop chüttelnd.
.Ach Vetter, sinn' doch auf irgend eine
Aushilfe!' bat Hermine und sah dabei
mit ihrem hübschen Gesicht flehend zu
dem jungen Manne aus.
Dieser überlegte einen Moment.
.Ich will Euch etwas sagen,' memte
er dann, während eS muthwillig in seinen
blauen Augen ausblitzte; .gebt mir des
alten Martin Handschuhe, Nock und Hut,
und ich selbst will Euch fahren.'
Hermine macht zu diesem Vorschlag
ein etwas ungläubiges Gesicht, ihre
Schwester aber sprang auf und klatschte
vergnügt in die Hände.
.Das ist ja eine herrliche Idee!' rief
sie, .Oswald, Du bist unser Retter.
Wenn Du Dich gut in die Decke wickelst,
wird Niemand Deine hellgrauen Bem,
kleider bemerken.
.Ich will hoffen, daß Niemand mich
bemerkt das ist die Hauptfache.' lautete
die Antwort.
Das wäre allndings schlimm.
meinte Frau von Trebnitz; .sei ja recht
vorflchtlg, lieber Oswald. Bedenke, wenn
man Dich erkennen würde und die ganze
Geschichte hier in die Zeitung käm
welche Blamage für uns!'
Zehn Minuten später wurde der neue
Kutscher von den Damen inspizirt. Die
Besichtigung fiel ganz befriedigend auS.
Die hellgrauen Beinkleider beeinträchtig!
ten zwar den guten Effekt ein wenig, doch
hoffte man, die Decke werde den Mangel
genügend verbergen.
.Keinesfalls darfst Du vom Bock
steigen,' schärft Frau Trebnitz ihm ein,
.und vergiß um deS Himmels willen
keinen Moment, welche Rolle Du spielst!
Vor dem rothen Hause in der Parkallee
?,alte einen Moment. Ich habe ver
prochen, Helene abzuholen. Daß Du
aber, wenn sie einsteigt, nicht etwa auS
Versehen den Hut abnimmst.'
.Zu Befehl, gnädige Frau,' erwiderte
Oswald.
Die Damen stiegen ein. der Wagen
schlag flog zu, der improvisirte Kutscher
ließ die Zügel der Pferde locker. ES war
ihm nicht mehr Zeit geblieben, zu fragen,
wer diese Helene denn fei. .Hoffentlich
eine Fremde,' dachte er.
Mit bn ?ikn ! IW fTl Jt ffcT
Nr
Jahrgang 14.
auf dem Kutscherbock, wurde ihm be
reit? etwas unbehaglich zu Muthe, und
sehnlich wünscht er, die sich selbst auf.
erleg! Aufgibt schon hinter sich zu
haben.
.Wie, wenn mich einer der anderen
Kutscher erkennt?' dachte er.
Frau von Trebnitz' Pferde waren auch
nicht nach seinem Geschmack.
.Die gehen ja so langsam und schwer
fällig, als zögen sie inen Leichenwagen
hinter sich her,' brummte er ärgerlich
vor sich hin.
Jetzt hielten sie vor dem Rothen HauS
in der Parkallee.
.Endlich! Ich fürchtete schon. Ihr
hattet mich vergessen, ries eine frische,
glockenhelle Stimme, und eine stattliche.
jugendliche Gestalt in einem eleganten
Abendmanlel gehüllt, kam schnell auf den
Wagen zugeeilt.
So schnell sie auch barin OömaldS
forschenden Blicken entschwand, waren
diesem doch weder ihre seingeschnittenen
Züge, noch der fchelmisch-muthmillige
Ausdruck ihren Augen entgangen, die
dem leichtgewellten Haar an Schwärze
nichts nachgaben.
Er versenkte sich mit seinen Gedanken
so in die pikante Erscheinung, daß er ganz
mechanisch weiter durch die hellerleuchte
ten Straßen fuhr und erst wie aus einem
Traum erwachte, als er vor dem Hause
der Baronin hielt, und die drei Damen,
die er gefahren hatt, die teppichbe.
legten Stufen hinaufstiegen, und die be
neidenSwerthen Thüren sich hinter ihnen
schlössen.
II.
Wohl nie in seinem Leben war Oswald
die Zeit so lange geworden, wie in dieser
Nacht.
.Ob sie deS TanzenS nur gar nicht
müde werden?' Seufzend dachte er an
Frau von Trebnitz' Ausdauer, wenn sie
einen Tänzer fand, der ihr zusagte, und
wie Hermine bei Hauptmann VelpigS
Unterhaltung alles Ankere vergaß.
Und diese Helene
Da wurde laut nach Frau von Treb
nitz' Wagen gerufen ; Oswald fuhr
dienstelsng vor, und wie er den ovs
wandte, siel sein bewundernder Blick auf
sie, mit welcher er sich in Gedanken be
schäftigte.
.Fahren Sie erst die junge Dame nach
Haufe und kommen Sie dann hierher zu
rück', befahl der Helene begleitende Herr
dem Kutscher und war der jungen Dame
beim Einsteigen behilflich.
Fast bedauerte Oswald, als er vor dem
Rothen Hause hielt und sein schön Un
bekannte auSstieg. Ob er sie jemals
wiedersehen würde?
Helene zog wiederholt an der Haus
klingel, erst leise, dann lauter und immer
lauter, aber umsonst, Niemand kam zu
öffnen.
Nur widerwillig verharrte Osmald
auf feinem Platze. ES drängte ihn,
und doch fürchtete er, ihr zu Hilfe zu
kommen.
Als sie aber immer und immer wieder
vergeblich an der Klingel zog und sie
endlich mit einer gewissen Unruhe den
Kopf nach ihm wandte, als gebe es ihr
einigen Trost, daß er noch dawar, folgte
er, alleS Andere vergessend, nur dem
unwissentlich bittenden Blick ihrer schönen
Augen; er sprang vom Bock und war in
der nächsten Minute an ihrer seite.
.Sie gestatten, mein gnädiges Fräu
lein', sprach er, indem er sanft ihre Fin
ger bei Seite schob und selbst heftig an
der Klmgerzog.
Dabei vergaß er so ganz an die ihm
gebotene Vorsicht, daß er plötzlich heftig
erschrak, als er Helene schöne Augen mu
halb erstauntem, halb ängstlichem Aus
druck fest auf sich gerichtet sah.
Da stand er bis zu den Knieen in der
Trebnitz'schen Kulscherlior, imUebrigen
aber mit em paar hellgraue Beinklei
dern und feinen Lackstieseln angethan, wie
Kutscher solche für gewöhnlich nicht zu
tragen pflegen! Die geborgten Hand
schuhe waren ihm auch viel zu groß und
der Hut paßte sicher viel besser auf deS
alten Martin, wie auf feinen Kopf!
O, feine tolle Idee kam ihm theuer
zu stehen! Im ersten Moment feines
Schreckens wollte er auf und davon
laufen, doch schnell besann er sich eines
Besseren.
.Ich fürchte. eS schläft AlleS, mein
gnädige Fräulein,' hub er mit unsicherer
Stimme wieder an.
.Das fürchte ich auch,' versetzte sie,
ihn, wie dem armen Osmald schien, mit
immer sich steigerndem Mißtrauen be
trachtend, .die Jungfer soll mich erwar
ten, doch scheint sie eingeschlafen zu sein.
Bitte, ziehen sie doch einmal recht
scharf an der Klingel.'
Er that wie ihm geheißen ward; lag
doch auch ihm jetzt vor Allem daran, daß
sie schnell Einlaß fand und er sich ihren
mißtrauischen Blicken entziehen konnte.
ES trieb ihm den Angstschweiß auf die
Stirn, wie er ihre Augen fist auf seine
hellgrauen Beinkleider gerichtet fühlte,
und sich plötzlich der fatalen Ähnlichkeit
mit seiner Cousine erinnernd, zog er den
großen Hut tief in die Stirn, um
wenigstens feine Züge ihrem forschenden
Vlick vi tnh'xthrn. Ob ifcrn b
Soraitiigsiiajl
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
gelang? Jedenfalls machte er sich da.
durch zu einer höchst xossirlichen Figur.
Dem schrillen Klingeln folgte ein fast
unheimliche Srille.
Der frühe Morgen fing an zu däm
mcrn und tauchte die stillen Häuser, die
menschenleere Straße, in in fast geheim
nißoolleS Licht.
Die tiefe Stille ringsum ward gcra
dezu beängstigend.
Regungslos, ein wenig blasser als
gewöhnlich, stand die schöne Helene da,
während Osmald in seinem wunderlichen
Kostüm, mit bangklopfendem Herzen
athemloS auf irgend einen Laut hinter
jener entsetzlichen Thüre lauschte, der die
zwei bang Harrenden auS ihrer fatalen
Lage reißen sollte.
Aber tiefste Stille ringsum!
Warum sie auch gar nichts sagte!
Plötzlich huschte eine große Katze mit
dem ihrem Geschlecht eigenthümlichen
Schreien über die Straße und verschwand
in einer dunklen Ecke.
.Ob nun Niemand im Hause endlich
hört!' hauchte Helene beklommen.
Dabei sahst mit so furchtsamem, scheuem
Blick zu ihrem Gefährten auf, daß dieser
fast davor schrak.
Er konnte freilich nicht wissen, daß er
mit dem Hute, den er bis auf die Nase
heruntergezogen hatte, eher wie ein Gau
ner, wie ein Dieb, als wie ein ehrlicher
Kutscher aussah.
.Ah! endlich!' klang es da im Tone
höchster Erleichterung von HelenenS Lip
pen, als drinnen im Hause sich langsam
nähern' schlürfende Schr t!e laut u urden.
Eine halb verschlafene Dienerin öffnete
die Thür und Helene trat fast hastig ein.
Da fiel etwas zur Erde.
ES war ihr Fächer.
Oswald bückte sich, hob ihn auf und
gab ihn ihr zurück.
Wie der helle Schein der Straßen
laterne auf ihr von einem leichten
Spitzenshawl umrahmtes Gesicht siel,
und höheres Roth wieder ihre Wangen
färbten, erschien sie ihm noch schöner als
zuvor.
Ob sie auch ebenso grausam war, wie
schön?
' Gewahrte sie den leisesten Vorwurf,
mit dem er sie anblickte?
.O, ich danke Ihnen,' sagte sie hastig,
indem sie nach dem Fächer griff.
Darauf verabschiedete sie sich mit halb
zögerndem Gruß und Oswald nahm
grüßend den Hut ad den Hut Mar
tins Hut.
Nochmals streifte HelenenS Auge ihn
mit fräsendem Blick, und 51malk n
sorgt, er könnte sich im letzten Moment
non vouenos verrathen, trat schleunigst
den Rückzug an.
Ob er sie wobl miedzrseben mürbe?
und wann und wo? vielleicht morgen
Aveno aus PeuyeimS Ball? Möglicher
weife war sie dort: und wenn? würd fi
ihn wohl erkennen? das wäre mehr als
saiazi und doch wagte er kaum
zu hoffen, daß sie ihn ganz vergessen
würde.
Jedenfalls wollte er seinen Cousinen
kein Wort von seinem Abenteuer er-
zählen.
III.
Eben batte fi namnlk Kur in
paar schmeichelhafte Worte bei der Gast
aeberin. Krau von Bellkeim. li,b?nmNr.
big gemacht und trat zurück, um andere
CV . . 1 rt I i i-n. .
ueianni zu grugen, 0.13 sein Blick aus
.sie fiel.
War sie ihm gestern schon so schön er.
schienen, so sah sie heute in dem duftigen,
cremfarbigev Spitzenkleid mit dem dun
kelrothen Chrysanthemum noch zehnmal
schöner auS. Und Kieke Auaen wenn fi.
lächelten! er mußte gestern Abend halb
blind gewesen sein.
Schnell trat er zu Frau von Pellheim
uno oai, lyn cer reizenden jungen Dame
vorzustellen.
.Meiner Cousine. Helene von Pell,
heim?' erwiderte diese lächelnd; .gern,
aber lassen Sie sich im Voraus warnen,
sie ist eine kleine Hexe, eine Sirene,
die eS schon manchem jungen Manne
angethan hat. Stählen Sie Ihr Herz,
oder besser noch, fliehen Sie der Ver,
suchung!'
Als Frau von Pellheim Oswald vor
stellte, hatte dieser nicht den Muth, sein
schönes Gegenüber anzusehen, und er
schrocken wechselte er die Farbe, als er
fühlte, wie ihr Blick forfchend auf ihn
ruhte. mSbrend er seinen Namen auf ihn
Tanzkarte schrieb.
)er Walzer war zu Ende.
Nach der große Pause kam der Tanz
mit ihr an die Reihe.
Er beaab slck tu ihr rri&tf ihr K,n
Arm und ging mit ihr in eineS der kühlen
eiienvouvons.
fiter lieK ftfi SStlent In inftt hrr T)i,
ans sinken, schlug ihren Fächer auf und
E & X. L - s7 SS. m W w rm
saqene ,iq umung zu, wahrend ste
sinnend ihre kleinen Fußspitzen be
trachtete.
Vlödlich schlua fi K,n Rlick n!l in
. . , ,-r--a ,-- 0-
lhm auf.
.Sonderbar.' sprach sie, .Ihr Name
war mir völlia fremd unk hnrfi sammt
Mir Ihr Gesicht so bekannt vor, als
mugie ,q ie sqan irgendwo gesehen
haben.'
sPt? r- , me&i fffn, rwikerf r
möglichst unbefangen, .wenn Jemand,
wie ich, manche Woche vier bS sechs
Bälle besucht '
.Ich glaube, daß ich Sie in einer
Gesellschaft getroffen habe,' siel, sie ihm
in' Wort, .sonst würden gewiß auch
Sie sich meiner erinnern. Haben Sie
mich schon irgendwo gesehen?'
.Ob ich Sie schon irgendwo gesehen
habe?' stammelte er und schwieg baun
sichtlich verlegen.
.Es scheint fast so,' lachte Helene.
Dabei machte sie ein schnelle Beae
gung und blieb mit ihrem Spitzenkleide
an einer der Blattpflanzen hängen,
welche die Ecke neben dem Dioan auS
füllten.
Rasch trat OSwald hinzu, um ihr bei
dem vergeblichen Bemühen, sich wieder
loszumachen, behilflich zu sein.
.Sie gestatten, mein gnädiges Fräu
lein!' Diese einfachen Worte berührten eine
verwandte Saite in ihrer Brust. Wo
hatte sie sie schon einmal von feinen Lip
pen gehört?'
,Ah, jetzt weih ich 31 sprach sie und
sah lebhaft zu ihm auf.
Oswald erblaßte. Wußte sie es
wirklich?
WaS bedeutete der muthmillige Blick
in ihren Augen?
.So erinnern Sie sich wirklich, wo
Sie mich oder vielmehr meinen Dop
pelgänger gesehen haben?' fragte er.
.Ihren Doppelgänger Sie entschie,
den nicht,' erwiderte sie lachend. .Ihre
Cousine Frau von Trebnitz ist doch
wohl ihre Cousine? sie hat den komisch
sten Kutscher, den meine Augen je gesehen
haben!
.Und diesem komischen Kutscher soll
ich ähnlich sehen?'
.Ich will Sie nicht beleidigen,' fuhr
jene munter fort, .aber wahrhaftig
diese Ähnlichkeit ist ganz wunderbar
UebrigenS knüpft sich eine kleine Ge
schichte an diesen Kutscher wenn Sie
wollen, erzähle ich sie Ihnen.'
.Wie Sie soeben sagten,' , fuhr
Helene fort, nachdem sie mit ihrer tun
nen Geschichte zu Ende war, .Sie gc
statten, mein gnädiges Fräulein", mußte
ich unwillkürlich daran denken, rate er vom
Bocke sprang und mir den Klingelknopf
aus der Hand zog. Sein übergroßer
Elfer machte mich em wenig stutzig, doch
flößte mir feine ganze Erscheinung eine
solche Furcht ein, daß ich Nichts zu sagen
wagte. .Vor Ihnen braucht man sich
sicher nicht zu surchten t und doch',
sprach sie wie sinnend weiter, .haben so
wohl Ihre Züge wie Ihre Stimme eine
ganz wunderbare Ähnlichkeit mit einan
der. ES darf le das wirklich nicht
kränken, denn wie ich Ihnen schon sagte,
war es ein Kutscher ganz außergewöhn
llcher Art.'
Wieder derselbe Blick. War es BoS
heit, die aus diesen schönen dunklen Auge
sprach?
.Wissen Sie', hob sie, müßig mit
ihrem Fächer spielend, nach kurzer
Pause in unschuldigem Tone wieder an.
.noch nie in meinem Leben habe ich aber
auch eine so wunderliche Livree gesehen,
wie die trebnitz schel'
.Ich habe darauf wirklich noch nicht
geachtet", versetzte Oswald, gefllssent
uq lyrem sauere ausweichend, .warum
aber machen tu Krau von Trebnitz nicht
darauf aufmerksam. Sie sind ja wohl
eyr oesreundetf"
.Sehr wir haben überhaupt kein
Geyeimnin vor einander.'
Wieder schaute sie schalkhaft lächelnd
zu ihm hinaus. War es nun der eigen-
thümliche Ausdruck seines Gesichts oder
em spaßiger Gedanke, der ihm durch
den Kopf fuhr, genug, plötzlich brach sie
in ein heiteres Aachen aus.
.Da fällt mir noch etwas höchst
Komi cheS von dem Kutscher ein, waS ich
Ihnen zu erzählen vergaß; er grüßte
nicht wie em Kutscher, sondern nahm.
wie ein feiner Herr, den Hut vor mir ab. '
.DaS Wunderbarste aber kommt noch.
Denken Sie', und wieder suchte ihr
muthmilliger Blick feinen ausweichen
den Augen zu begegnen, .denken Sie
beim Abschied reichte der Mensch mir die
Hand!'
.Wie! nein, so weit bin ich nicht ge,
gangen!' stieß Osmald ungestüm hervor.
WaS half es, daß er plötzlich erschrocken
stockte, nun war es heraus.
.Sie?' rief Helene aufspringend,
.was haben Sie denn damit zu thun?'
.Ich war ja der Kutscher!'
.Sie? Sie der Kutscher und Sie
wagen in den Kleidern Ihres Herrn
vor mich hinzutreten und mir das zu
sagen?'
Da aber mar eS mit einem Male mit
dem ganzen zur Schau getragenen Ernst
vorbei, und rückhallsloö gab sie sich dem
schon lange nur mühsam unterdrückten
Lachen hin.
,O, Sie mußten eS, haben eS die
ganze Zeit gemußt!' rief Oswald, in
dem er mit festem Griff ihrer Hand
den Fächer entzog und ihr vorwurfsvoll
m die schwarzen lachenden Augen sah.
.Gestern nicht, wirklich nicht!' be
theuerte sie, .erst heute Morgen erfuhr
ich davon. UebrigenS bin ich Ihnen
nur dankbar dafür, daß Sie gestern die
No. l8.
Rolle deS Kutschers übernahmen, sonst
t r . r r an m . r
war iq nicor aus ver Baronin ?au g
kommen. Doi kommen Sie. der K
loxp wird zu Ende sein, bevor wir zum
Tirni fftmmpil
Aaltl ätinnr nnA tnt trnn
W V 7
rief Oswald, indem er Helene an der
C . m Mt ! i Z lf t t . t
ano zurucryietr. .ie sino, wie icy
höre, bei Ihrer Tante zu Besuch ? Ja!
L. L : 1- t. f . . . tw r
vann taq iq oyt morgen meine u
wartuna machen?
.Meiner Tante? Gewiß, sie wird
Sik mit Freuden willkommen b,ib?n,'
.Das genügt mir noch nicht. Werden
t- : - : i int . f. r n j
uuuj ir niiiy uiiuiirnimcn zeigen f
.Gewiß, obwohl wir uns heute zum
ersten Male sehen.'
.Bitte, zum zweiten Male!'
.So rechnen Sie unsere gestrige B
gegnung auch ?' lächelte sie.
Nickt länger ivrr ffintr lAksgbl,
ergriff Oskar ihre beiden Hände und
friflilt ifir mit so trnflem innin,m 9In8s
druck in die Augen, daß sie ihm nicht zu
zuincn vermoir.
.Helene,' sprach er leise, .darf ich
ivmmen ?
.Ja, kommen Siel'
Spielkarten.
Wenn Feinde deS Kartenspiels dem an
sich unschuldigen Unterhaltungsspiele
einen Vorwurs machen wollen, so be
Häupten sie, daS Kartenspiel sei erfunden
worden, um einen schwachsinnigen Konig
Karl VI. von Frankreich, zu unterhaltend
Allgemein glaubt man auch, daß die
pielkarten auS der Mitte des 15. Jahr,
Hunderts stammen und eine französische
Erfindung seien, da die ersten Karten
zeichen aus den Bildern den französischen
Wappen-Lmen ähnlich gesehen hatten
Die Spielkarten sind aber viel älter und
stammen jedenfalls aus dem Orient. Es
laßt sich nachweifen, daß die Karten,
welche im Jahre 1302 für den schwach
kopfigen König Karl VI. angefertigt
wurden, nur eine Nachahmung der schon
bekannten Spielkarten waren, denn schon
im Jahre 13 1 wird in den Annalen der
Provence in Frankreich der Spielkarten
Erwähnung gethan. Man nimmt an, daß
die Karten aber schon um das Jahr
1340 in Frankreich bekannt waren. Au
den Orient weist ihr Ursprung deshalb
hin, weil die Karten zuerst in Italien
.Naiv' und tn panien .NaipeS
hießen, Worte, die aus der orientalischen
Bezeichnung sur Prophezeien, Vorher,
sagen herrühren, und vielleicht geht man
nicht fehl, wenn man annimmt, daß die
Zigeuner, welche heute noch mit Karten
ihre Wahrsager betreiben, die Kennt
niß dieses Spiels oder der bemalten
Blätter aus Indien zuerst den Sarazenen
brachten, und daß von diesen den Spa,
nieni, Portugiesen und Italienern der
Gebrauch der Karten bekannt wurde.
Aus Indien weist die Herkunft der Spiel
karten nämlich deshalb, weil die Karten
in ihrer einfachsten Gestalt und die Flau
ren des Schachspiels eine unoerkennbare
Aehnllchkeit haben. Das ursprüngliche
Schachspiel hatte nur einen König oder
Sultan, einen Vezier und einen Reiter
als sogenannte Osstziere, wie wir heute
sagen, die übrigen Figuren waren
.PiarS', d. h. indische Fußsoldaten; wir
nennen sie heute .Bauern'. So hatten
auch die Karten iu ihrer ursprünglichen
Gestalt nur drei Bilder, König, Ritter
und Bube, und, ebenso wie das Schach
spiel aus 32 Figuren, bestand das Kar
tenspiel auS 32 Kartenblättern, welche
später aus 36 und tn noch spaterer Zeit
auf die Zahl der Whistkarten gebracht
wurden. Die italienischen Karten waren
schon im Jahre 1299 in Deutschland
bekannt, Italien besaß damals einen
Ruf wegen seiner Karten-Malerei. In
England kanvte man das Spiel schon im
Jahre 1278, denn tn einer Wirthscha IS-
rechnung aus dem sechsten RegierungS-
jähre des Königs Eduard I. wird ein
Posten ersichtlich, welcher lautet: .Für
das Spiel. Die vier Könige 8 Schll,
lina. 5 PenceS.' Deutschland war eS
vorbehalten, den Holzdruck zwischen 1350
und 1360 auf die Herstellung der Karten
anzuwenden, und von diesem Augenblicke
an wurden die Karten so billig, daß ihr
Gebrauch, der bis dahin nur den hohen
und reichen Persönlichkeiten bekannt war,
sich auch im Volke mit staunensmerther
Geschwindigkeit verbreitete.
Ter Rizam von Haioeradad
ist einer der merkwürdigsten Fürsten der
Welt. Ein schöner Mann, gegen Ende
der Zwanzig, mit feinen Zügen und brau
nen Bart, ist er in jedem Zoll ein Orien,
tale und umgiebt sich mit einem LuxuS,
der seinesgleichen auf der Erde nicht
findet. Seme Hoshalwng rostet iym
iSbrlick, rund 10 Millionen Dollar, und
die Kelaae. welche er veranstaltet, sind
von üppigster Pracht. Das riesige Ta.
felseroice besteht aus masflvem Gvto, uno
die mit den kostbarsten Gewändern an
aetbanen Gäfie sind mit Edelsteinen ae-
schmückt, deren jeder ein Vermögen werth
ist. Die Toilette deS viizams sevocy
übertrifft sie alle. Sein Kleid aus schnee
weißer Seide funkelt von Hunderten von
um?len. Verlenschnüre schlingen sich
um Arme und Hals, Smaragdschnüre
zieren sein Gewand, die Knöpfe sind
wunderbare, große, in Diamanten ge
faßte Perlen. Er lebt nur dem Vergvü
gen, uud seine gewaltigen Einnahme,
jährlich 30 Millionen Dollar, sind sei
Taschengeld. Zu heiralhen verbietet ihm
daS Gesetz des Landes, obwohl er sonst
über allen Gesetzen steht. ' Dafür füllen
500 Weiber fast aul allen Ländern unter
der Sonne seine Zenana, seinen Harem.
Entläßt er ein der Schönen, s zahlt
er ihr ein ansehnliche Zehrgeld. Sein
Hauptstadt ist vielleicht die seltsamste
aller Städte de Morgenlandes, st ge
hört mehr der Vergangenheit als der
Gegenwart an und bewahrt den ganzen
Glanz des Oriente. Wer auf der
Brücke steht, der erblickt unter sich da
flache Wasser des Flusse, welcher de
Ort theilt. In der Ferne grüßen di
Minarets und die Giebel alter Gebäude,
und ein wunderlicher Menfchenstrom in
bet sich durch die engen Straßen. Dort
trägt in reichgeschmückter Elephant ir
gend inen Edlen nach seinem Palast,
unten im Fluß taucht der Dabobie, der
Waschmann, seine schmutzigen Kleider
ein, und zwei oder drei Elephanten ver
gnügen sich im Wasser, während ei
Trupp Kameele, die reichen Erzeugnisse
deS Innern bringend, langsam von Ufer
zu Ufer schreitet. Der Hauptpalast de
Nizam befindet sich in der Stadt und
wird wegen seiner fabelhaften Schätze
schars bewacht. Letztere umfassen tau
sende von Edelsteinen aller Art und kost
baren Perlen, ihr Werth wird auf 30
Millionen Dollar geschätzt, und sie bil.
den vielleicht die größte Juwelensamm
lung der Welt. In der Krone ist der
größte Diamant der Welt, der Nizam,
der 450 Karat wiegt und auf t4, 000,000
geschätzt wird. Die einheimischen Für
sten Indien? legen all ihr Geld in mög.
lichst beweglichen Gütern, in Juwelen
und Gold an, die sich im Falle einer
Entthronung am leichtesten fortschaffen
lassen. Der Nizam von Haiderabad ist
ein eifriger Sportmann und ein kühner
Tigerjäger.
Selbst gefangen.
Die große Treibjagd, welche der Herr
Baron heute veranstaltete, mar bereit
im vollen Gange als der Gutsförfter
den Reviergendarm sich nähern sah.
MU schrecken fiel ihm ein. daß unter
den geladenen Gästen einige waren,
welche zwar einen großen Jagdeifer,
aber keinen Jagdschein mitgebracht
hatten. Die konnte man nun doch nicht
ohne Weiteres anzeigen lassen
Holiah, so ging'S!
AIS der Gensdarm zu dem Förster
trat, ersuckte ihn dieser, während deS
Treibens die Herren nicht zu stören, wo
rauf denn auch der Mann des Gesetze
bet ihm stehen blieb und mit Interesse
zusah, wie ein Häschen gerade auf den
Förster loSfprang. BumpS fehlte
dieser, obwohl er doch dem Gensdarme
in der Dorfschenke schon manches Meister
ftückchen von Jägerlatein aufgebunden
hatte. Ehe aber der Gensdarm noch
fein Erstaunen äußern konnte, kam ta
zweiter Hase baff, wieder gefehlt I
,Was, undVie wollen em Förster fei?'
chrie jetzt der Mann deS Gesetzes erbost:
der Andere aber sagte voll Gleichmuth:
mur ruhig, wenn man 8 nicht besser
kann!' zielte, und auch der dritte Hase
lief vergnügt davon. .Nun aber her
mit der Flinte!' rief der Gensdarm,
legte an ein Knall, und richtig, der
vierte Hase lag todt da! Na! frug er
dann triumphirend.
.Nun,' meinte der Förster lächelnd,
schießen können Sie ja. . . . aber sagen
Sie 'mal, haben Sie denn auch ine
Jagdkarte?'
.Ich eine Y Alle Wetter!'
brummte verblüfft der pflichttreue Gens
darm und kraute sich hinter den Ohren.
Hoffentlich halten Sie reinen Mund
. . . eben fällt mir ein, ich muß dienst
lich noch heute Lormittag nach Jcksdorf
aoieu!"
Und hinter ihm lachte sich der Förster
in' Fäustchen.
Unnöthige Sorge.
.Liebe Emma, ich habe Dich schon so
oft gebeten, mir zu sagen, von em di
Locke ist, die Du wie ein Heiligthum In
Deinem Medaillon aufbewahrst, und nie
hast Du mir Rede gestanden. Die hat
mir schon manche schlaflose Nacht bereitet,
und der Teufel der Eifersucht umgarnt
mich mehr und mehr. Heut nun ver
lasse ich Dich nicht eher, bis durch ewe
Antwort von Dir jeder Zweifel von mir
genommen ist oder ich stehe für nicht
ein! Du hast also unser ferneres Leben
gluck in der Hand!'
Wenn Du mir solche Schreckbuder
vormalft, Alfred, muß ich schon mit der
Sprache heraus; die Locke ist von
meiner letzten Puppe!'
Bedenkliches Beispiel.
Vater (auf der Ausstellung mit feinem
Sohn vor einem preisgekrönten Ochsen):
Eley n iüu, Pept, der hat sich auSae
zeichnet! Nimm Dir ein Beispiel d'ran,
Du Faulpelz!'
Aus dem Gerichtssaal.
Untersuchungsrichter: .. .Machen Sie
nicht solche Ausftüchtel Bekennen Sie
sich loch einfach schuldig!'
Angeklagte: ,viun lal o einem hub
chen jungen Herrn, wie Sie, kann man
ja nichts abschlagen!'
In ker Sommerfrische.
Miether: , . . .Und wa soll die Woh
nung kosten?'
Bauer: .Vierhundert Mark! A Spott
gelb für so a' schöne Wohnung! Dafür
können bleiben, so lang 8 Ihn
freut!'
Miether: .WaS vierhundert Mark?
. .So lang freut'S mich gar nicht!'