Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 30, 1893, Image 3

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    NEBRASKA STAATS - ANZEIGER, Lincoln, Neb.
Her Bloflcrjagcr.
Ei Fachlandsroiiia ant btm dicr
i jcljuftii alirtjanattt.
guiwl a,I,Icr. .
(goilscyniig.)
yasl 35 u aber aiirt) ifraqt in ber
gmibe, im Wliicf y Welt, da liaft Tu
genommen tiui) geimfsen ! n war Tir
um beu (ninö nittii baiiijf , luniitm ir
ücijfbcii wurde. Tat (Wiuc leuchtet
Dir ein, ba glaubst Tu a Watt mir
im dinier; willst Tu nicht fassen und
begreifen uub 0okt nicht finde, Ta
ist u n n freilich schiver. und ach keiner,
der lebie, hal es gan; zuwege gebracht.
in,i,ii-fOiriltnä S,.,- V, I,nt . l,n
.,," V" "!
Betragt : .Welt, mein Wort, warum
hast Tu mich verlassen?' Ta sprach
der Mensch in ilnn ! Saa,' mir, Tiel
walb : wäre er denn (lt. wenn wir
Menschen ihn so leicht verstünde?
Und wenn Tu fragst warn n, ? weißt
Tu denn auch, ob er nicht Antwort
gibt? Er spricht vielleicht zu Tir im
ill'eiien dieser Frililigliift, im !)üui
scheu dieser Wellen. 'ir ist Teiu Cl)r
zu llkin für alle Wröfie seiner Stimme t"
,Jicin, nein, ich lor' !" flüsterte
Pater Desertn,
Nicht wahr, Tu lbrft den Tonner
der Lawine, wciiu Tu über die Berge
steigst im Frühling, Tu weißt, iuel)alb
sie fallen muß, und stiiuiui bewundernd
siehst Tu vor dem herrlichen Schauspiel
der Ävllnalnr, erhaben in Teinei Her
zen. Hort ihren Tonner aber auch die
Stiege, die in einer Üii(jc der Felswand
tlebt ? Nein, ihre Sinne find zu kur;
sie llebl und wird verschüttet und
eislieft. Zoll sie auch frage : warum ?
Soll derVauf der Zeilen sich Halt gebie
te, so ewiger Schnee die Halden drücken
d keine Blume keimen lafe, nur damit
die fliege nicht nelrankt nmbi1 Nicht
wahr, dos geht nicht au Tu liebst ja
die Älninen, Tu sagst mit Deinem
Perstande: der Sckuee nmft fallen. Die
fliege aber will eö nicht begreifen ! Bon
der liege z Dir ist ein weiter, weiter
Weg, doch niiiini ihn millionenfach, und
Tu iiillit die strecke mein ans von Tir
zu ihm ! In schwindelnder Hohe gehl
er seinen Weg, ein Schritt, und er ist
Über alle Berge, ei Schritt, und Meere
. liegen hinter ihm und jeder Schritt
bringt Werden und Vergehen, lir kennt
den Urgrund aller Tiuge. er sieht das
Ziel vor Auge, er beult der Blumen
seiner Ewigkeit doch wir. tief unter
ihm, wir, Tietwald. find die fliegen
unter der Yaivme."
Pater Desertn schlang die Sinnt ,n
Herrn ,cinridi Hai und dnicktc be
Besicht an feine Brust.
Ja, ruh' Dich aus Tu bist müde
vorn Yeben. Und wen Tir die jiritjtc
wieder komnie. dann beginne neu den
Weg und blicke auf zu ihm ! T siehst
ja von icniem Antlitz eine Zug ans
jeden fiel geschrieben, ein Abglanz f ei-
ii er Augen leuchtet Dich an aus jeder
Ichiniinerndk Welle im ee, und einen
Hauch feines Athems hörst Tu im
Rauschen des Waldes. Und da Tu,
ein Mensch, ihn nun einmal nicht fassen
kannst in seiner Größe, so halt' ihn fest
in feiner Viebe. ch meine doch. Tu
hiiüest sie kü'.i'füüdeü. V.ai was Tu
besessen hast Tu e den wirklich
verloren? Nur weil Tu es immer
halten kannst mit Handen ? Blicke doch
in die Tiefe Teiues Herzens ! Vieat
dort nicht alles, was an Glück nnd
Wonne Tein eigen war, rein und heilig
behütet, ein köstlicher Reichthum au
dauerndem Erinnern ! Tietwald!
Tietwald! Tu willst klagen? Weißt
Tu denn auch, lim wie viel reicher Tu
bist als ich?"
Pater TesertiiS hob mit fragendem
Blick die Äuge,
Alle holde Freude des Veben hnit
Tu genossen, bis Teilt Glück sich au
telte in einen Schmerz, wie ein schöner
rühlingsiag in eine i'iacht mit kaltem
Reis, Mein Veben aber war ein Vei
öeiiMng von Schritt zu Schritt, eine
reine Freude hat mir nie geblüht, nd
jede ivrucht, nach der ieii griff, trug den
Wurm oder die Filiß in ihrem
eine, Ich habe mehr gelitten ali
Du, d ich nur Schmerzen gewann,
ohne Freuden z,i verlieren. ",ch hatte
einen Bruder, der mich haßte, weil ich
der Aelterc war: hatte eine Mutter,
die mir ihren Tand und ihre Falken
liebte ; hatte einen Baier. der mich ver
fließ, weil ick nicht schmeicheln konnte;
das Weib, das mich ohne Viebe nahm,
brach mir die Treue ; mein Freund, der
einzige, an den ich glaubte, war ihr Ver
führer ! ich diente redlich meinem mis
sten, wurde des Berrath beschuldigt
itnd iii etten geworfen. Aus dein
erker floh ich in' Kloster. Ich haßte
die Menschen im konnte Gott mir
fürchten. Nicht mit Inbrunst in
Zittern hab' ich gebetet und den Grimm
meine Herzens zu erlösten gesucht in
schwerer Büßlina,. Doch Haß und
Furcht hingen fest an mir! Wen ich
aus dem lofter niederstieg in' Thal,
iah ich die Noth mir und der Menschen
Peiu ; wenn ich emporstieg auf die
Berge, sah ich nr die -cdrecken der
Natur, Perwiifinng und Zerstörung
den Gott in feinem Grimme! Mit
schaudernder Seele floh ich wieder heim
meine Zelle, fang und betete und
schwang die Geißek."
.lind wie kam Euch die Erlösung?-
Es war an einem Tage spat im
Herbst. Ich lag auf meinem Beil. ent
tiaflet. blutend ans den Stunden, welche
die Geißel gerifien. die brennenden
Augen auf die kahle 4Aiiid theilet.
Die kaßiieden Bilder meine kalten,
untzloien Veben zogen vor meinem tan
melndcn Geist vorüber, nk jeder Ge
tanke war ein Schrei zu Goil: todte
inift, todte mich, wesbalb och soll ich
leben! Ta sah ich an der Mauer
einen Falter hange ; rr hielt die Flügel
echlo'ien und rulirtt sich nicht. Ich
triff ach ihn, nnd er lieg sich fafien.
Seine Fuße waren starr, die schwingen
ieladmt er (rar erfroren in meiner
kalten Zelle. .Dein Sebickial ist da
ine,e iay.t ich 1111 lief; ihn ;u Boden
falle. Ta flieq dir Sonne über die
Berge, und durch da per Fenster
meiner Zelle fiel ein warmer goldiger
2lraul acradt auf die -teile bin. ans I
weicher in iatT loj. ES st;
nicht lange, da begann er, auf der Seite
liegend, die Fiißehen zu rühren, Sa
zappelie er ein Weilchen, aber e gelang
ihm nicht, sich anfznrichien. Ich hielt
ihm den Griff meiner Weifjel hin, er
klammerte sich an da Holz und stellte
die Schwingen ans ; lange saß er ruhig,
da plötzlich legte er die Flügel oiisciii
ander, schloß sie wieder, kroch vom Hol;
der Geißel ai.s die Erde, und weiter und
weiter, immer der Sonne ach. und an
der Mauer empor uf da Gesims des
Fenster. Hier faß er noch ei Wel
chen, als müßte er rasten und immer
spielte er iii den Schwingen und
da mit einmal begann er zn flattern,
erst schwer und lilhfam doch immer
leichler wurde fein Flug, und so schwebte
er hinan zum Fenster und ganteile in
den Klanen Himmel."
Herr Heinrich schaute lächelnd empor
in das endlose Blau, dann fuhr er mit
einem ernsten Blick ans Pater Defertnö
fort :
AIS der Falter meinen Augen ent
schwiinden war in der goldigen Viijt, da
kam e über mich ich wußte nicht wie.
Mir war, wie wenn Gölte Stimme
mir geboten hätte : Steh' auf und lebe!
Ich erhob mich, wusch meine Wunden
und kühlte sie mit Balsam, Wie ein
Träumender trat ich au dem Kloster
nnd wanderte hinan in da herrliche
Thal. Die Sonue spann in den Vitf
teil, silberne Fäden flogen und der Laub
wald leuchtete in den bunten Farben des
Herbste, Tie Minder liefen auf mich
zu und küßten meine Hände ach, wie
traulich blickten ihre lieben Augen zu
mir auf! Alle Felder waren belebt,
überall hörte ich Aachen und Gesang,
nd als ich heimkehrte in das lofter.
trat ich vor Herrn Eourad von Alten
tan, meinen Propst, und sttgie: ,Gebt
mir Arbeit !' Ach, die Tage, die nun
kamen ! Ich zog wie ein Roß, das des
langen Stehen im Stalle niüd' gewor
den ist, lleberall griff ich zu. Ich
ordnete und mehrte das Gut unsere
iilofler, hob den Talzbau, war Fisch
meifter, Siellcrnieifter, Wildmeister, alle
in einem wo immer nur ein Anderer
müde wurde, trat ich an seine Steile ;
und alle wandelte sich mir zur Freude!
Ich milderte die Strenge meine be
reu, versöhnte die grollenden Vaudsas
fen, hals, wo zu helfe war nd je
mehr ich den Mensche helfen durste,
desto mehr begann ich sie zn liebe,
Ihr Tank, Tietwald, hat mich das Ka
chel gelehrt ! lind keinen schloß ich
aus meine Bruder fliiijtc ich in
schwerer No. , die iiiuver jenes Weibes
hob ich aus Elend empor zu sreund
lichei vebeii und. meinem Fürsten, wel
cher Kaiser geworden ist, diene ich mit
der ganze Treue meine Herzen,
Sage, Tietwald war e nicht eine
Gotteslehre, die mir der Falter gab, da
er emporflog in da Blau: .Willst, Tu
den Himmel finde, dann geh' in die
-oiüie!' Ta thä' ich, Tietwald
ich suche ins Veben die Sonne, 110 in
den nverineidiichen Schalte trag' ich
die Helle, so gut ich e vermag, Ta
fließt mir nun jeder Tag wie eine schöne
Gabe Gatte. Ich freue mich jeder
Blume, die aus meinem endenden Wege
blüht in auch ein Anderer sie
psliicken mag! Und schielt mir Gott
mit aller Freude zuweilen auch einen
Schmerz, dann trag' ich ihn und such'
ihn zu verwinde. Aber ich srage nicht,
wann ich leide." Er legte die Hand
auf de Pater Schulter und fügte lä
chelud bei i Daß ich leide, da genügt
riir ! II,m ,, Tietwald ich bin
ei Mensch !"
Pater Tcfertu hatte das Haupt an
die Mauer feiner lause gelehnt, hielt
die Hände im -chooße gefaltet, und
während er durch die leise schwanlende
Zweige der Buche, a denen dieBlait
che schlichter sproßte, emporblickte
ziiin blaue Himmel, perlten die Tina
neu über seine bleichen Wangen die
erste Thränen nach lange Jahren.
Herr Heinrich schwieg eine Weile,
Tau sagte er: verzage nicht, Tiet
wald auch Dein Falter wird noch
fliegen ! Flog er in fünfzehn 'lalire
nicht, gib acht' er fliegt ii nächsten !"
Fünfzehn Jahre!" glitt es leise von
des Paters Vixpen. Und mir ist, al
war' es gestern gewesen, al läge dazivi
stfien nur eine einzige Nacht, eine lange,
bange, grauenvolle Nacht, nach welcher
kein Tag mehr kniine will !" Und
jählings die Hände dc Propstes fassend,
rief er in heißen. Flehen : Ach, Herr
Heinrich, lasset mir Eure Hände, hebet
mich empor zu Eucl, dorthin, wo
Sonne ist ! Seht mich an ich habe
doch gekämpft nd gerungen, bi alle
.Strafte mir versiegte no ich fand
ja anch Slnnden ruhiger Ergebung.
Und alS Ihr erkanntet, daß die Enge
der Zelle mich erdrückte, und al Ihr
mich hierhergesandt in diese herrliche
irche Gölte, da ward e still i mir,
ivahrend der Föhn mich nirauickte nnd
draußen im -ee mein Einbanm gegen
die Welle kämpfte. Und nun alles
wird verloren !" Z eine Augen glüh
ten nnd feine -limme verlor sich in
dumpfem Murmel, verlöre - feit
vier Tagen ! Und Pei ist, iva ich
fühle, Zehnfilit, iva ich denke, i:er
tauge, wa ich fiiiuc ! Ein Gespenst
ist mir erschienen "
Herr Heinrich erschrak, Tietwald '."
Ein espenfl. wie au der Asche
gestiegen und dennoch Fleisch nnd
Blni, mit meine Weibe Haar, mit
meine Weibes Augen, mit dem holde
indermnnd, der mir gelächelt in
Viebe "
Tietwald !" Herr Heinrich sprang
auf und rüttelte den Arm de Pater.
Leine Sinne taumeln nd Tei ieiit
ist krank. Wa Tir da Her; eriüllt.
tritt in die Vüüe. -o fing e bei ci
len an. Einer wurde heilig und Hnn
den wurden Zünder, eidvergeiiene
Zchclme! Greife nach einem Hast oder
Tu diit verloren ! Ich muß Tir Ar
Keil geben. Tie Angel zu kodern nie
Hecht und Frech, da taucht Dir
nicht !
Hm!" stammelte Pater Tefertii.
Ich fall fort von hier?"
Höre mich an ! aiser Ludwig will
mit dem Papst verhandeln. Es zwingt
ihn die Noth. Und er will einen Prie
ster senden, doed einen, der ein deut
febe, ritterliche Herz unter feiner
ntkk trägt. Er fragte mich um Raii,
ich halte an Tich gedacht. Nun
will ich. daß Tu gedi'l Z Und ich hone,
daß ick mich in Dir nicht tauschte!"
Herrn Heinrich Worte klangen, g!
schlüge Stahl auf eiern.
neuer da vnrnitj de Pater raun
eine duiille Nöthe ; er richtete sieh stolz
empor. Wann soll ich reise. Herr?"
Tu wirst e erfahren ! lind i a
deie Vft sollst Tu mir noch heute
in kühlende Gletscherlust ! Begleite
mich! Wa stehst Tu och? Rasch,
Tietwald, rasch ! Schürz' Teieitte,
nimm da Griesbeil nd den Bast
hat !"
Pater Deferlns trat in die laufe.
Herr Heinrich blickte ihm ach mil
sorgenvollen Augen. Gespenster sieht
er ? Warte nur. wir wollen sie jagen!"
Zur Bergfaljit gerüstet, kehrte Pater
Deierlii zurück.
AIS sie den Wildbach entlang ging,
kamen sie zu einer Stelle, an welcher
sich über moosigem Grunde eine Bucht
mit spiegelndem Wasser gebildet hatte.
Herr Heinrich!" sagte Pater Deser
tu und deutete in da Wasser.
.Wa soll ich sehen?"
Tiefe Beiden der Eine trägt da
Kleid der irche, der Andere da Veder
wamö, die Äimbriist und da Waidge
heuk. Welcher von den Beiden ist der
Priester?"
Herr Heinrich lächelte. Ich sehe
nur zwei Menfckenköpfe der eine
grau, der andere och schwarz!"
Und dem Pater voran herschritt er
sicheren Gange den schwankende Steg.
14. avitcl.
Bei Einbruch der Tänimening er
reichten die Bergfahrer da Steinthal
in der Röth', Sie hatten im Almeiv
wald die Bareiifilhrlc auf dein Steig
gesunden und dieselbe, obwohl sie aus
dem anderen Waldgrnud nur mühsam
zn erkennen war, über eine Stunde weit
versolgt Pater Tcfertu allen ande
ren voran. Ein üble oos hatte Fra
ter Severin dabei gezogen: er fand den
Muth nicht, allein ans dem Steig zu
warten, bi die anderen zurückkämen ;
und so trollte er seufzend und keuchend
hinten ach, über Felöblöcke und Wur
zelknorre, über Steiulöcher nnd Wind
bräche.
Tie Richtung der Fahrte versprach
Herrn Heinrich keine Jagd ; der Bär
hatte sich thalwärts gegen den See ge
wendet. Als der Propst, Herr Schlutte
iiiauu ud Pater Tesertus den Steig
nieder nichtt, mußte sie geraume
Weile auf Fiaker Severin warten, AI
er endlich kam, fand Herr Heinrich in
des Frater Äusseheu alle Ursache, um
zn sagen : Binder, ich schätze Tich
schon um fünf Pfund leichter. Gelt,
da ist gesünder, alS im ellerfiüblein
hocken und die neuen Fafier losten !"
Wenn Ihr es sagt, muß e wohl
wahr fein !" klagte Frater Severin und
suchte an den, iiltenärmel ei noch
trocke Flecklei für feine Stirn, Im
Weiterfchreiten sandte er eine jamiuer
vollen Blick zum Himmel und seufzte:
TaS ellerfiüblein !" Wie war es
dort so schön, so kühl ! Und durch die
offene Thür sah mau den schier endlosen
eller mit den von Zwielicht nmwobe
neu Fässern, welche i Reih' und Glied
lagen, eine stattliche Armee von Sor
genbrecher. Besaß doch das Stist
Berchtesgade in der Umgebung von
rein nnd lofleiiieiiliurg zahlreiche
Weingüter: im Taillaud, ans der Frech
au, zn Oberndorf, Eiseiilhiir, Arm
storf. Wank. Sattelsteig, Mörtal, Rech
berg und Stein ! Frater Severin war
i keiner Vitanei so sattelfest wie in der
de dieser seinem i?hr so lieblich lliu
gende Name, Rechberg und Zteiii !"
Ta Beste hob er sich immer für zuleht
aus ; und der laug dieser beiden
Worle stimmte ihn so träumerisch, daß
er, des Weges nimmer achtend, über
ein Felsloch stolperte und seine Nase
nur noch mit knapper Noth vor einem
tt 11 tauf tcu Muß der Mutter Erde be
wahrte. Wie eine Erlösung aus dem
Fegefeuer begrüßte er bei Einbruch der
Täiuuierniig den Anblick der beiden
Jagdhäuser.
Ta hielt Herr Heinrich, der bergge
wohnten Gange den anderen voran
schrilt. plötzlich an. Mir ist, als hatt'
ich einen Ruf gehört !"
Sie blieben alle stehen und lauschten.
Teutlich tönte es von der Hohe des
Skeinthale hernieder, von dort her,
wo die Hüllen standen, mit langgezoge
nem, angstvollem Ruf: Hoidoooh!"
Eine Müdckkiistimme !" sagte Pater
Tefertii. Und sie klingt wie der
Schrei eines verzweifelnde Herzens !"
Tori oben ist Jemand i Noth!
lasset uns rascher ansschreiten ! Bor
wärt! Borwäits!" befahl Herr Hein
rich. AI sie eine gute strecke weiter ein
porgekommen waren, klang abermals
der Ruf : Hoidoooh ! Hoidoooh !"
Trotz da Tämrneiung nahm Herr
Heinrich mit feinern scharfen Auge ans
Vorspringendem Fels unfern der Jagd
hütte das rufende Mädchen wahr. Er
höhlte die Haude um den Mund und
gab den Ruf zurück.
Da Mädchen iiiiißie'ihn vernommen
haben, denn sie horten eine schluchzen
de Schrei, wie i Freude und doch in
Jammer, nd dann, vom Winde Her
abgetragen, die gellenden Worte : Veiif.
Vfuf ! Hin (orte willen da her,
da her ! Hoidoooh !"
Tiefe Stimme!" murmelte Pater
TesertuS, Ich habe sie schon gehört !"
Und den anderen voran eilte er. so rasch
e der fieite Weg gestattete, durch die
Senkung des Thales empor. Herr
Heinrich hielt sich nahe hinter ihm, Herr
Schlutteinann blieb keuchend zurück,
Fralcr Zcverin rang athenüos die Hände
iiiid riel auf einen Ztcin block nieder.
A! Pater Teiertn dc Fuß der
letzten Holte erreichte, kam W,m, mit
jammernden Worten ihm enlgegenge
stur;,.
Sie ist es !" fummelte er und drückte,
den Schritt verhaltend, die zitternde
Hand auf feine Bru'l.
)lun stand sie vor lürn ; wirr hinge
ihr die Haare n:n da bleiche, von oer
;meifluiigool!er Angst verstörte Ge
sickichen. Sie wollte svrechen. da er
kannte sie ihn und erschrak. Sie machte
eine Bewegung, al hatte sie fliehe
möge ; aber die Sorge um eeu An
deren bannte in ihr die Furcht vor die
sem Einen. Schluchzen fiel sie vor
ihm nieder und schrie: .neliet ihm!
Helfet ihm!"
Er hob sie ans. Wem soll ich hel
fen?? Rede. Mädchen, rede doch !"
D kling Herrn Heinrich Stimme:
Wa m geschehen ?
G:ttU emwaud s ch den Händen des
?ale, eilte dein Prop,i eingegeu.
umNammerie seine Hand, und während
-ik ihn schon mit sich sortzog. der Jagd
,ütte zn, schluchzte sie: Ach, guter,
lieber Herr, schauet, ich bitt' Euch,
helfet ihm, helfet ihm, er muß ver
sterben !"
Wer, Mädchen, wer?"
Der Hahmo. der Asauino !"
Mein Jäger ! Wa ist mit ihm ?
Ist er gestürzt?"
Nein, nein, viel ärger noch! E
hat ihn " Ihre Stimme erlosch
sie durste ja nicht reden, sie hatte ge
schworen! Ich weiß nicht, weiß
nicht " schrie sie auf, ich hab' ihn
gefunden niid hab' ihn heimgebmcht
gester und er hat so gut geschlafen
die ganze Nacht, und hent' in derFriih',
da hat er noch gern genommen, was ich
ihm gekocht hab' zu Mittag aber, da
hat er angefangen, hat fchiech geredet,
hat um sich geschlagen, und nlliivil hat
er aiisspringe und fort wollen ach.
ich hab' gebittet und gebettelt, daß er
sich halte soll nd den Arm nicht
rühre nd schauet, mit zwei Häud'
hab' ieh ihn heben und zwingen müssen
und nachher auf einmal ist er weg
gefallen, daß ich schon gemeint hab', er
erlischt wie ein Vichtl und so liegt
er noch allweil und einmal war ich
bei ihm und da andermal wieder bin
ich hinausgelaufen und hab' geschrieen
und geschrieen, weil ich gemeint hab', e
müßt' und müßt' einer kommen ! Ach,
was hab' ich ausgestanden !"
Sie halten die Hütte erreicht; Gittli
eilte voran, Herr Heinrich und Pater
Tesertus folgte. Auf dem Herde
brannte ei flackernde Feuer,
Schauet doch her," weinte Gittli, da
liegt er iid thut kein Riihrerl liiu,
er !"
Herr Heinrich trat an das Vager,
l'icht, Tietwald, ich! !" Pater Teser
luS riß ein z,ur Hälfte brennendes Scheit
ans dem Feuer nd hob es über da
Heubett. Während Herr Heinrich sich
über den Kranke beugte und ihn zn
untersuche begann, zog sich Gittli scheu
in einen Winkel zurück ; kort stand sie
mit angstvoll blickenden Auge, die zit
teriiden Hände a de Kippen.
Was ist das? Ei Wimdverbaiid?"
Herr Heinrich richtete sich ai, Hast
T ihn angelegt ?"
Ja, Herr er hal doch geblutet!"
Jetzt stolperte Herr Schluttemaiiii
keuchend über die Schwelle, Was
gibt's ? Alle Wetter ! Was gibt's ! Was
gibt's?"
Seht ach, Herr Bogt, ob unsere
Veute och nicht 'kommen," sagte Herr
Heinrich. Ich branche da ästlein
mit Berband und Balsam,"
Was fehlt dem Bursch ?"
Tas werdet Ihr ersahreit, wenn ich
selbst es weiß. Geht !"
Herr Schluttemaiiii machte ein schie
feS Geficht, Herr Heinrich beugte sich
wieder Über Hahino. ' Er schlaft,"
sagte er ach einer Weile zn Pater De
sertiis, sein Herzschiag ist malt, aber
ruhig, fein Athem gleichmäßig. Er
mag einen schwere Anfall von Wund
fieber überstanden haben nnd liegt nun
in der Betäubung der Schwache, Ich
sehe keine Gefahr."
Gittli faltete die Hände und rührte
fliinim die Kippen,
Tu dort, komm' her!" rief Herr
Heinrich ihr zn, Wie heißt Du?"
Gittli!"
Komm' her, Gittli! Und sag' mir,
was Tu alles gethan haft zu feiner
Hilfe."
Zögernd kam sie näher, und nun er
kannte er sie. Warst Du nicht vor
einigen Tagen beim Bogt? Du bist
die Schwester Wolfrats des Sud
inaniis?"
Gittli zuckte zusammen.
So komm doch näher und rede!
Was haft Tu für meinen Jäger ge
than?"
Mit zitternden Handen an ihrem
Röcklein nestelnd, die Augen zn Boden
gesenkt, so gab sie mit stockenden Wor
teil Bericht, Aufmerksam hörte Herr
Heinrich zu, iiiid Pater TesertuS hing
mit den Augen wie gebannt an Gittlis
Zügen.
AIS sie geendet hatte, blickte sie mit
scheuer, stummer Frage zu Herrn Hein
rich ans, als wollte sie sagen : Hab' ich
auch nichts schlecht gemacht ?"
Ta kam Herr Schluttemaiiii zurück.
Tie Vente sind da, Reverendissime,
hier ist das aftlein!"
Herr Heinrich nahm es, Erwartet
mich draußen und laßt mir Niemand in
i die Hütte. Frater Severin "
Er ist noch immer nicht da,"
Wenn er kommt, soll er raste und
Athem schöpfe, dann soll er die Her
reiihütte in Stand setze. DerWaüi
mag hier bleiben, die vier Knechte sollen
in den Almhiilrei: nächtigen nnd Mor
gen bei Zeilen wieder hier fei !"
Herr Schluttemaiiii ging, und man
horte, wie er draußen die Knechte an
schrie, als hätten sie Wunder was verbro
chen, lind Morzen vor Tag seid Ihr
wieder da !" schloß er fein donnernde
Kapitel. :e ich reiß Euch die
hrai vom Kopf weg wnrzmeg!"
Herr Heinrich entnahm dem Kaitlein,
was er brauchte, um einen neuen Ber
band zn legen. AI er die mit Harz
verliebte Leinwand von der Wunde
löste, streckte sich Hahmo stöhnend,
schlug die Auge auf und schloß sie wie
der. '
Tietwald. sieh her." rief Herr Hein.
rich erregt, .das ist keine Wunde' wie
ei fallender Stein sie ichlägt oder wie
man sie bei einem Stur; erhalten kann.
Tas ist ein Stich, ein Messerstich ! Ter
Manu ist überfalle worden, man wollte
ihn morden ! Ta hat ein Handschutz
gethan, den der Jäger fassen wollte!
Madchen, komm' her zu wir!"
Gittli zitterte an allen Gliedern.
Aber 10 komm' doch! Sag' mir: wo
haft Dn ihn gefunden?"
Traußen." stotterte sie mit versa
ger.der Stimme, .vor der Huite."
Weit von hier ?"
Sie schüttelte da Köpfchen.
Und wie kam c, daß Du ihn fall,
des, ?"
Rathlo und angstvoll schaute sie zu
Herrn Heinnch ans.
Ader so rede doch! Ich will wissen,
wa Dick n der Stelle führte, au der
Tu ihn fandest. Wa hattest Du hier
oben zu febemen ?"
Sie rrrkjrtt lai:!!? tie V:?:n ; ii::n
plötzlich schlug sie dieHande vor iii
Geficht und brach in Weinen au).
.Ich bitt' Euch. Herr Heinrich, au all
ja Jkini nicht .' !!: Pater Teirrtu
m ilnwauienoer 'iiiuuiie. ;(i)
glaube den Grund zn kennen, der sie
hierher geführt hat. Gestern in der
Nacht starb im Hanse ihre Bruder
ei Kind "
Ein Kind de Wolsral?" Herr
Heinrich ging auf da Mädchen zn,
Tu wolltest Schneervseii holen zum
Engelkränzlein? Und da haft Tu den
wunden Mann gesunden und bist bei
ihm geblieben Tag und Nacht und hast
alle für ihn gethan, wa nur zu thun
war?" Er strich die Hand über Gilt
li Haar. Tu bist ein brave, tapse
re Mädchen ! Ich will e Tir und
Teinem Bruder danken!" ,
Gittli schluchzte laut auf, wandte sich,
hastig ab und wankte zur Thür hinaus,
TnÄiiße sank sie auf die Bank und
weinte in heißem Kummer vor sich hin,
Walti kam herbei, zog ihr die Hände
herab und schaute ihr in's Gesicht. Je,
Du bist es ? Warum weinst denn ?"
Sie riß sich lo und schluchzte och
lauter,
Weinst wegen dein da diin ? Geh',
Du bist dumm ! Ter hat einen Ge
fund' wie ein Trumm Eisen, Und
snn'S ihm such ein biß! Mh thut -Tu
spürst e ja nicht!" Er lehnte sich
an die Hütteiiwand und gähnte, Ta
sah er dicken Rauch an dem Tack der
Herreuhüite qualme, Schau', schau' I
Dir Frater feuert schon! D! Da
werde gute Sache gefocht !" Er
schnalzte mit der Zunge, Meinst?
Kriege wir auch was?" Ohne eine
Antwort abzuwarten, schlich er zur Her
reiihütte iid spähte durch die Thür,
Ter Eingang führte in eine geräii
inige Küche mit offenem Herd ; daneben
lag ein Heines Herrenstübchen, dessen
einfaches Geräth ans dem rölhlichen
Holz der Zirbelkiefer gefertigt war, und
die Schlafkammer mit zwei Heubett?,!.
Bon der Küche stieg man über eine 'ei
ter zum Bd!r,in, auf welchem Berg
h in genügender Menge ausgeschüttet
!tw, n in im Nothsall für ei halbe
Dutzend müder Schläfer weiche -.'ager-ftatt
z biete.
Neben dem Herd, auf dem ein helles
Feuer brannte, stand Frater Severin ;
er halte die Aerrnel der Kutte aufge
stülpt, eine weiße Schürze vorgelninden
und war damit beschäftigt, ein ipieß
che Schwarzreiter" die im Barlholo
mäersec gefangenen Saiblinge wurde
im Kloster z Berchtesgade auf fol
gende Art geräuchert : Ä langen hol
zernen Stäbe wurde zehn bis zwan
zig Ouerftäbche befestigt nd a die
Ende dieser Stäbchen die Fische durch
den Rachen aufgespießt ; der geöffnete
i'eib der Fische wurde durch kleine Holz
chen auseinandergespreizt. So kam die
ganze Spmde! (spiez) in den Kamin
zn putze, welche, mit Eiern übergössen
und am jähen Feuer rasch gebacken, für
den Abendtifch einen köstlichen Imbiß
gaben.
Auf den Stufe vor der Thür de
Herrenstiibcheiis faß Herr Schlntte
niaiut, nachdenklich, mit gesträubtem
Schnaiizbart, grimmig die Augen rol
lend. Die Geschichte mit Hahmo war
für ihn eine Nuß, welche zu beißen gab.
Aber als wäre er des zwecklosen Grii
belns lüde, schüttelte er ans eininul
schnaubend das Haupt, fuhr mit den
Fgusten durch die Vust und platzte loS :
Teufe! ! Teufel ! Wenn ich denke,
daß ich jetzt drunten im Kellerstüblei
säße!"
Mit Paler Hadaniar und dem Ki'i
chenmeifler," schmunzelte Frater Seve
rin, bei Rechberg und Stein,"
Höret auf, höret auf," stöhnte Herr
Schlutteinann, ich kann'S nicht hören,
es reißt mir die Seel' ans dem -,'eib'!"
Tann wieder in grimmige Melancholie
versunken, fragte er: Es ist doch wohl
gesorgk.für unsere Durst?"
Frater Severin juckte die Achseln,
Wie es Herr Heinrich anbefohlen hat !
Fünf Tage sollen wir bleiben zehn
Flaschen sind besohlen rechnet Euch
ans, wie viel ans einen trifft !"
Berflncht wenig!" meinte Herr
Schliitlemanii mit' langem Gesicht.
Frater! Frater! Mir wird die .'eber
brandig werden ich kann da Wasser
nicht vertreten! Aber schon gar nicht!"
Fiater severin betrachtete den uu
glücklichen Bogt mit zwinkernden Aeug
lein, dann leckte cr die von den Schwarz
reitern feitgewoidenen Finger ab, trat
auf ihn zu und flüsterte ihm in' )x:
Habt Ihr den Korb nicht gesehen, den
der Wal getragen hat ?"
Ja! Wanini ?"
Frater Severin Miene wurde initiier
geheimnißvoller. Und habt Ihr'
nicht scheppern hören in dem Korb?"
Herr Echlntteiiiaiin legte den Kovf
ans die Seile und zeigte da Weiße in
den Augen. Ei fchüchierne Vichllein
der Hoffnung schien in feiner trostlos
finstere Seele aufzudämmern.
Redet, Frater, redet, was hat gefchep
pcrt ?"
.Heimliche Flaschen Rechberz nd
kein. Hinter der Hütte liegen sie in
lühler Erde vergraben, und wenn Herr
Heinrich schlummert, da holen wir
uns einige Pärchen!"
Frater Severin Ihr seid ein
Heiliger!" schrie Herr Schliilleniann
auf und wollle dem Fiater itui den Hals
fallen.
Der aber schob ihn von sich, Nicht
so laut!" flüsterte er und schielte nach
der Thüre, Herr Heiniich konnt' uns
Ijoi eil !"
Tes Frater Sorge war unbegrün
det. Herr Heinrich weilte noch immer
in der Iägerliiitte. Er halle einen neue
Berband auf .Damnos Wunde gelegt
und den Arm in einer Schlinge befestigt,
damit nicht etwa e,ne nngeiiume Be
wegung des Schläfer eine neue Bin
tung heroorkuie. Nun blickte er suchend
umher.
.Wo ist da Mädchen?"
Pater Tefertii ging ir.it raschem
Schritt zur Thüre. Bor der Hütte faß
Gittli auf der Bank; ihre Thränen
waren versiegt ; mit verlorenen Blicke
starrte sie Innau in die finkende Nackt,
Pater Tefertn beruhrle ibie Schuller,
Sie fuhr erschrocken zusammen und er
hob sich.
Komm', Gilili. Herr Heinrich fragte
nach Tir!" Er nahm ihre Hand und
suhlte sie iu die Stube.
.Nun. willst T nicht sehen, wie es
Deinem Pflegling qehi?" saale der
Propst. ,omm' der sieh nur. w,e
gut und n,h,g er schlaft !"
In wottlo'cm Danke wollte sie Herrn
Heinrich Hände I listen.
Vaß doch. Du nid '." fagle er. .Ich
labe in feiner Rettung da Mindeste
gethan. Hahmo wäre er verionner
Man gewesen ohne Dich ! Er hat
es Tir allein zu danken, daß cr nun
leben wird,"
Ei Seufzer, heiß und freudig,
schwellte Gittli Brust. Mit leuchte,
den Blicken hing sie an Hahnivs blasse
Zügen ! dann fuhr sie mit zitternder
,yad über die feuchte Auge und
wandte sich zur Thüre.
Wohin willst Du?" fragte Herr
Heinrich,
Ich! braucht er mich ja immer!"
lispelie sie. Heim will ich gehen."
Es ist finstere Nacht !" sagte Paler
Descrtiis erschrocken.
Ich süich,' mich nicht! Es Ist ja
slernfchciiiig, den Weg kenn ich auch,
nnd auf der Almen Saun ich ja liiich
tigen."
Tort schlafen die Knechte,' warf
Herr Heinrich ein ; dann lächelte er.
Und denke nur, wen Hahmo morgen
erwacht und fragt nach Dir, wa solle
wir ihm sage ? Willst Du nicht blei
be?"
Weint ich darf !" stammelte sie.
Schaue!, Herr, Ich nehm' ja doch Kc
ci seine -.'iegerftatt weg ich setz'
mich halt dort auf den Herd."
Sie wollte in ihren Winkel schleichen,
aber Herr Heinrich rief sie och einmal
zurück, Gittli," sagte er mit freund
licher Stimme, Du bist ja doch kein
Kind mehr, Du solltest nicht so herum,
laufen," Er deutete aus ihre Anne,
welche bis über die Schultern nackt wa
ren, nd auf euien Riß. der i Ihrem
Linnen fast bis zum Gurte des Röck
leinS ging.
Sie schaute Ihn mit großen Augen
an, Ich hab' mir die Aeriuel wegge
rissen, weil ich da Leinen gebraucht
hab', für ihn."
Da ging er ans sie zu, legte ihr die
haud auf den cheitel und sagte leise
in lateinischer Sprache : Auch in Dei
er Blöße wirst Du Gott gefallen,"
Und zu Pater- DesertuS sich wendend,
fuhr er gleichfall auf lateinisch fort :
Kaun eines Fürsten Tochter reicher
sein an edlen Steinen ndGcschmeide
als dieses Bettelkind an schätzen de
Gemüths?"
Pater Descrltis schwieg ; seine träu
inenden Augen hingen an Gittli, welche
znin Herde ging, in Ihre Jacke schlüpfte
und sich leise in den Winkel kauerte.
Herr Heinrich war an Hayinos Lager
getreten und hatte seine Hand ans
Stirne deö schlummernden gelegt,
Das Fieber ist gewichen und der Schlaf
wird ihn erquicken. Er hat gesunde
Blut und eine gute Ratnr Ich hoffe,
wir haben den Man in drei Tage
wieder leidlich ans den Beinen. Ich
will Wein herüberfchicken, davon soll
er bekommen, wenn er munter wird in
der Nacht. Und Frater Severin soll
bei üjm wachst."
Ueverlasset mir dieses Amt !" fagle
Pater Deserin ittik raschem Wort.
Der Bruder Ist müde."
Gut, so bleibe!" Herr Heinrich
reichte dem Pater die Hand, nickte Gittli
mit freundlichem Lächeln zu und verließ
die Stube. Zn Häupten de Lager
setzte sich Pater Desertn aus die Bank.
Es war stille in der Stube. Gittli
rührte sich nicht I Ihrem Winkel ; man
hörte mir Hahmo kiese Athemzüge,
und ans dein Herde knisterte es zuwei
len noch leise in de glühenden Kohlw.
Tl'auße inurillkite das Wasser, von
der Hejmihütte herüber klang tu Zwi
scheiuäunie die laute Stimme des Bog
tes, und tief au dem Steinthal herauf
tönte derGesang der vier Knechte, welche
zu den Almen iiiederstiegen :
TS Hcrztei
I, Herzensichikiii
jlnit gar 'o weh dem ichwar;en Knaben :
TaS braune Mägdlein mbchi' cr haben,
,1a haben,
' Wen,, man t ihm mx gab',
La gab', ja gab' "
Nach einer Weile kam Walti. um den
Paler zum Imbiß zu rufen; erbrachte
auch einen Teller für Gittli, Tu,
da ist gut!" flüsterte er dem Mädchen
zu, Ich hab'S auch schon verkosten
dürfen, und wa übrig bleibt, das krieg'
ich alle, hat der Frater gesagt," Gilili
richtete sich auf und begann zu essen,
während Pater TesertuS die Stube
verließ. Als er die Hcrrciihiitte betrat,
sagte cr zu Frater Severin : Sckickt
ein Kiffen nnd eine Lodendccke hinüber
für das Nädchsi, ia Kind hat ein
harte Lagtt ans dc .Herdsteinen
Nun faßen sie beim Scheie einer
Kicnfackcl im Herrenstübcheit beisam
men, der Propst, Herr Schluttemaiiii
und Pater Desertn. der Letztere schwei.
geud in sich versunken, wahrend Herr
Heinrich nd der Bogt die,, den, Iä
ger verüble Unthat besprachen. Herr
Schlnttcmann beschwor die ganze Rache
seines flammenden Zorne über da
Haupt dc Mörder, den cr finden
wolle, und wenn er sich auch in den u
irrsten Schlupf der Hölle verkrochen
hätte: sobald e Tag würde, gedachte
cr, sich mit den .Knechten auf den Weg
zu machen, um in weitem reife ring
um die Hütte jeden Busch und jede
Felsschrunde zu untersuchen ; ein Häk
let würde sich schon finde, a welche
der Fade eine Berdachie sich an
knüpfe ließe.
AIS Pater Tefertii in die Jäger
hiiiie zurückkehrte, fand er Gittli fchla
send Im Herdwinkel. TaS Kissen, da
ihr Wall! gebrackil, hatte sie unter Ha
ino wniideu Arm gelegt; nr die Lo
deudrcke hatte sie fnr sich behalten und
zum Polster geballt unter Ihr opschen
geschehen. So lag sie. die beiden Hände
unter der Wange, die müden Glieder
vorn Schiene sanft gelost; sie schien ans
den harten Steinen so gut zu ruhen,
al läge sie in Tannen. Tie vergilt
inenden olilen strahlten enteil rinden
Schimmer über itir Besicht, o daß eö
au dem Tunke! hervorleuchtete wie ein
liebliche Räthsel.
Lange, lange stand Pater Desertn
vor den, schlafende Madchen. Im
mer naher zog e ihn. er beugte da
nie, er streckte die Arme, er neigie da
Antlitz In durstender Sehnsucht da
bewegte sich Gitil, und nehme len'e, wie
inner einem schweren Traume: Halimo
Hanm "
Paler Trier! ? taumelte zurück : die
Hände vor da A,l! schlagend, iranfit
er zur Thür und sank auf e,e Schwelle
nieder. Herr! Heir! Tu versuchest
mich über meine raste!" rang e sich
mit erstickter Stimme von feine Liv
pen und mit brennenden Augen ftante
er hinan in die finstere Nacht, empor
i den nihe.lo flimmernden Sternen.
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