Ein Kampf in den küften. Von S,gnir Ricardo. Seit vierzehn Tagen befand ich mich in Pr,..buig, wo ich. im Vereis mit dem Gatten meiner Äoujtne, mich 13 Gymnastik an dem an einem ausfiel gevden Luftballon hängenden Trapez produzirt. Mein Engagement, welches ich bis dahin in Paris inne gehabt, hatte ich aufgegeben, well mich ein Brief meiner ousine fo sehr um sie besorgt gemacht hatte, daß ich beschloß, ,u ihr ,u eilen, um für längere Zeit in ihrer Nähe sein l'i können. Meine Äouslne war als elternloses Kind in meinem Vaterhause erzogen wor den, und ei innige Geschmisterliebe hatte sie und mich ftetS verbunden; wir wurden zusammen groß, wir erlernten zusammen da schmierige Metier der Akrobaten und wir waren, so lange meine Eltern, die einen eigenenZirkuS besahen, lebten, bei diesen zusammen thätig. Dann, alS der schnell aufeinander fol gende Tod meiner Eltern eintrat, blieben wir noch einige Zeit bei einander, um nach wenigen Wochen Jeder für sich die Lausbahn unseres Berufe einzuschlagen; das heißt von einem ZirkuS zum anderen d e verick, eden ten Vxit zu ve ucoen. in lebhafter Briefwechsel hielt uns über unsere gegenseitigen Schicksale auf dem Lausenden: und s erfuhr ich denn eine TageS, daß sich meine Kousine mit einen, Kollegen verübt hatte und vaiv zu vet rathen gerachte. Ich hatte von dem Verlobten meiner Kouflnt bis dahin nur in seiner Eigen schaft als Künstler vernommen; während mir sein Charakter, da eS ja gar kein Interesse für mich hatte, gänzlich unöe konnt war. Jebt befleißigte ich mich naturlich, hierüber genaue Auskunft zu erhalten; doch leider war daS, was ich über ihn erfuhr, so nachtheilig, daß ich meine Cou sine ernstlich vor diesen Menschen warnen mußte. Er sollte ein roher, jähzorniger, ge walttbätiaer Mensch sein. Leider nütz ten meine Warnungen jedoch nicht im Geringsten, und ein halbes Jahr später war die Ehe vollzogen. Auch jetzt blieb ich mit meiner Cousine in lebhaftem Briefwechsel, auS dem mit der Zeit hervorging, daß meine Befürch tungen leider nur zu sehr eingetroffen waren, und meine Cousine nicht nur daS erhoffte Glück nicht gefunden sondern sogar tn Beryäitmiie omeingeraiyen war, die geradezu besorgnißerregend waren. Ihr Gatte verspielte daS, aS er und sein Weib verdienten, und um Allem die Krone aufzusehen, hatte er sich gar dem Trunke ergeben. DaS AlleS erfahr ich durch Collegen, die bald hier, bald doit Engagement in der Welt hat ten, und auf diese Weise mit dem Ehe paar zusammengekommen waren. Von meiner Cousine erhielt ich trotz meiner Bitte um aussührliche Berichte nur ganz kurze Mittheilungen."' Aber so wenig diese Berichte enthielten, so sehr verstand ich es, zwischen den Zeilen zu lesen: Meine liebe, gute Lucie war unglücklich. DaS stand seft bei mir, und einem plötzlichen Entschlüsse Folge ge bend, löste ich eines Tages mein En gagement, setzte mich auf die Eisen bahn und fuhr von Paris nach Peters bürg. ES war ein schöner, herzlicher Em fang, den mir Lucie bereitete: das arme Weib warf sich, laut aufschluchzend, mir an die Brust, und aus jeder ihrer Be egungcn konnte ich sehen, wie froh, wie herzlich froh sie über mein Kommen war. Aber nicht eine Klage kam über ihre Lip pen;, doch das wär auch überflüssig gemesen. Ich sah genug I Um so lange wie möglich in der Nähe meiner Cousine sein zu können, schlug ich deren Gatten vor, mit ihm zusamme., zu arbeiten, und da dieser gerade einen Ne benmann suchte, der eS mit ihm unterneh, men wollte, an einem unter einem Ballon hängenden Doppeltrapez zu arbeiten, so waren wir bald einig. Vierzehn Tage, lang vor der ersten Vorstellung übten wir unS ein; da wir beide gewandte tüchtige Akrobaten waren, so waren wir bald genug zusammen ein gearbeitet. Inzwischen verkehrte ich mit Lucie in meiner alten, zutraulichen Weise, welche sie ebenso erwiderte. Wir gaben uns ganz der Freude, nach so langer Zeit der Trennung wieder beisammen sein zu dür sen, hin, und achteten hierbei gar nicht darauf, wie Richard, so hieß der Gatte meiner Cousine, unS mit argwöhnischen Blicken verfolgte. Mir sollte erst später auf eine entsetzliche Weise klar erden, wie tief sich die Eifersucht in diesen tücki schen Mann hinein gewühlt hatte. Der Tag unserer ersten Vorstellung war herangekommen. Eine zahllose Men schenmengc hatte in dem großen Garten etablissement, in welchem der Aufstieg vor sich gehen sollte, Platz genommen und mit großem Interesse wurden die Vorbe reitungen zu unseren Produktionen ver folgt. Endlich ar der Ballon gefüllt, wir begaben unS, mit beifälligem Klat schen von der Menge begrüßt, in die Mitte des Rondells, tn welchem der Bal lon, an Stricken von mehreren Leuten ge halten, schwebte, ergriffen das Trapez und begannen zu arbeiten. Dann er scholl von Seiten Richard! das Kom mando: Los, und majestätisch stieg daS Luftschiff in die Höhe. Während die Zuschauermenge unter uns klatschte und Beifall zurief, stiegen wir an dem Trapez, unsere Eoolutionen ausführend, immer höher und höher, bis wir endlich den Augen des Publikums so weit entschwunden waren, daß es unsere Leistungen nicht mehr beobachten konnte, DieS veranlagt ur,S, unsere Produktiv ncn einzustellen und indem nur eS unS Nr Jahrgang 14. auf dem Trapez so bequem wie möglich machten, stiegen wir mit dem Ballon immer höher in die klare, durchsichtige Lust hinaus. ES 'st ein etqenthümllcheS Geiuhl. mit einem Luftballon aufzusteigen. DaS sanfte, durch keine Erschütterung bettn trächtigte AuswIrtSstreben bringt zuerst die Täuschung hervor, daß man sich nicht von der Erde entferne, sondern, daß diese unter Einem versinke. Dann, wenn man zu dem Bewußtsein kommt, daß man dennoch den Wolken zustrebt, kommt eine eigenthümliche Stimmung auf. Der Lärm, welcher unten auf der Erde herrscht, hat eirnm eigenthüm lichen Geräusch Platz gemacht. Das Donnern und Poltern gleicht einem Rau schen, und jetzt, nachdem die Spitzen elv t ocr vos ten Thurme unter einem verschwunden sind, klingt es nur wie ein leises, zartes Flüstern von der Mutter Erde herauf, deren Söhne hoch über ihr im blauen Aether schweven. Ich hatte mich meinen Gedanken hin, gegeben und ganz vergessen, daß Richard, nur durch ein in der Mitte des Trapez angebrachtes Tau getrennt, neben mir saß, als dieser, mich aus meinen Träu men reißend, plötzlich ein Gespräch mit mir begann. '.Du bist ja ganz in Gedanken versun ken; Du denkst wohl an sie?" .An sie? .Ja, an sie! .Ich verstehe Dich nicht." .Aber ich Dich um so besser., Glaubst Du, ich habe nicht bemerkt, wie Du Lucie, meinem Weib, nachstellst? Und wie sehr Du vom Glück bei dieser Treu, losen begünstigt bist?' .Ist daS Dein Ernst? , .Ja, eS ist mein Ernst, blutiger, wahrer Ernst!' .Du bist wahnsinnig! .Nicht im Geringsten. Aber entschlaf sen, mich an Euch zu rächen. WaS wohl Deine Lucie sagen wird, wenn sie erfahrt, daß Du gerade oberhalb des Stromes abgestürzt und ertrunken bist. Ich schrack zusammen. WaS hatte die ser Mensch vor? Wollte er ein Ver brechen an mir verüben? Ich hatte diesen Gedanken kaum auS gedacht, als er auch schon auf dem Tra pez stand und mit einem scharfen Messer, welches er bis dahin verborgen hatte, daS tau an meiner Wette durchschnitt, so daß sich die Seite der Griffftange, auf mel cher ich saß, mit einem Ruck senkte. Mit einem Schlag war mir daZ Ge fährliche meiner Lage klar: Richard wollte mich von dem Trapez stürzen Aber ebenso schnell hatte ich mich gefaßt und mit aller mir zu Gebote stehenden kraft klammerte ich mich an das Mittel tau des Trapez und schnell schwang ich mich in die Höhe, so daß ich mich meinem Feinde gegenüber befand. Vor allen Dingen hieß ti, diesem das Messer zu entreißen. Denn wenn ich auch nicht zu fürchten brauchte, daß er mir damit zu Leibe gehen wollte, schon deßwegen nicht, weil, wenn man meinem Leichnam gesun den hätte, die Wunden an diesem ihn verrathen hatten, so konnte ich dennoch nicht wissen, ob er nicht am Ende, wenn sich der Siez vielleicht auf meine Seite geneigt hätte, in seinem grenzenlosen Haß mir damit den Garaus gemacht hätte, Zudem, ich gestehe es aufrichtig. befand ich mich in einer fo entsetzlichen Lage, da es mir wohl kein Mensch ver denken wird, wenn ich mit aller Kraft danach strebte, in den Besitz dieser Waffe zu gelangen; schon deswegen, um mir damit meinen fürchterlichen Gegner vom Leibe zu halten. Es entstand daher ein fürchterliches Ringe um dc Meger, welches mein Gegner in der hocherhobenen rechten Hand hielt, und mir ledes Mal, wenn ich darnach griff, mit dem Stiel desselben einen Schlag versetzte. Ich war aller dingS kräftiger und auch gewandter als mein Gegner; aber wenn eS diesem ge lingen sollte, mich auf den Kopf zu schla gen und mich zu betäuben, dann wäre ich verloren. Ich hätte unbedingt in die Tiefe stürzen müssen. Zweimal hatte cr bereits-nach meinem Kopf geschlagen und jedesmal war eS mir gelungen, den chlaa zu pariren. Da endlich gelang es mir, sein rechtes Handgelenk zu ergrei fen. Ich preßte und drückte mit aller Gewalt, um meinen Feind zu veranlas sen, das Messer fallen zu lassen; aber vergebens. Plötzlich packte ich meinen Feind, ehe er sich dessen versehen konnte, an der Kehle. Ich stand jetzt auf der Stange des Trapez ohne anderen Halt als an meinem Gegner. Aber das war genügend. So . lange er sich festhielt, war auch ich in Sicherheit, da ich mich ja an ihn avgeklammt hatte; und ich hielt fest. Immer fst?r und feste, prißte ich meine Finger um seinen Haik; ein Röcheln drang daraus her vor, da? immer schwächer wurde und plötzliche sank er bewußtlos in sich zu sammen. Ich war gereitet. Mit einem schnei len Griff, ehe eS in die Tiefe fallen konnte, entriß ich ihm das Messer, zerrte hn mit faß übermenschlicher Anst, cngung an mich heran, so daß ich ihn um den Leib fassen konnte, rutschte dann soweit an die 5 Beilage zum Nebraska StaatS-Anzeiger. Seite, auf welcher ich gesessen hatte, und ergriff mit meinen Füßen das herunter? hängende Seitentau. Dann schnitt ich dieses schnell ab, zog eS zu mir hinauf und band meinen Feind damit fest, so daß er nicht abstürzen konnte. Dann öffnete ich die Ventilklapxe deS Ballons, und mit einem auS tiefster Brust kommenden Seufzer der Erleichterung ließ ich das GaS ausströmen. Als wir endlich wieder auf der Erde angelangt waren, war mein erster Weg zumPolizeikommif sar deS kleinen OrteS, dem ich in stiegen der Hast erzählte, was mir passtrt. Dann überließ ich dem kopfschüttelnd, Herrn meinen Gefangenen und etlie nach Petersburg. Eine unbeschreibliche Aufregung ent stand, als mein Adenteuer bekannt wurde, und von allen Seiten stürmte man auf Lucie ein, sich von ihrem Gatten scheiden zu lassen. , Sie hatte diese? nicht nöthig. Nach wenigen Tagen war Richard auS dem Gefängnisse auSgebrochen und aus Nim menviederfehen entflohen. Nach zwei Jahren erhielten wir die Mittheilung, daß Richard in Amerika von einem Cow bov, mit hem er in einen Streit gerathen, erschlagen worden war. Lucie war erlöst! Sie ist heute die Gattin eines wohlhabenden Zirkusbe sitzers, der sie auf Händen trägt, wäh rerid ich, von einem Zirkus in den aride reu ziehend, ein echtes Vagantenleben führe. Der Iuftizrath. Criminal-Geschichte von M a r K r e tz e r. Juftizrath Krummholz war noch ein Rechtsanwalt der alten Schule, zu der er selbst diejenigen rechnete, die .nicht alles annahmen, d. h. nicht nur solche Fälle von vornherein ablehnte, die ihnen völlig aussichtslos erschienen, sondern es auch mit ihrer Würde nicht vereinbar fanden, Sachen zur Bearbeitung und zur Vertretung ihrem Aktenstander emzu reihen, von deren. Unreinheit sie sich auf den ersten Blick, oder während der ersten Unterredung überzeugt hatim. , yunggejeue geblieben, hakte er zwar seine kleinen Schrullen, ar aber seiner Biederkeit und seines guten Herzens wegen allgemein beliebt. Er halte einen Neffen, den einzigen Hinterbliebenen Sehn seiner als wenig begüterte Wittwe gestorbenen Schwester, der zugleich sein Mündel war. Dieser Neffe, der im Alter von 19 Jahren stand, den er lange Zeit hindurch wie seinen eigenen Sohn betrachtet hatte, und der früher zu seinem einzigen Erden auSersehen war, bildete den einzigen großen Kummer seines Da, seins. Er war völlig auS der Art geschlagen. hatte die leichtsinnigsten Streiche gemacht und ar emes tages so tief gesunken, daß er in einem Juwelierladen bei Ein kauf eines unbedeutenden Gegenstandes einige werthsolle Diamantringe entssn bete, uni mit dem Erlös feinen verfchwen oerlschen Pasflonm nachgehen zu können, was ihm das immerhin reichliche Taschen geld nicht gestattete. Als der Justizralh davon erfuhr und sofort den Verlust er setzte, war es zu spät. Man hatte be reits Anzeige gemacht, und die Folge da von w.r, vag )tui Neffe wegen einfachen Diebstahls zu einer Gesänanißftrafe ver urtheilt wurde. Er konnte nur noch da für sorgen, daß so wenig als möglich da- von in die Oeffentlich'ett kam. Der Justizrath trug feinen Schmerz um den Beriorenen mit stiller Trauer. Als derselbe jedoch auö dem Gefängniß entlassen wurde, nahm er sich feiner an und brachte den scheinbar Reuigen bei einem Freunde, der eine Großhandlung in Leipzig hatte, als Buchhalter unter. ine eit lang dielt der lunqe Mann sich gut, plötzlich aber wurde der Justiz rath von feinem Freunde telegraphisch nach Leipzig gerufen. Sein Neffe hatte einen Gcldbrief unterschlagen und den Inhalt binnen ganz kurzer Zeit verjubelt. Der Onkel deckte den Verlust. Dann aber, nach einem fürchterlichen Auftritt, überließ er den Unverbessertichen feinem Schicksale, indem er ihm das nöthige Reisegeld nach Amerika gab. Ein ganzes Jahr hatte er von dem Verlorenen nichts gehört. Es war an einem Dezimbernachmittaae, kurz vor Weihnachten, als der Jusitzrath in seinem Arbeitszimmer faß. Die isprech stunden waren bereits vor- über, als der Bureauoorsteher hereintrat und noch einen Mann meldete, der den errn Justizrath persönlich in einer dringenden Anael:g:nhett zu sprechen wünschte. Nach wenigen Minuten stand der Ver lorene vor seinem Onkel. Er sah tx untergekommen und verwahrlost aus und trug auf seinen Zügen die beutlichen Spuren eines wüsten Lebenswandels. Der Juftizrath hatte unmittelbar vorher erst feine Photographie in Händen ge habt, und so überwog im Augenblick die Fmde des Wiedersehens alle anderen Bedenken. Er, streckte ihm die Hand entgegen rnd war ganz der Men'ch, der sein weiches Gemüth nicht verleugnen kann. Dann, als er ihn r,äher betcach- MMgMI, tete, war er erschüttert. Trotzdem nahm er eine strenge Miene an und fragte. woher er komme. Direkt au dem Gefängniß, lautete das zaghafte Bekenntniß. Er hatte eine Uhr gestohlen, feine That auch ohne Weiteres eingestanden und sich verurthei len lassen. Der Rest von Scham, den er noch befaß, hatte ihn abgehalten, sich seinem Onkel u nähern, tun war er mitten im Winter herausgekommen und wußte nicht wohin. Der Juftizrath fühlte hundert Stiche auf einmal in feinem Herzen, bewahrte aber keine Ruhe.. Dann sagte er: .Weißt Du auch, wag Dir bevorsteht, wenn Du zum dritten Male auf die Anklagebank kommst? DaS Zuchthaus winkt Dir! Und als sein Neffe or ihm niedersiel, seine Knie umsing und wirklich' noch Thränen bereit hatte, unter denen er end, liche Besserung versprach, war der Alte wieder bezwungen. .Wohlan, sagte er. .Weihnachten ist nahe. Ich will den letzten Versuch ma chen um deS Andenkens Deiner todten Mutter willen! Aber von jetzt an wollte er ihn ganz um sich haben, um mit strenge d Rettung zu vollführen. Er klingelte nach dem Bureauvorfteher und wieg ihn an: .Stellen Sie den jungen Mann von morgen ab als Schreiber ein. Wir sprechen noch darüber. Dann andte er sich wieder an den Neffen, nachdem sie ohne Zeugen waren: Auner meiner Wirthschasterin hat Niemand eine Ah- nung davon, in welchem Verhältniß Du zu wir stehst. Du wirst in dem Hinteren Zimmer ganz allein arbeiten, von früh bis spät; Du wirft nur Deinen Lebens unterhalt bekommen und Dich so zurück- haltend als möglich benehmen. Dafür verlange ich wählend eines Jahres un verbrüchlicheS Schweigen darüber, baß Du mein Neffe bist. Wenn Du diese Probe bestehst, dann wollen wir weiter reden. Bist Du damit einverstanden, gut weigerst Du Dich, so gehst Du so von hier weg, wie Du gekommen bist. Jedes Band zwischen uns Beiden ist dann zerrisscn. Das Ende wird die Land straße sein." Er sagte unter Thränen zu. Ein ganzes Vierteljahr lang hielt er sich musterhaft. Der Juftizrath war in sei nem Innern hocherfreut; äußerlich aber blieb er derselbe eiserne Mann, um fein Ziel zu erreichen. Da wollte es der Zufall, daß der alte Herr eines Tages über Land mußte und sich auch genöthigt sah, die Nacht auf dem Gute zuzubrin gen. Der andere Morgen brachte ihm die bitterste Enttäuschung seines Lebens. Während seiner Abwesenheit waren dem Bureauvorsteher plötzlich drei einzelne Hundertmarkscheine und vier Zwanzig markstücke fortgekommen, die er kurz vor Schluß des Bureaus eingenommen hatte. Stark beschäftigt, merkte er den Verlust erst, als er als Letzter anwesend war und die Kasse verschlteßtn wollte. Rathlos in seiner Aufregung wollte er schon gehen, als er unter dem Stuhle, auf dem der Kanzlift, der die Notariatscopien unter sich hatte, zu sitzen pflegte, ein blankes Goldstück entdeckte. Er sträubte sich zuerst gegen den in ihm aufsteigenden Verdacht, dann aber hielt er es für's Beste, sofort zur Polizei zu fahren und bei dem betreffenden Kavzlisten eine Haussuchung vornehme zu lassen. Man sand ihn nicht vor und mußte sich bis zum kommenden Tage gedulden. DaS Wunderbare war, daß am andern Morgen der Kanzlist sowohl als der Neffe pünktlich wie immer auf ihrem Platze zu finden waren. ' Der Justizrath ahnte sofort den Zusammenhang. Als er den Verlorenen unter vier Augen vor sich haiit und ihn scharf in'S Gebet nahm. leugnete dieser AlleS. Unter Thränen behauptete er, es diesmal nicht gewesen zu sein. Im Bureau that der Kanzlist seinem Vorgesetzten gegenüber dasselbe. Ein Schreiberlehrling behauptete, den Stillen dahinten' mehrmals am Pulte gesehen zu haben, während der Bureau Vorsteher im anleren Zimmer gewe sen sei. Lange überlegte der Justizrath; dann siegte sein Gerechtigkeitsgefühl zu Gun sten eines unschuldig Verleumdeten. Er ließ seinen Neffen verhaften und in das UntcrsuchungSgefängniß abführen. Dort besuchte er ihn mehrmals, um ein Ge ständniß zu erlangen. Immer aber erhielt er die gleiche Antwort. Trotz dieser Verstocktheit übernahm der Justizrath die Vertheidigung. Sein ganzes Streben ging dahin, den Neffen vor dem Zuchthaus zu bewahren. Wirk lich erreichte er auch, daß sein Neffe nur zu einer Hastftrafe verurthcilt wurde. Der Justizrath ging hinauß, ohne den Lerurtheilken eines Blickes zu würdigen. Eist in der Droschke überließ er sich sei nem Schmerz. Einige Stunden später, als er wieder in seinem Zimmer saß, trat der Kanzlift zu ihm herein und bekannte, das Geld vom Pulte genommen zu haben. Er sei bis zu jenem Tage immer ehrlich gewesen, er hübe aber drückende Schulden gehabt und sei im Augenblick ver Verblendung unterlegen. Seiü Ee- No. 17. wissen zwinge ihn, einen Unschuldigen nicht länger leiden zu sehen. Der Justizrath war Minuten lang starr und sprachlos. Dann besann er sich nicht lange. Er ließ da Geständniß in Gegenwart seines Substituten und sämmtlicher Bureauarbeiter wiederholen bestieg mit dem Kamlisten eine Droschk! und fuhr nach dem Criminalpalast in Moabit, wo er den Selbftdenuncianten dem Untersuchungsrichter übergab und bei der Staatsanwaltschaft sofort die Aufnahme des alten Verfahrens bean tragte. Er kam für feinen Neffen zu spät, denn dieser hatte sich, gleich nachdem man ihn abgeführt hatte, tn seiner Zelle er hangt. Gepeinigt von Seelenqual, wie nie in seinem Leben, trat der Justizrath den Heimweg an. Zu Hause angelangt schluchzte er wie ein Kind. Dann, be ruhigter, erging er sich in Betrachtungen über die wunoer amen Nathlel und nu sälligkeiten dieses Lebens. Es gab doch Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen seine Juristerei sich nichts träumen lieg. ÄN vielem oenv vuev ein Witz am Stammtisch leer. . Zwei Tage später vermachte er sein ganze Vermögen dem Verein zur Ret tung entlassener Strafgefangener. . . . Katzeugefchret und Bogelgesaug Wenn doch die Amerikaner bedächten, daß sie rn ihren Garten und Parkan lagen nur zwischen Singvögeln und Katzen zu wählen haben; beide zusam men können nun einmal nebeneinander nicht eriftiren. Wenn einmal fo ein liebeö Miezekätzchen trotz wiederholter Züchtigung mit dem Vogelraud fort, fährt, so hilft eben nichts mehr als Pulver und Blei; denn sobald einmal ein Kater Vogelfleisch geschmeckt hat, so schwankt er zwischen dem Entschluß, ob er lieber einen Vogel oder eine Maus fressen wolle, gerade so lange, wie wenn unser einer zwischen einer Flasche guten Weines - der scheußlich schmutzigen reltungswassers zu wayten hat. Vieler orts wird sehr viel für die Vogelfütte, rung im Winter gethan; wenn dann da durch die Vögel recht zutraulich geworden sind, so läßt man es ruhig geschehen, daß die räuberischen Katzen der ganzen Herr, lichkeit ein Ende bereiten. Biete muteivsooue ceun, oic in Thränen ausbrechen, wenn ihrem KStz chen Jemand auS Versehen den Schwanz zwischen die Thüre klemmt, empfinden nicht daS mindeste Mitleid, wenn das liebe Biest etwa die Mutter einer Sing- oogelfamilie geraubt hat und so die junge Brüt einem jammervollem Hungertode prersgiebt. Man wende uns nicht ein. die Katze sei immer ein nützliches und un- nützliches ' Hausthier. Das mag in früheren Jahrhunderten der Fall ge mesen sein, als die Wohnungen vermöge ihrer Bauart den Mäusen überall Schlupf und Lustwinkel gewährten, und als man noch keine gut konstruirten Mausefallen und kein sicheres und ge- sahrlos anzuwendendes MSusegist kannte. Heute ist dies Alles anders, und dürften heute 90 Proz. sämmtlicher Katzen als Lukuswaare tarnt werden. Wenn aber ein Hausbesitzer nicht selbst im Stande ist, sich der Mäuse zu erweh ren, sondern wenn er dazu ein Thier zu Hülfe nehmen mutz, fo sorge er doch da- für, daß seme lebendige Mäuse alle wirk lich ihrer Bestimmung und ihrem Ramm gemäß ein HauS'hier bleibe. Sobald aber dieses Hausthier in fremden Höfen und Garten, in Geldern und Waldern auf Raub ausgeht und die Landwirthe, Logelfreunde und Jäger schädigt, hört es eben auf ein Hausthier zu sein; eS ist dann ein Raubthier und soll alS solches getödtet werden. Der schaden, oen eine vogetrauoertiche Katze anrichtet, übersteigt ihren Nutzen bei Weitem. Denn sobald einmal die Vögel durch die Katzen gefressen oder ver scheucht worden sind, nimmt das Unge, ziefer erfahrungsgemäß enorm Überhand, und dif'Baumgärten, die Gemüsepflan zungen, wie die Felder und Wälder sind an solchen Orten dem verderblichen Zer ftörnngswerk der vielen schädlichen In sckten preisgegeben. ga 'Z ZU schweigen von den nächtlichen Katzenmusiken, welche die Schläfer nach des Tages Mühen nicht zur Ruhe kommen lassen. Leider giebt es viele Leute, welche sich freuen, wenn in ihrem Baumgarten ein Dutzend Katzen herumstreichen; sie bedenken nicht, daß sie sich selbst am meisten dadurch schaden, da die nützlichen Vögel sich nicht an solch gefährlichen Orten ansiedeln. Auch der Jäger kann von den Katzen nur das Schlimmste erzählen; eine ei,: zige räuberische Katze vernichtet oft in weitem Umkreis den ganzen Bestand an jungen Hasen und an den dem Landwirth so äußerst nützllichen Rebhühnern. Lumrnä Summanirn: die wenigen guten MauSkatzen mögen am Lcbcv bleiben, Respekt vor ihnen: aber über die schädlichen Freß-, Raub und Vogel katzen sei daS Todesurtheil ausgesprochen. Wer will auch im Ernst einer Katze das echt ' eingeräumt wissen, die Höfe zu beschmutzen und überall, auch aus fremden Grund und Boden, die nütz, lichen Singvögel zu vernichten! Deshalb: Tod der Katzenbrut! Ueber da Xtttn der Seetzu, bringt die französische Zeitschrift ML Vie eontemporaine" einen Artikel, der eine Anzahl ganz neuer Beobachtung über da Leben dieser eigenartige Thier enthält. Herr Oustalet, ein französischer Gelehrte, hat die Thiere hauptsächlich im BehringSme beobachtet, und entwirft von ihrem Familienleben die folgende Schilderung. In der Zeit om 1. bis II. Juni sammeln sich die alte Mäno chen sch aarenweise ans den Tribilosinseln und lassen sich am Strande nieder, um die Ankunft der Weibchen abzuwarten. Die kräftigeren unter ihnen nehme die besten Plätze ein und zwingen die minder starken sich im Hintergrund zu halten. Jeder einzelne (Seehund harrt geduldig auf seinem Platze und vertheidigt ihn mit der größten Energie. Vom 12. Juni ab erscheinen die Weibchen, zuerst in kleine ren TruppS, später in dichten Schaaren, begleitet von ihren Jungen auS dem vor hergehenden Jahre. Alsbald nach ihrer Ankunft erden sie von den Männchen in Empfang genommen und in ihre Schlupfwinkel getrieben, wobei eS vor kommt, daß besonder? kräftige Thiere b zu IS Weibchen für sich in Anspruch nehmen. Wie bei den Hirschen in der Brunstzeit, so finden auch hier oft heiße Kämpfe statt. . Ehe sie handgemein erden, scheinen die Kämpfer sich gegenseitig herauSzufor dern, fte stürzen auf einander lo, werfen die Köpfe zurück, machen hüpfende Be megungen, schreien, brüllen, schnauben und sperren den Rachen auf, um ihre furchtbaren Hauer zu zeigen. Alsdann beißen sie wüthend auf einander loS und zerreißen sich die Pelze und die Schwimm süße, wobei nicht selten auch ein Fetzen Fleisch mit verloren geht. Fühlt sich einer der Kampfenden besiegt, so schleppt er sich hinkend, nicht selten auch geblendet davon. Sein siegreicher Gegner aber baut ihm goldene Brücken, er ist eine vor nehme Natur, und nie wird es ihm ein fallen, an dem wehrlosen Feinde sein Muthchen zu kühlen. Die Weibchen bringen bald nach ihrer Ankunft ein ein zigeS Junges zur Welt, und von diesem Tage an lasse ihnen ihre Herren und Meister größere Freiheit. Sie gehe häufig in'S Wasser, und wenn sie zurück gehen, wissen sie ihre Jungen unter tau send anderen, welche sie gleichzeitig und scheinbar in denselben Tönen anschreien, ganz genau zu unterscheiden. Die Mävn chen dagegen bleiben bis Ende Juli, also nahezu drei Monate, beständig am Lande. Während dieser Zeit nehmen sie keinerlei Nahrung zu sich, fondern zehren lediglich von ihrem Fette, so daß sie gegen Ende der Saison vollständig erschöpft und ab gemagert sind. Gegen Ende Juli be, ginnen die Kolonien sich zu entvölkern, man sieht nur noch einzelne Weibchen mit ihrer Nachkommenschaft, die sich i Schwimmen übt, bis sie gegen Ende des Herbstes in der Lage ist, den Männchen auf ihren Wanderungen zu folgen. Viaenthümliche Rache. Als der rustfche Feldmarschall Kutu sow, nach der Flucht Napoleons I. al Sieger in Wilna einzog, bat der Direk tor der dortigen polnischen Schauspiel, gesellschaft ihn, eirt Stück zur Feier die, fes TageS aufführen z dürfen. Kutufow lehnte dies ab, verlangte aber, daß der Direktor jenes Stück auf die Bühne bringe, welches er am Tage des kmxwui der französischen Truove batte aufführen lassen, ein Stück voll bitterer Anspielungen auf die Russen und voll kriechender Lobhudeleien gegen Napoleon. Die demüthigen Gegenvorstellungen des Direktors blieben erfolglos, er mukte gehorchen. Am Abend fand sich der Marfchall in Begleitung seines ganzen GeneralstabeS im Theater ein. um durcb seine Gegenwart etmatge Tumulte z verhindern. Bei icdem Sake, der eine Lobeserhebung auf Napoleon enthielt, die mit seiner Flucht in schneidendem Gegensatze stand, klatschte Kutuso den Schauspielern und Schauspielerinnen lauten Beifall zu. Alle Anwesende folgtem seinem Beispiele, und wohl nie hat eine Bühnengesellschast den ibr ausll ten Beifall mit so gemischten Gefühlen. ausgenommen, wie die Wilnasche - an lenem Abend. Angstschweiß trat den Darstellern aus die Stirne bei jedem Worte, das sie deklamirten. und dock wagten sie nichts wegzulassen aus Furcht, wegen Ungehorsam bestrast zu werden. was ihnen für diesen ftall anaekündiat war. Dem österreichische General vo Sport bezeichnete einst ein Minister in einer Konferenz, welcher Leopold I. selbst bei wohnte, auf der Karte von Ungarn einen Punrk mu oen Worten: .vier, err General, müssen sie mit der Armee über den Strom gehen. Der bezeichnete Punkt war aber die Stromenae. eine Strecke mit siebzehn Wirbeln und Stru dein. Der alte Krieger ergriff in der Hitze eine Papierscheere mit goldenem Griff, schlug den Minister gewaltig aus den Zeigefinger, der den Uebergangs punkt andeutete und rief: .Ja, wenn Eu Ercellenz verfluchter fftnaer eine Brücke wäre! Leopold lachte belustigt und überließ eS dem General, über die Donau zu gehen, an welchem Punkt er wolle. Anglaublich. Schneider: .Hier bringe ich den be stellten Anzug. Kostet achtzig Mark'.' Studiosus: .Warten Sie. ich will Ihnen den Betrag gleich zahlenl Schneider: .Herr! Zum Narre halten lasse ich mich nicht!