Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 29, 1893, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Anna's 2cttcr.
-Ji 0 o e 1 1 e 1 1 e nach bciü l' ii g 1 1 1 dj t it.
Sr stand ob, n auf DeJ, her König
seincS Geschlechts, ir war von echtem,
arabischem iUlut; feine Nüstein aatkit
bereit und beweglich, seine dunklen, ova
Wir Augen oll geuer sie schienen
Blitze zu schleudern Über die milden
Wogen bei scheinenden OzeanS,
In langen Athemzügen sog er die
frische Seelust ein und seine Brust dehnle
sich bei jedem Athemzuge, r hieß
.Hannibal' und gehört Anna Milton,
deren Bater, der Kapitän des Schooneri
.Canton', aus dessen Hinterdeck da
Pferd jetzt seinen Platz halte, es ihr vor
einem Iahte von einem Araber gekausl
hatte. Seine 'lichter, die ihn häufig
auf seinen Reisen begleitete, hatte ihn
überredet, Hannibal diesmal mttiuneh
nun. AIS das Schiff den heimathlichen
Hasen von Monrovia in Astika verließ,
lim nach der Goldküste zu segeln, wo der
Kapitän Goldflaub einhandeln wollte,
stand das junge MZdchen bei ihrem
Pserde, währen sie selbst von dem Fa
muluS ihres Paters, William Armstrong,
bewundert wuidc, der neidisch die Lied'
kosungen sah, die stc Hannibal zürnen
bete. Futter hatte der Kapitän sür Hannibal
in Fülle gekaust, aber badet nicht daran
gedacht, daß das Pserd einer großen
Quantität Wasser bedut''c, so daß der
Wassetvl,ria!h rasch aus die Neige ging.
Nach wei 'Eochen schwanden auch
die letzten uiiuiiten, heißen Winde und
eine ollsiär.dige Windstille folgte. Die
Sonne jchitit Kennend hernieder und die
See glich a.f imolzenem Quecksilber.
Nur Har.mda! schien gegen die Hitze
unempfindlich zu sein. Sein Auge war
so hell und seine ganze Haftung o statt,
lich und sest wie immer.
,Er braucht mehr Wasser sagte
Anna eines Tages zu ihrem Vater.
Dieser schüttelte den Kops.
,(5r kann nichts mehr bekommen."
O Papa!'
, Meine Leute sind sogar schon auf sehr
knappe Rationen gesetzt," sagte Milton.
D8 Pserd soll von meinem Antheile
haben," sagte Anna,
Dein Antheil, mein armes Kind, sind
nur drei Gallonen, Die Leute haben
jeder nur zwei Gallonen, bis wir die
Goldkäste erreichen. Hätten wir eine
frische Brise, so könnten mir in zwei
Tagen dort sein, aber diese Windstille
kann noch eine Woche sortdauern."
.Mein armes Pferd," sagte Anna;
aber sie quälte ihren Baier so lange, bis
dieser ihr gestattete, ihm von ihrem Theile
abzugeben. (53 war nur eine sehr kleine
Quantität.
Noch ehe der Abend herankam keuchte
Hannibal und in seinen Augäpfeln
glänzte ein fahles Licht. Noch fünf Tage
verflossen und das Wetter halte sich nicht
geändert, DaS Pserd litt zum Erbar
men. Sein Maul war trocken und es
zeigte sich sehr ungeberdig. Es sptang
wild hin und her und schluq mit den
Hufen gegen die Wände des Behälters,
m dem es untergebracht war. Ab und
zu blickte es auf die glatte See und seine
Augen schienen rann zwei glühende oy
len tu sein. Und dann warf es sich nie,
der und wälzte sich aus dem Boden und
stieß ein trockenes Wiehern aus. Anna
weinte, als sie das leidende Thier sah.
das während der ganzen Windstille nur
,mei Quart Waner gehabt hatte: das
war alles, wS der Kapitän hergeben
konnte.
Er kann etwas von meiner Ration
bekommen," sagte William Armstrong,
als er die Trauer des jungen Mälchens
gewahrte,
.Nein," sagte der Kapitän, .Sie ha
den das sür sich nöthig, bis wir die Küste
erreichen," Anna, " wandle er sich an
seine Tochter, wenn bis zum Abend kein
frischer Wind aufspringt, so todten wir
das Thier und werfen es über Bord. Es
ist besser, seinem Leiden mit einem Male
ein Ende zu machen, denn es ist keine
Aussicht vorhanden, daß es in den nach
sten Tagen Waffe: erhält,"
Anna rang die Hände. Der Nachmit
tag kam die Stille dauerte fort. Der
Kapitän nahm eine Art in die Hand und
schritt auf das Pierd zu. Das junge
Mädchen flehte vergebens, es noch zu
schonen. Da erfaßte, als der Kapitän
die Arl erhob, William Armstrong feinen
Arm.
Halt Kapitän! Lasten wir das Pferd
noch einen oder zwei läge leben. Ich will
so lange kein Wasser und es kann meine
Ration bekommen,
Ader der Kapitän schob ungeduldig den
jungen Mann zur seile und erhob aufs
Neue die Art. Ader ehe er noch den
Streich suhren konnte, war Armtrong
vorgeixiunaen, um mit feinem Körper den
Schlag aufzufangen. Miltcm's Leidem
schalt war entflammt. Er hätte troydem
zugeschlagen, hätte Anna nicht mit beiden
Händen seinen Anr. umklammert. Nein,
Vater, nein, schlag' doch ihn nicht!" rief
sie bebend.
In demselben Augenblicke deutete
Armstrong nach der Windseite: Gott
sei Tank, ei giebt Regen!"
Gut, wir werden sehen", sagte Mil
ton, als er zur Seile trat und scharf den
Himmel musterte. Ja da stiegen
schwer Wolken am inxmcl aus
rr.val tyo :r.en jtcpt un flieg t:n
klagendes, durchdringendes Wiebern aus,
all wenn er schon en Regen wi, leite.
Nach einer halben Stunde strömte er
rauschend herab, er mir ein wahreSünd
flutb, Gott segne Sie. mein Herr!" sagte
Anna u Almitc!tg, Nur durch Sie ist
mein Pserd gerettet.
Dcr
Sonn
8W
Jahrgang 14.
Beilage zum Rebraöka Staats-Anzeiger.
.
erreicht und Wasser in Hülle und Fülle
zur stelle.
Nachdem der Kapitän hatte Anker wer-
sen lassen, erlaubte er Anna und Ami:
ström) mit ihrem Hannibal ihn an Z Land
zu begleiten.
DaS junge MZdchen ritt an der Seite
ihres loters eines jener galoreien zu,
die er besuchen wollte. Während er dort
sein Geschäft abwickelte, ritt Anna allein
, kurzem Galopp einem bewaloeten Hu
ael u, der etwa eine halbe Meile von
der Niederlassung entfernt, ihr einen
prächtigen Rundblick über die sie um-
denke nrnle Scenerie gestaltete, ie
suchte diesen Platz stets auf, wenn sie
hierher kam, Ehe sie an den Hügel
kam, mußte sie durch eine Schlucht, die
zu beiden Seiten von dichtem Gebüsch
umtahmt wurde.
Kapitän Milton gewahrte ihre Ab
Wesenheit erst, als er sein Geschäft ab
geschlossen hatte.
Da-i unbesonnene Mädchen!" ries er,
als er ihre Gestalt fern auf dem Hügel
erblickte, Sie hätte nicht so weit gehen
sollen!" Er und Armstrong, beide mit
guten Flinten versehen, schritten aus den
Hügel zu,
Anna wir mittlerweile abgestiegen
und ihr Pferd einige Schritte weiter ge
gangen, wo es das lange, frische GraS
an dem AbHange des Hügels abknab
berte. Das junge Mädchen fuhr plötz
lich erschreckt zusammen. Ein tiefes
Gebrüll wie fernes Donnerrollen wurde
hörbar und entsetzt sah sie, wie auS dem
Dickicht unten in der Schlucht ein Hat
hervorbrach.
Er bot einen schrecklichen Anblick dar,
als er näher kam. Sein mächtiger Kops,
sei gebräuntes Fell, seine großen, lun
den Augen, welche wie Feuerkugel glüh
ten, seine gerunzelten Brauen und die
flatternde Mähne, zusammen mit den
Schmutz- und Lehmflecken, die an seiner
Gestalt hafteten. Alles das war wohl
geeignet, ein mu!hges Herz als das-
jeniae Anna'S zittern zu machen. Und
dann seine Stimme, immer lauter wer
dend, je mehr r sich näherte; sein surcht
baies Gebrüll schien selbst die Erde zil-
lernt) zu machen und bis zu den sernsten
Grenzen des Horizontes zu dröhnen,
Schaarcn von Vögeln flogen erschreckt
und schreiend in die Lust, In der Ferne
tonte das anznoolle Blocken des ausge:
schreckten iltes, und ganze Affenschagl
ren sprangen eiligst von Ast zu Ast fort
Hannibal spitzte seine Ohren. Wohl
kannte er jenen fürchterlichen Ton, den er
so ost in seiner hennalhlichen Wusle ge
hört halte. Seine dunklen Augen er
veiteiien sich. Er wandte sich um und
starrte wie angehestet aus den sich nahern
den Feind. Da unterbrach Anna'!
Stimme die angstvolle Pause, Hannr
bal, Hannibal!" rief sie mit bebender
Stimme. ES war die höchste Zeit, denn
der nie hatte bereits beinahe die Halste
des Weges zurückgelegt.
Das brave Thier stand mit drei
Sprüngen an ihrr Seite. Das Gebrüll
des Königs der Thier erschütterte die
Lust, Es war, als fei darin die Wuth
von tausend Dämonen entfesselt, als das
junge Mädchen in den Sattel sprang,
Porvärts, Hannibal, vorwärts!"
tönte ihr schrille Stimme, die seltsam
mit der ihres furchbaren Verfolgers ton
IraSirte, Das Pferd beantwortet das Gebrüll
des Löwen mit einem fast herausfordernd
klingenden Wieher.
Einen Augenblick schien S die ganz
Kraft seiner klastischen Glieder zu dem
Weltlaus um Tod und Leben zu sam
mein, dann schoß es pit in Donnerkeil
davon.
Schneller stürzte nicht die Lawine vom
Berge herab; nicht der Strom glühender
Lava aus einem Vulkan kann blitzartiger
herausschießen als der mulhige Renner
den Hügel hinabflog.
Weiter! Weiter!
Braver Hannibal, nie hattest du so
nöthig, deine Ausdauer zu zeigen als
jetzt! Wie der Wind in deine Ohren
vieift, wie die Bäume, di Büsche, die
Felsen gedankenschnkll an dem Auge bei-
ner schonen Nklterin oorudersliegenl
Deine Hufe scheinen kaum den Boden zu
berühren dein weitgeöffneten Rüstern
ziehen schnaubend die Luft in eZ fließt
echieZ Blut in deinen Äsern.
Und weiter fliegt der Renner. Aber
schnell ist auch der Feind hinter ihm.
Eher kleiner als größer wird der Ami
der Löwe änderte seinen Weg, Plötzlich
verschwand er in einer Dschungel am
Wege.
Neue Hoffnung erfüllte das Herz des
jungen Mädchens. Wieder riß sie ihr
Roß herum und jagte nun gerade auf die
lederlaitung zu. Sie fah, wie ihr
Baier und Armstrong in der Ferne die
Köpfe schüttelten und ihr zuwinkten, nicht
weiter zu reiten.
Und weiter ging die Flucht! Plötzlich
bemerkte sie, baß sie sich einer kleinen
Erhöhung näherte. Wieder sah sie ihren
Pater ihr zuwinken, aber sie konnte nicht
verstehen, was er damit meinte.
Einige Sprünge brachten Hannibal auf
den Gipfel der kleinen Anhöhe. Eine
andere lag ihr gegenüber und beide bilkk
ten so eine nicht tiefe Schlucht, ungefähr
elf Fuß breit und fünfzehn lies.
Entsetzen bemächtigte sich Anna's, Der
Löwe lag in dieser Schlucht; als ob er
wüßte, daß Hannibal diese Schlucht un
möglich überspringen könne, hatte er sich
unbemerkt durch die Büsche hineinge
schlichen und lag nun da aus der Lauer.
Aber Hannibal's Auge schienen Blitze
zu sprühen. Er spannte jeden Nerv an,
und als der Löwe mit entsetzlichem Ge
brüll, mit gesträubter Mähne und leck),
zenden Fängen auf ihn zusprang, schnellte
das schöne, muthige Thier wie ein Pfeil
in die Lust, hinüber über Löwe und
Schlucht hinweg und erreichte glücklich
den anderen Gipfel.
Und jetzt war Anna auch im Stande
auf die Niederlassung zuzureiten, aber
keine dreißig Schritte hinter ihr warder
Verfolger. Es schien ihr, als vermin
dere sich der Zmischenraum zwischen ihr
und ihm, ihre qellenden Anastrufe drangen
an das Ohr ihres Pferdes und flößten
seinen Adern neue Kraft ein.
Vorwärts, Hannibal, vorwärts!"
Keine zweihundert Schritte vor sich sah
Anna ihren Vater und den Freund aus
sie zueilen, eine Schaar eingeborener mit
Speeren, Bogen und Pfeilen folgten
ihnen.
Roch einige Sprünge des Rennens und
er war so nahe heran, daß Milton und
sein Begleiter den Löwen aufs Korn neh
men konnten. Zwei Schüsse knallten
fast zu gleicher Zeit. Beide trafen,
Der Löwe siel, in Kopf und Brust todt
lich getroffen, auf die Seite aber nur
für einen Augenblick, dann stand er wie- j
der aus den Beinen, racheglühender und
furchtbarer als zuvor, und nahm die Ver
folgung wieder auf. , Noch einmal mur
den die Gewehre geladen und abgeschossen.
Armstrongs Kugel wars ihn nieder. Sie
war durch dag Hirn des Löwen gedrungen,
der niedersiel und sich hin- und herwäl
zend im Todeskampje in die Erde biß.
Und nun kam noch ein Hagel von Pfeilen
auf das zu Tode verwundete Thier herab.
Bon einem halben Dutzend derselben
durchbohrt, sprang das wülhende Thier
mit einem Satz entsetzlichen Gebtüll noch
einmal ernpor und siel dann todt zur Erd
nieder.
Einige Minuten später lag Anna ge-!
rettet in den Armin ihres Vaters, äh-
rend Armstrong daS keuchend Pserd am
zaget hielt und eS zärtlich tupfte und
streichelte; hatte es doch das Madchen gc
rettet, daS ihm so theuer war.
Armstrong," sagte der Kapitän, inl
dem er seine beiden Hände faßte, Euch
allein verdanke ich daS Leben meines
KindeS, denn ihr verhindertet mich, das
Pferd zu todten als ich es für nöthig
hielt; hatte ich eS getodtet ich schaudere.
wenn ich daran denke, was dann das
Schicksal meine theuren Kindes gewesen
wäre. Hätte sie das Pferd nicht bei sich
gehabt als sie den Löwen sah sie wäi
nach wenigen Augenblicken in seiner Ge
walt gewesen!"
So ist es!" rief Anno; auch wenn
ich das Pferd nicht mitgenommen, würd
ich jenen Hügel besucht haben, denn es
ist einer meinkr Lieblingsplätze in dieser
Gegend. Welch' em Glück sür mich,
daß mein edleZ Roß damals nicht gelobtet
würd! Aber Armstrong, indem Sie sein
lieben retteten, setzten eie eS in den
Stand, heute das meine u retten!"
Und wie kann ich Armstrng hinrei
chend vergelten, daß r mich damals hin
dert, S zu tödten?" rief Milton freudig.
Anna warf einen liebevollen Blick oer
stehlen auf ihn, in dem sich aber Zärt,
lichkeil und Dankbarkeit zugleich fxiegel
ten. Bedurft es einer weiteren Er-muthiaunq?
Üvkniq stunden darauf
3m tollen Zaine.
Auch eine IZnniieriing an das .afci
"iicm ((. !rog.
14S
AIs in PaiiS der Herenkeffel der
Februar-Reoolution brodelte, sing es auch
in anderen Ecken und Winkeln an zu
sieden und zu kochen. So geschah eS
in meiner engere Heiuiath, nahe der
Residenz Wiesbaden. Erst munkelte
man blos von Freiheit und Gleichheit",
dann kam die große Stunde und es ging
los.
In unserem Dorse geschah dies schon
am 3. ivcarz, einem lauen Frühlings
tage, alle Hände waren geschäftig bei
den ländlichen Arbeiten, und keine
Seele ähnle, aS der Tag noch bringen
sollte.
Gegen den Mittag sah man aus der
Heerstraße Schwärme von Menschen
herankommen; über den einzelnen Hausen
flatterten Fahnen; Freiheitslieder ertön
ten und das Rasseln der Trommeln ver
oollständigte das sonderbare Bild. Als
die Hausendem Dorse nahe waren, wurde
plötzlich mit allen Glocken geläutet. Ein
verwachsener Schneider, der Hauptfüh
rer im Dorfe, und seine Anhänger grüß
ten die heranziehenden GesinnungSzenos
sen mit Glockenton, Und da waren sie
auch schon, die blauen Husaren" so
genannt nach ihren blauen Kitteln die
nach Wiesbaden zogen, Freiheiten zu er
zwingen. In allen Straßen lagerten
sie, die Köpfe unter Zipfelmützen oder
breiten Schirmkappen, hin und wieder
auch Schlapp- und Evlinderhüten. Alle
wollten essen und trinken und es ward
ihnen reichliche Atzung gereicht. Es
war ein unbeschreibliches Bild! Sin
gen und Juchheien an allen Enden. Hier
tanzten stc auf offener Straße, dort zank
ten sie mit einem Redner, der in feines
Dorfes Dialekt, der Freiheiten noch lange
nicht genug verlangte, via mehrflun
diger Rast gaben die Trommeln das Zci
chen zum Aufbruche und unter Gesang
walzte sich Die Masse zum orsc hinaus,
Wiesbaden entgegen.
AIs sie abgezogen waren, war kein
Brot mehr im Kasten, kein Faust Käse
mehr vorhanden, und aller Schnaps und
alles Bier ausgetrunken.
Drei Tage später stürmten die Glocken
wieder. Der Schneider-Held hatte die
Bürger in die Gemeindestiibe zu einer
Berathung berufen. Er mit der bir
kenen Tabaksdose in der Linken und
stets eine Piise in der Rechten, war der
öffentliche Ankläger; der Schutze, der
Hirt, der Flurschütz, der Förster waren
Angeklagte, In einer längeren Rede
legte er dar, daß die Gemelndebedienste
ten zu stark besoldet seien, sie zehrten
das Gemeindeoermögen auf und seien
die Ursachen, daß alle Anderen unter
einer unerträglichen Steuerlast seufz
ten. DaS dürfe so nicht weiter gehen
und eS sei ein Glück, daß das Volk
endlich die Ordnung seiner Angelegen
heitcn selbst in die Hand genommen habe.
Eine neue Zeit sei angebrochen und bei
halb machte er den Vorschlag, alle Ge-
meindebediensteten auf die Hälfte ihres
Einkommens zu setzen.
Dieser Vorschlag wurde mit Jubel
aufgenommen, und dann kündigte der
Redner dem anwesenden Schulzen an, daß
er nicht mehr 400, sondern 200 Gulden
jährlich zu beziehen habe; ebenso setzte er
tie übrigen Bediensteten bis zum OrtS
diener aus halb: Rationen herab. Dar
nach verkündigte er neue Gerechtsame.
Jeder Bürger" war von uun an b
rcchtigt, seinen Bedarf an Holz und
Streu ohne jede Erlaubniß im Walde zu
holen, Fischerei und Jagd waren frei,
denn wer das Wild ernährt, dem gehört
s auch.
In des Schulzen Haus wohnt in
pensionirter Obersörster, ein bejahrtcr
Herr und Junggeselle. Die Neuzietde
hatte ihn auch in di Versammlung ge
führt. Er flüstert dem Schulzen etwas
in's Ohr, dann stieg r auf die Bank,
bat ums Wort und sprach: Leute, Ihr
habt dem Schulzen 200 Gulden abge
cgen. Des ist zu viel. Für den Rest
kann er den Dienst nicht thun, denn er
hat auch Auslagen zu machen, die er nicht
vergütet bekommt. Wie wäre s nun,
wnn r jetzt süns Maß Schnaps geben
wollte, und ihr würdet ihm dafür 50
stieg auch sür ihn und zwar mit dem
besten Erfolg auf die Bank. Auch für
den Gemeindkkassirer, der Flurschütze
und Hirten fühlte der alte Forstmann
ein menschliches Rühten und auch sie
sühne er gegen entsprechende Trankopf
siegreich zur altgewohnten Einnahme
Höhe zurück.
Sämuitliche Dorfinsassen, alt und
jung, männlich und weiblich, hatten sich
unterdessen in und um das SchuizenhauS
versammelt, alle sangen, jubelten und
tranken, nein betrunken sich! End
lich vertheilte sich die tolle Gesellschaft
in die Wirthshäuser deS DorseS, wo das
Gelage bis in den lichten Morgen fort-
gesetzt wurde.
Ich habe später einen der Wirthe ge
fragt, ob denn der Stoff, den er damals
so massenhaft hergeben mußte, auch be
zahlt worden sei? Er versicherte, cS sei
alles bezahlt worden, aber weder der
Schulie noch sonst ein Bediensteter habe
einen Pfennig dazu gegeben. Man habe,
als die Ordnung wieder hergestellt ge
Wesen, ein Simplum Gemeindesteuer
mehr erhoben und und daraus sei alles
bezahlt worden. (43 haben also die
Bauern ihren FreiheitStrank" später
iclbst bezahlt, und so wurde hier that
sächlich der Teufel durch Beizebub aus
getrieben. Mehr als an den Besoldungsabzügen
hielten die Bauern an den Freiheiten,
durch die sich Jeder nach Belieben bereit
chen, konnte. Dir Jagd auf Hirsche,
Rehe und Hasen, ebenso die Ausnutzung
der Wälder wurden in großem Maßstabe
in Scene gesetzt. Selbst der Schneider
Held verschaffte sich eine alte Flinte und
zog auf die Pürfch, aber nur einmal,
dann nicht wieder. Er wagte sich allein
in einen Jagdgrund, in dem viel Hoch
wild stand. Nicht lange stand er, die
Flinte unter dem Arm, da rauschte eS
durch'S Unterholz und im nächsten Augen-
blicke stand ein kapitaler Hirsch dicht vor
ihm und sah mit seinen großen Auaen
Itolz aus das verkrüppelte Menschlein
herab. Der Schneider regte sich nicht,
sein Herz schlug Generalmarsch, denn
das gewaltige Thier schüttelte drohend
das mächtige Geweih und stampsle kam
psesmuthig den Waldboden ; Meister
Zwirn aber warf die Flinte über den
Rücken und stob heimwärts. Einen
zweiten Jagdzug hat er nicht gewagt.
Er hatt es auch nicht nöthig, die Haut
zu Markt zu tragen, denn es verging
kein Tag, an dem nicht durch die Oits
schelle bekannt gemacht wurde, daß da
oder dort ein Hirsch oder mehrere Rehe
verpfändet würden. Das Wildfleifch
war spottbillig, in allen Häusern schmor
ten täglich die Wildbraten, und man aß
thatsächlich mehr Fleisch als Gemüse und
Brod.
Wäre der unruhige Schneider nicht
gewesen, so würd in unserem Dorfe die
Revolution wohl ohne gewaltsame Akte
verlausen sein, doch dieser Erzheld strebte
nach hohen Dingen: er wollte Schulze
dS DorseS werden. Dieses Streben
öffnet den Begüterten die Augen und
dem Schneider brach es den HalS; denn
eS lief stracks gegen den stark auSgepräg
ten Bauernstolz, einen Schneider als
Dorfpotentaten schalten und walten zu
sehen, ES bildeten sich zwei Parteien.
Die Bauern fchaarten sich um den regie
renden Schulzen und um den Schneider
faamelte sich der Janhagel des Dorfes,
der nichts zu verlieren hat, aber überall
prositiren will. Letzterer erklärte den
Schulzen für abgesetzt und huldigte dem
Schneider als dessen Nachfolger. So
weit war alles ziemlich ruhig verlaufen;
als aber der Schneider eines Tages mit
allen Glocken stürmen ließ und dann mit
seinem Anhange kam, um den Schulzen
schrank mit den Akten in sein Haustein
überzuführen, da bekam die Sache in
ander Wendung.
Der Schulze, welcher Wind von dem
Anschlage haben mochte, hatt sein Hos-I
Ihor oeischlossen. !vor dem Hau! am
melt sich deS Schneiders Tioß und tobte
und drohte, das Hoflhor zu sprengen.
Da. als die Tumultanten ihr Drohung
ausführen wollten, öffnete sich nicht
das Hosthor, sondern die Fensierreihe im
ten eingeschossen. DaS Wild wurde
suichtbitr gehetzt und iedeigemacht, wo,
bei es ost genug vorkam, daß sich die
Jäger uIereiai,der anschössen oder in
harmloses Müllerthür für eine Hirschkuh
ansahen. Die Fuicht vor Strafe hütete
den Wald nicht mehr.
Am schlimmsten erging S den Schul
zeu; die Schulzenschiänke wanderten hin
und her, dies um so leichter, als stets der
neu kikorene Schulze die ihm zuerkannte
kurzlebige Ehre durch in ansehnliches
Irankopfer zu sühnen hatte. Der Wan
dertag des SchulzenschrankeS war also
immer in gest- und Fieudentag für daS
Dorf.
Nun, jedes Ding hat ja ein Ende, und
auch das tolle Jahr von IStS. Und
manch' Gutes ist uns davon geblieben!
Ursprung der ,,3eilunfltil".
Zu Anfang dieses Jahrhunderts gefiel
man sich selbst in den besten Gesellschaft,
klaffen darin, sich gegenseitig zu miistiftzi,
ren, d, h. die unglaublichsten Dinge in
einer (Kannen mi en chattlichen min
vorzutragen, so daß sie den Anschein der
Möglichkeit, der Wahrschrinlichkcit er
hielten. Ein geistreicher Biüsseler Jour
nalist, Namens Egide Norbert Eorn,
lissen, oeifland eS ganz besonders, die
fabelhaftesten und lächerlichsten Neuig,
keilen zu karrikiren und die Feuilleton
der Zeitungen damit zu füllen, Auch
olqcnde Gc (Lichte rsand er : Die Ge
sräßigkeit der Enten ist unbeschreiblich,
wie man auS salzendem Fall ersehen
kann. Man hatte zwanzig dieser Thiere
zusaniinengebracht. Eine davon wurde
amml Federn und Knochen klein gehackt
und von den übrigen neunzehn gierig aus,
gesresse. Eine von den letzteren wurde
daraus den übrigen in derselben Welse
vorgesetzt und ebenfalls ausgesressen, und
so ging es fort, bis nach kurzer Zeit nur
eine Ente übrig war, welche ihre neun,
zehn Schwestern im Leibe hatte. Die
Geschichte, welche von ihm sehr geistreich
ausgeführt war, machte in kurzer Zkit
die Runde durch alle Journale und Zei
tungen Europas. Nach mehrmaligen
Auffrischungen war sie dennoch in Europa
so ziemlich vergessen, als sie um daSJahr
ISW in Amerika wieder aufgetischt
wurde. Hier wurde die Thatsache von
angeblichen Augenzeugen feierlich be,
stätigt, auch ein ausführlicher SektionS,
bericht über die getödtete letzte Ente bei,
gefügt. Diese Auffrischung der alter
Geschichte erregte in Europa große
Heiterkeit und durchlief wieder als
Entennachricht", mit den entsprechenden
Kommentaren versehen, alle Zeitungen.
Jetzt ist di Anekdote vergessen und nur
noch der Ausdruck Zeitungsente" ge
blieben.
Seltsamer Sinsa.
In einem Schlosse im nördlichen Eng,
land werden zwei Zimmer gezeigt, die an
den Enden zweier Korridore liegen und
durch einen seltsamen Mechanismus mit
einander verbunden sind. An jedes
Zimmer schließt sich der übliche Alkoven
an der Schlafraum und der Fuß,
boden der beiden aneinanderstoßenden
Alkoven kann an einem in der Mitte der
Scheidewand verborgenen Zapfen gedreht
werden. Diese sinnige Einrichtung ver?
dankt dem Humor eines Vorsahren dS
gegenwärtigen Besitzers des Schlosse
ihre Entstehung, Er liebt e nämlich,
damit seine Besucher zu foppen oder auch
zu erschrecken. Schlief der eine im
grünen Zimmer und der ander im
blauen, so wurde zur Nachtzeit der
Zaxfcn gedreht und beim Erwachen fand
sich jeder in einem fremden Raum und
fremden Kleidungsstücken gegenüber.
Der humorvolle Lord hatte sich übrigen,,
mit Hilfe dieses Mechanismus um in
reiche Erbschaft gebracht. Er lieh ihn
einmal einer seiner würdige Tanten
gegenüber in Wirksamkeit treten und sie
vergaß ihm diese Erwachen nie.
Münchhause.
Ein amerikanischer Jäger erzählt:
Wenn bei uns in Michigan ein Jäger
auf wilde Kaninchen geht, thut er es rft
im Dunkeln, zündet an der Ecke eine
Eedernhains ein großes Feuer a, und
entfernt sich dann. Von dem Lichtschein
werden die Kaninchen in großer Anzahl
herangelockt. Da sie daS Feuer warm
und angenehm finden, fetzen sie sich rund
um dasselbe, bis e verlöscht. Der ge
schmolzen Schnec friert blitzschnell wie
der und in kurzer Zeit sind di Kaninchen
in ihrer Wärmstube" angefroren. Am
folgenden Morgen stellt sich der Jägr
mit einem handfesten Stock ein und
schlägt die Opter seiner Lift mit einigen
Hieben todt.
Lockmittel für Zchausenfter.
In Paris ist an der Außenseit dn
-hrtifftitr irtint- in
ersten Stocke de Schulzenhaufes, und ,n , , , worden, der viel
htm ki-n .weiter eri&tin her olle 1 btre . . p . . .
r ' .- rr ... , , . i'iageromrnence au tm Winker ium
orfter mit mr Doppelbüchse in , StfynbUlim vox .selben veranlaßt.
Hand ,n dem zweiten der Lchu.ze ,,, besteht au inern m
hatte der
schenraum zwischen Verfolger und Ler, ! junge Mann bereit ihre Einwilligung,
folgten, sein Weib zu werden, eine Einwilligung,
Der scharke Blick des RaubthiereZ er- welche dr dankbare Kapitän, als r es
kennt leicht di Richluua, die das Roß erfuhr, vollkommen billigte.
Hau-! eimchläzt. Mit der Schlauheit seiner! Kur, Zeit nach ihrer Rückkehr nach l flieg der klug Oberförster wieder
Rasse biegt er au, um den Flüchtigen , Monrovia sand v,e Hochzeit des ,ungeu , 0U fcIt Da b ict für eine netter
unleren Scheibenronde verlaufenden
l51ilrwn ,i tltnen?" "ta mah ! lii.nt r !
zustimmend auS der Versammlung; nur u.1''.n "chsener Sohn mit einer zj mi kleinenOefsnunge, au
ver neiker xroikMie, wuroe aver c "" denen warme und noch obendrein xar
aufgelacht, und als dann der Schnaps ! Diese die, en!ichlo,senen ivcanner zogen sgmirte Luit hervoNtrömt, di, die Leute
ankam, trank er tapfer mit. T iese fünf j die Hähne auf, legten die Kolben an s ie rn einlaugen. Ebenso wird dadurch
Maß verschwanden wie ein Tropfen auf l Backen, und dann rief der Schulte n tue betreflertbe Scheibe ober gegen da
I glühenden Ofen. AI sie zur Neige
Zwei große Gefäße wurden durch itr.
Regen gefüllt und H:nn,bal durste sich
wieder einmal ordenilich satt trinken.
Mit dem Regen erbob lich auch der Wind
lins IT!'i Tu r- r fci fU-V.Tt,
den Weg abmschneiden. Don fern dröh
nen zwei Schusse herüber, der entsetzte
Vater und der Freund Anna hatten ihr
Paar statt. Noch lang Zeit lebte
Hannibal bei ihnen, nach Verdienst gehegt
und gepflegt. Und nächst ihrem
Flinten abzcschofse, ohne Erfolg, denn! Gemahl, ihren Kindern und ihrem
i waren noch ,u weit entkernt, m ! Bat liebte da junge muthige Weib kein
sicher zielen u können. Aber beide !u j ndere lebendes Wesen so sehr nie ihren
oen schnell wieder die Gewehr und eilten Lebensretter, ihren Hannibal.
heran, '
AIS Anna iah, daß der Löwe nach 1 prcfai"..
links auSbrach, riß sie plötzlich das Pferd" Fräulein Bertha ich liebe Sie!
herum und schlug die der Riederlcisuvg Wollen Sie die Meine werken?"
e!zeznz'e:e Richtung ein, die sie' .I! Woiu hZtte ich dena fonft
Besoltungserhöhung um 50 Gulden
wieder fünf Maß Feuerwaffer n. Aber,
mal erfolgte einstimmige Annahme ge-1
einem Tone, dem man den Erni wohl Kkschlagen an der Innenleite aesebütit.
abmerkte: Wer nicht sofort die ttoße! ole man ,ai durch d,e vielfach gebriuch
räumt. wird niedergeschossen!" Dme ! Reibe kleiner Gaiflammm hinter
Drohung wirkte W-nter. denn im Nu,h Scheibe erzielt,
war die ganie Assemblee zerstoben, w?bi 'mir
der Schneider, der sich nicht seit nahm.
i rn.r. t.r.., ...
. . ,
v;. y.a 5,... , k ikninl, S5iii,4, III rkklilren IUM ..i...
e5 Rezept wiederholte der Obersörster Gaudium der unde beiliglen Zuschauer! Gatt: .. .Der Ruf Ihrer Wirthschaft
noch meimal und in unglaublich kurzer ! im koridache ein abkühlendes und xonn-, ist wirklich begründet; Sie hab da
eit hatten die Bauern ibren S Sulzen liehe Bad nabm. In den N:chddör I einen gan, vonüglichen Apfelwein! Da
richtig wieder aus 400 Gulven Gehalt! fern rumorte der Reroluttor.Sgeiü in itt dai wodl für ein Jahrgang',"
hmaufgelrunken. ! gleicher Weise. Hin und wieder kamen WIh (iu seiner Frau gewendet):
Die Köp'e waren ertitjt. tie Trink, ! auch Gewaltakt vr. Ta es an Poluei Jetzt betracht' rer rwr amol n,r den
lust nech lanze nicht befriedigt. Sebn-fehlte, war Jeder au' feine eigene Sicher.-unver.chSmt Stad'.krack! Will der
füchtia Ichauie der Förster au' s.me, deit bedacht: a! tchari.g avel omten! ier u:rt ,,,' Pfennig q rc
.tj.-r.n ,, uird der Obers ?rüer geiä'.!i'en,
eiro'tete Pisi'.ea und FIm sen' Jahrgang hawwe!"