Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 02, 1893, Image 5

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    3m Eramen.
4)iimow-jr ui d,m dkmichen Bkam,c:,leben
0 liatU'ukBi.
Sit wtidtr. hierdurch aufgejordm,
Sich am 31. August, Vormittag'.' Uhr,
zur dlczung der mündlichen Prüfung
zum Bklriebs Sekrelär im Sitzung
saal de Direk.'io'gkbSudc einzusinden.
Hoffmann. "
S lautete daS Schreiben, welche der
Visenbahn-Sekrelariats-Asststent Kling
man eines Morgen durch den Bureau
(hef zugestellt erhalten hatte. Er las
da Schreib,, noch einmal über, faltete
e langsam zusammen und steckte es dann
in die Brutttasche.
Der sehnlichst iiivartkte und doch
wieder qesürchlete Tag des Eramen war
also fe,',geseS! ; je! kam es darauf an,
die kurze Henkersfrist ordentlich auilzu-.
den, indem die hauptsächlichsten Archer
m schnell repe'.ir! wurden. Wenn
linqmann auch, m,e jedem Anderen, der
vor solchem Moment steht, ein miaiige
nehme (e'ühl beschlich, s konnte er ,lch
doch selbst die Versicherung geben, dasj er
ochsiz gebüfsel, Halle Die wichtigsten
Paragraphen de Bahnroiizcl Regle
rnent, sowie die Orga,sa!lonsbest,m
mur.gen wußte er auswendig, in der
EiscbahnGeozraxhie war er beschlagen,
wie kein Anderer und feine Kenntnisse n
(.tat., asten- und Rechnungswesen
wurden n allen Kollegen bewundert.
E ar Sperrn lingmann daher gewiß
zu verzeihen, wenn er mit Bestimmtheit
Hofsie, auf der gefährlichen Fahrt durch'
Dramen nicht ja entgleisen. Außerdem
tarn noch hinzu, daß er em kolofsa.eZ
Selbstbewußllcin besah, was ihm von
vielen Bekannlen allerdings denVormurs
eintrug, er wäre unvernänflig stolz und
besäße einen furchtbaren Nagel. Dias
k nemöbnliche Unterbeam-
ten sah er nicht an und wenn er mit diesen
beuten sprechen mußte, so geschah es nur
dienstlich. Wer sich ihm jedoch gesell
fchaftlich nähern wollte, muhte niinde,
sier Eisenbahn - Sekretariats AsststZnt
irrn und er unterschied dabei sehr genau,
tid solide Zerren aüer ocer iu;ig" cn
Nmgiste waren. Man möge sich über
dieses Benehmen nicht wui.dern. Herr
lingmann war eben Eisenbahn-Se-kretariat,
Assistent !
Der Tag des SramenS war herange,
kommen. Herr Klingmann halte sich
rechtzeitig von F. nach dem Direktion;
oil 91. beaden und überschritt, angethan
mit Frack und weiher Halsbinde, zur
rechten 4eit die Thürfchmelle des Direk
t,onSgebäudeS. Da er von allen Srami
miiirr. der erste war. so vertrieb er sich
die Seit damit, ans einem der Fenster
des Wartezimmers auf die Straße zu
blicken. Allmählich wandten sich seine
(bedanken jedoch dem divorstehenden
Eramen zu :
.Möchte doch nur," so dachte der
Assistent, die richtige Gelegenheit in der
Prüfung sich bieten, ich wollte den Herren
schon zeigen waZ ich eiy . Wenn mich
j zum Beispiel der RegierungSralh
fragen würde : Welches sind die Vorbe
halte des Herrn Ministers?" O, wie
wollte ich die Geschichte Sinn hcrbctenl
Oder der RezierunzSralh kommt mit der
Frage : Wie sollen die Züge fahren?"
Oho, der müßte Augen machen!
Er würde gewiß mit dem Kopfe nicken
und sagen : Das war schon geant
wortet." Ja, ja, nur ein bischen
Glück und ich bestehe mein Eramen mit
vorzüglich. Hinterher giebt es dann
eine hübsche Gatiftction, außerdem
muß ich natürlich den Anderen, die nur
genügend" bestanden, vorgezogen wer
der., nicht lange wird'S dauern, und ich
sitze im Ministerium das Avancement
geht schnell, ein paar Jählchen, ich
bin
,, Guten Morgen," wurden gerade an
diesem interessanten Punkt die Gedanken
dcS Herrn Klingmenn unterbrochen.
Er drehte sich etwas hastig am und ge
wahrte einen kleinen, etwas gebückten,
älteren fietrn mit riesiger Glatze, der
eine Maxxe auf den Platz des Präsiden
ten legte,
,,ul'n Morgen!" antwortete der
Assistent hernblasiend. denn er war immer
noch im Ministerium, außerdem sah er
aber keinen Grund, diesen Herrn in ab
genutzter, schäbiger Kleidung höst,ch ,u
behandeln. ES konnte schließlich doch
immer nur ein AmtSbole sei.
Eben wollte der Bote das Zimmer ver
lassen, alS e Klingmann einsiel, sich
nach den anderen Kollegen zu erkundi
gen, die ebenfalls zum Eramen geladen
waren.
,, Sagen Sie mal, Bote, sind die an,
deren Kollegen auch schon eingetrofsen?"
,,Da weih ich nicht!"
,,Dnn sehen ie mal nach sollten
die Herren schon draußen sein, so bringen
Sie mir Bescheid verstanden?"
Der Bote erwidert nichts, sondern
ging zur Thür, schon hatte er den Thür
grss in der Hand, da wurde er noch ein,
mal von Klingmann zurückgehalten.
,, Hören Sie, Bote," die Stimme de
Herr Assistenten nahm diese Mal einen
herablassenden, gonnerhasten Ton an,
wie sind eigentlich die Eraminatoren
h wohl verdammt genau
mal?"
,, Darüber kann ich eigentlich keine
Auskunft geben," antwortete der Alte
reseroirt, wobei ja ein sonderbare Zucken
über sein Gestcht ging.
,.Na, na, Alterchen." jetzt ließ sich
lingmann gar so weit herab, seine
Hand wohlwollend aus die' Schulter de
Anderen zu legen Sie kennen die
Gesellichast jedensall schon lange und
wissen unbedingt die Schrullen von Je
dem. Ich habe nämlich gehört, daß
hauptsächlich der alte RechnungSrath
Müller ein ganz eklicher Krauler sein
soll."
Ja, ja," meinte der Bote mit zwei-
o.x.., - r1te e?k rr
5ci
Jahrgang 13.
Beilage zun, Nebraska Staats-Älnzeiger.
o. 41.
Müller, nimmt eZ im Eramen sehr ge
nau. Doch Sie entschuldigen; ich habe
keine Zeit Guten Morgen."
,.Gu, n Morgen,"
Eine Viertelstunde später traten die
drei vorgeladenen Eraminanden in da
PrüfungSzimmer. Klingmann, der die
Schwelle zuletzt uo:'.cori!r, iniev aoer
wie angewurzelt in dem Thürrahmen
stehen und schau!e starren Auges nach
der rechten Seite des Präsidenten, denn
dort saß der Amtsbsie von vorhin,
welcher sich nun ai Rechnungsialh
Müller entpupvte.
Kommen Sie doch herein!' ries der
Vorsitzende ungehalten, da der Assistent
immer noch wie gebannt stehen blieb,
wollen Sie denn in der Thüre die Prü
fung ablegen?"
Klinamann raffte sich nun endlich auf
und schritt zu seinem Stuhl, wo er in
stiller Verzweiflung r!!eoer,ar.i.
DaS Eramen begann. In den Ohren
des vollständig Fassungslosen sauste und
brauste es edoch wie die milde Jagd, uno
vor l' ,:n Augen tanzte alles im Zimmer
Befi is ich einen tollen Eancan, in dem
der kicine Rechnungsrath mit dem großen
grünen Tisch eine Balance" nach der
anderen ausführte. Plötzlich härte der
Assistent von der ruhigen, klaren Stimme
de Präsidenten feinen Namen nennen
und wie der Nachtwächlcr zu sich kommt,
wenn man seinen Namen ruft, so wurde
auch Klingmann aus seinem entsetzlichen
Zustande emxorgkrüttelt.
.Sie haben gehört." begann der
Piäsident, daß die Organisation der
StaatSeisenbahnen voin 'j4. November
1879 datirt, WaZ geschah nun an die
sem Tage?"
E war es wurde es mußte "
..54 febe schon. Sie missen es nicht.
Am 24. November 1379 wurde die
Oraanilation von Sr. Majestät dem
Könige bestätigt. Merken Sie sich das.
Nennen Sie mir jetzt die Vorbehalte bei
.Herrn Miniliers."
5a damals ri auie ya.ie lingmann
e wohl wie am Schi'.urchen gewußt, aber
heute wie wegzeoiaeni
Auch das :onnen le mir nico,i
sagen? Nun nun Sie scheinen
,a ehr gut geiern: zu yaoen ym
hin. "
So ging es weiter, la), 3 tarnen 10
viele schöne Fragen, die er früher alle
prachtvoll beantwortn konnte und jetzt
wuhte er so viel wie gar nichts, selbst
das Datum des BetriebS-Reglemenls
war ihm entfallen. Der arme Klingmann
schmiijte Blut im ollsten Sinne des
Wortes und doch stand ihm noch daS
Schlimmste bevor. Die Fragen des
Herrn RechnunasrathZ Müller.
Auch dieser schwere Moment
heran.
Mit eiaenthüinlichem Ausdruck
der Blick des so gefürchteten Herrn über
die drei Oxser, welche für die Dauer von
zwc, Stunden seiner Gnade preisgegeben
waren. Wehe dem, der nicht sest im
Sattel saß! Ganz gegen seine sonstige
Gewohnheit schien er heute aber sehr
milde gestimmt zu fein, denn die Fragen,
welche er an die beiden Vordermänner
des Assistenten richtete, konnte jeder ohne
Schmierigkeit beantworten. Erleichtert
alhmete dieser avJ, vielleicht gelang es
ihm unter solchen Umständen, die oo, hin
erlittene Niederlage in seinem Wissen
wieder gut zu machen.
Herr Klingmann," die grauen Augen
des EraminalorS blickten bei diesen
Worten durchdringend auf den Angerede
ten, wie sollen "die Eisenbahnzüge sah
ren?" Der Assistent jubelte innerlich auf,
eine bessere Frage konnte nicht kommen.
Er that so, als ob er sich einen Augen
blick besänne und fing dann mit einer
gewiffen Eleganz an, alle Schnellig
kellen der Züge, sowie der einzelnen
Lokomotiven mit und ohne Tender vor
an" herzusagen: IS er jedoch zu Ende
und siegesbewußt auf den Rath blickte,
wäre er vor Schreck fast vom Stuhl ge
funken, denn jener schüttelte höchst ärger,
lich den Kops.
DaS wollte ichnicht wissen!" rief
Müller unwirsch, iie sollen mir sagen:
wie die Züge fahren?" .
Ich glaubte, es cbcll gethan
haben!"
Nein, virehrter Herr."
Herr Rechnungsrath, dann muß
die Araae mißverstanden habe."
Meine Fragen sind nie mißzuver
stehe,,: och einmal: Wie sollen die Züge
fahren?
Der Sourierzug mit "
Falsch salsch toii wissen es
nicht. .Recht" sollen die Züge sah
ren, haben Sie mich verstanden?
Nun, was wissen Sie vom Eisenbahn
brückenbau?" Klingmann brachte Alles vor, was er
wußte und glaubte, auch dieses Mal sei'
nen Quälgeist befriedigt zu haben, doch
dieser runzelte die Stirn noch finsterer
wie vorhin.
Mir scheint." knurrte Müller wie ein
bissiger Kettenhund, daß Sie absichtlich
meine Fragen mißverstehen wollen. Das
ist ja alle Unsinn, ma Sie eben vor
gebracht haben; Sie mach doch kein
.t- 9.ir. 9flnnTl piff
kam
ftS
ZU
ich
thür, wo die Damen ihm die Hand reich
ten, konnte er e nicht unterlaffen,
ElärchenS Hand innig zu drücken und es
war ihm, als wenn das allerliebste
Mädchen den Druck ebenso erwiderte,
dann blieb er so lange stehen, bis hinter
Beiden sich die Thüre schließen wollte,
doch i dem Moment, da Elärchen
hineinging, wandte sie ihr Köpschen
noch einmal schnell um, Beider Blicke
trafen sich, und Jedem war eZ, als hätte
es in seinem ganzen Leben nch nie so viel
Glück, so viel Freude genossen, wie in
diesem kurzen Augenblick.
Die sechs bewilligten Monate waren
verstrichen, und der Assistent stand wieder
vor der Eramlnatrons-Kommtllron. Herr
Müller besaß zwar eine sehr schlechte
Laune, was er dadurch zeigte, daß er
Klingmann mit Fragen furchibar zu
Leibe ging; doch der wehrte sich tapfer,
glänzend paririe er jeden Hieb und
schließlich hatte er das Eramen immerhin
mit gut" bestanden. Kaum war er ent
lassen, so stürmte er auch schon aus dem
Direktionsgebäude, durcheilte in sörm
lichem Lausschritt mehrere Straßen und
bog endlich in eine Allee ein. Hier
konnte er jedoch nur einige Schritte
machen, denn im nächsten Augenblick
hatten zwei weiche volle Mädchenarme
ihn umschlungen.
Alberr!"
Elärchcn!"
Bestanden!"
Ja, mit gut!"
Gott sei Lob! Gratulir:!"
Danke, danke, mein Herzlieb:"
Nach diesem kurzen Wortwechsel
nahm Albert das Elärchen am Arm und
Beide verschwanden unter eifrigem Ge-
sprach in die wogende Äicnlchenniaie.
Am ande:n Morgen klopft Herr
Klii:gn:ai!n, Einlaß regrhrend. in der
ersten Etage des Hauseö Jr.knra!ze
izrnnr
Kl:ugma:rn will mit einem höflichen
Gruß die Schwelle überschreiten, doch
das Wort erstirbt auf seinen Lippen, die
Augen blicken starr vorwärts und der
nagelneue Cvlinder entfällt den zittern
den Händen, da niemand Anderer vor
ihm im Zimmer steht, als der Herr
Rechnungsraih Müller,
Nun, Sie wünschen, Herr Kling
mann?" Herr Rath, ich wollte zu eir.em Herrn
Müller, der hier wohnen soll," stotterte
Kliiigmann verlegen.
So heiße ich, das missen Sie ja und
wohnen thue ich hier schon feit zehn Iah
ren, also was wünschen Sie?"
Ich ich ich wollte ich
will '
Mich haben, liebes, gutes Papachen,
flch: Wa wissen Sie ich will mich
noch deutlicher ausdrücken vom Eisen
bahnbrückenbau bezüglich des Betriebes?"
Es giebt," begann Klingmann stot-
lernd, eiserne, hölzerne, " :
Herrrr, schweigen Sie still toie!
können auch diese Frage nicht beant
morten. Eisenbahnbrücken dürfen ohne
landespolizeiliche Genehmigung dem
Betriebe nicht übergeben werden. " Das
ist die Antwort, welche Sie zu geben
halten. Sagen Sie mir," fuhr der
Rath fort zu fragen, wie wird die
Strecke eingetheilt?"
In Bauinfpektionen, Bahnmeistereien
und Bahnwärterbezirke."
Falsch, falsch!" unterbrach der Era
minator wüthend den Assistenten, Sie
wissen selbst diese einfache, klare Frage
nicht zu beantworten, es ist großartig!
Ich will es Ihnen sagen, verehrter
Herr: In Abtheilungen, welche von Ki
lometer zu Kilometer durch AbtheilungS-
anzeiger kenntlich gemacht sind." Im
Uebrigcn muß ich Ihnen meine Verwun
derung aussprechen, daß Sie mit derar-
tigen lückenhaften Kenntnissen zum Era
men kommen, Herrrr Klingmann." Da
mit erhob stch der alte Herr etwas von
seinem Sessel und deutete dem Präsiden-
ten durch eine leichte Berbeuquna an, wie
er aus ein weiteres Eraminiren verzichte,
Das Eramen war beendet.
Die drei Eraminandcn mußten das
Zimmer verlassen und draußen auf dem
Korridor eine Viertelstunde warten,
dann wurden sie wieder hereingerufen,
um das Urtheil zu hören. Zwei hatten
bestanden, Herr Klingmann war
durchgefallen. In sechs Monaten aber
sollte es ihm gestattet sein, zum zweiten
und letzten Male das Eramen zu wieder
holen. Der arme Klinqmann ! Bis in das
Innerste seiner Seele getroffen, schleppte
er stch durch die belebten Straven, in
denen allem Anschein nach lauter fröhliche
Menschen wandelten, nur er, er allein
trug Gram im Herzen. So war er
eine geraume Zeit schon planlos durch die
Menschenmassen geschritten, als ihn mit
einem Male rauschende Musikklärge aus
seinen schmerzlichen Gedanken ausrüttel
ten. Er blick'e um sich nd sah, er
vor einem der eleganten RieseuConzert
Etablissements stand. Nach kurzem
Kampfe mit sich selbst trat er auch ein,
um, wie er hoffte, durch die Musik seinen
Gram zu verscheuchen Lange wollte es
ihm jedoch nicht gelingen, Platz zu erhal
ten, bis cr schließlich, ziemlich weit vom
Orchester, einen Tisch sand, an dem nur
zwei Damen, anscheinend Mutier und
Tochter, faßen. Nachdem Klingmann
stch voraekellt, wurde ihm auf feine höf
liche Ansraae bereitwilligst nestaliet.
Platz zu nehmen, und bald war seine! mich', tonte es hinter dem Ruckendes
obengedachtcn Auszeichnung an Mar
Bleilkesrld mitgetheilt. Ob damit aber
mein Freund Mar gemeint war, be
zuieiselte ich, wie so ziemlich Alles, was
aus seinem Munde kam. Wußte ich doch
längst, daß er nicht ernst zu nehmen war.
Wofür sollte er auch ausgezeichnet werden,
er, der keine Stellung, kerne Verdienste
besaß, und den man sozusagen für ein
niauvai Biijct" hielt, wiewohl man
ihm damit entschieden Unrecht that.
Ich reichte ihm das Zeilungsblatt
zurück und fragte : Wieviel brauchst
Du, Mar? Kann ich Dir mit einer
Kleinigkeit auS der Verlegenheil helfen?"
Aber wo denkst Du hin, lieber,...
Deshalb habe ich Dich doch nicht aufge
sucht , . , , Aber , . , , " Er hatte dabei
eine ernste Miene angenommen. Indeß,
noch wahrend er fast verletzt that, lieg er
das Geldstück, welches ich ihm trotz seiner
scheinbaren Weigerung, es anzunehmen,
in die Hand geschoben hatte, in eine der
Taschen seines fadenscheinigen Ueberrocks
gleiten. Bald darauf empfahl er sich
mit den Worten :
Und Du gratulirst mir nicht einmal?"
I, freilich Mar von ganzem
Herzen, wenn ich den Glückwunsch auch
nicht ausgesprochen habe."
Adieu !"
Ein mitleidiger Blick folgte ihm, als
er die Thür hinter sich schloß
trübe Stimmung verflogen, denn die
junge, redliche Lame mit den treuher
zigen Rehaugen und dem verwegenen,
übermüthigen Stumpfnäschen konnte
wirklich zu allerliebst plaudern. Ebenso
wußte d,e ältere Dame, die Mama, die
Unterhaltung äußerst anziehend zu ge
stallen, Keine halbe Stunde war
vergangen, so hatte Klingmann schon
den Beiden sein ganzes Mißaefchick er
zählt. Ist das nicht mehr wie Pech," schloß
er wüthend, diesen alten Hecht, diesen
Mull r zu verwechseln. So ein Türke !
Läuft in solchem schäbigen Bureaurock
umher, daß man ihn ganz gut für einen
Amlsdoten halten kann. Und nachher
diese Niederträchtigkeit, kein Wort zu
sagen, wer er ist und dann dann
einem solche schmähliche Fragen zu
stellen, so daß man durchfallen muß !
Ach, ich möchte au der Haut sah
ren I" Und wüthend schlug der Assistent
in sehr unsalonmäßiger Weise auf den
Tisch.
Die Damen, hiuptsächlich die junge,
thaten alles Mögliche, um KIingmann zu
beruhigen,
Das nächste Mal geht es jedenfalls
besser," meinte die SIt.re Dame begü
tigend. Ganz schön, mittlerweile laufen aber
sechs Monate dahin und wer weiß, welche
neue Schandihat dieser alte Nußknacker
dznn gegen mich ausheckt."
Wer wird doch von anderen Leuten so
schlecht denken!" rief sonderbar piquirt
das Fräulein.
Es ist sonst nicht meine Manier, mein
Fräulein. Von d'esem Herrn Rarh habe
ich aber die Ueberzeugung, daß er eine
Freude daran hat, Menschen zu kränken,
ihnen Böses anzuthun."
Ach. das ist nicht " rief die
junge Dame erregt, doch ei dezeich
nender Blick ihrer Mutter ließ sie schwei
gen. Wie meinten Sie?" fragte Kling
mann. O nichts, ich wollte nur "
Laß un nach Hause gehen, Clär?
chen," unterbrach die Mutter das Ge
sprach, Papa ist wohl verhindert, herzu,
kommen, wir können unS als nicht so
spät hier aufhalten."
Der Assistent hatte flch mit den Da
men zugleich erhoben und bat, sie beglei
ten, wag nach einigem Hin- und Her
reden denn auch schließlich gestattet
mrd?, Rei dein Abkckii?d im dr .staus
gestrengen Herrn, und zugleich liebkosten
zwei zarte Händchen sein bärtiges Ge
sicht und ein Paar, liebe, füße, braune
Rehaunen blickten ihn so bittend, so
stehend an, daß ihm ganz weich wurde,
besonders da jetzt die Frau Räihiu auch
bitten half.
Aber Kinder, laßt mich doch erst
Luft schöpfen. Sooiel ich herausbe
komme, wollen Sie, Herr Klingmann,
also
Ihr Fräulein Tochter zur Frau.
Herr Rechnungsralh ich will mich
bemühen, Elärchen
Auf Händen zu tragen ja ja
weiß den Vers ! Elärchen, Du
willst "
Ja, ja, lieber, guter Papa!"
Na, denn in Gottes Namen!"
Ein einziger Jubelschrei und
nun, mehr brauche ich wohl nicht zu
schreiben.
Bei der Verlobung ging's lustig her.
Als Klingmann einen Augenblick jedoch
mit seinem Elärchen allein war, faßte
er sanft ihr rosiges Ohrläppchen und
sragte lächelnd:
Weshalb hast Du kleiner Schelm
mir nicht gesagt, wer Dein Vater war?"
Ach, Albert, ich sürchtete, Du würdest
mich dann nicht leiden können, da Du doch
sv böse auf Papa warst."
Du liebes Närrchen, Deinetwegen
wäre ich noch tausend Mal durch's Era
men gefallen und lieb, nun lieb hätte ich
Dich gehabt, selbst wenn Dein Vater
auch wirklich nur Amtsbote gewesen
wäre ! "
Der ZZenoininist.
iine Siudie nach der Natur. Von H. r'öaie.
Weißt Du schon, daß ich den blauen
Riesenordkn erhalten habe?"
Mit kurzem Gruße hatte er rnit einer
Hast und Wichtigkeit, die ich längst an
ihm kannte, die Frage an mich gerichtet,
Woher soll denn ich das wissen
Mar?"
Woher? woher? Alle Welt weiß es
schon, ur Du allein solltest den amt
lichen Anzeiger noch nicht gelesen haben?
Mach' Dich nicht lächerlich?"
ES lag wirklich Indignation in den
vorwurfsvollen Worten, welche er da
sprach. Und in der That zog er ein
Zeitungsblatt aus der Tasche und reichte
es mir zur Lektüre. Darin war aller
dinos unter Anderem die Verleihung der
Er glaubte wirklich selbst, was er
sagte. Mar Blenkefeld gehörte zu jener
seltsamen, psychologisch interessanten
Menschenforte, welche eher Mirleid als
Verachtung verdienen, zu den Lugnern
aus Bedürfniß, zu den Selbstbetrüqern
ohne Bortheil zu d?r heiteren Gilde
der Renommiste!!.
Im Grunde seines Herzens war er ein
gutmüthiger Kerl ; die Guthmuthigkelt
uiar von jeher seine schwaiblte wenn
mau will stärkste Seite gewesen. Aber
wa konnte sie Ihm helfe in einer Lage,
wie es die seiniae jetzt war ! Gutmüthig-
keit ziert mehr den Besitzenden als den
Proletarier, zu dem er allmählich yerav-
aefunkeu war. Er lebte nur noch vom
renommiren.
den sein. Aber so recht glaubte ich nicht
daran, trotz der Verstcherungen, die man
mir gab. Ern in der Großstadt sah ich
ihn wieder. Aber wie! Aeußerlich er
lumpt, ve konimei: , , , , in feinem Innern
mar er es ja längst, ... Er war wirklich
Ingenieur geworden; allein wie er da
gemacht, ist mir bis zum heutigen Tage
Geheimniß geblieben. Vielleicht hatte
feine Intelligenz kurze Zeit über seine
innere Berlodderung triumxhirt und die,
seS seltene Resultat gezeitigt riithsel
hast genug war da jedensall. Aber
war er nicht selbst der eigenartigsten
Räthjel eines?,.,. Er mar Ingenieur
geworden, aber es nicht geblieben. Dazu
fehlte ihm offenbar die moralische Kraft,
welche jeder ehrenhafte Beruf erfordert.
Sein Hang zur Lüge, welcher inzwischen
in eille Renommirsucht umgeschlagen
war, spielte ibm hier einen argen
Streich. Er prahlte mit Dingen, welche
er nicht besaß, rühmte sich der nahen Be
ziehunge hoher Personen, die er in
Wirklichkeit nicht anders als dem Namen
nach kannte, und briistete sich mit Leistun
gen und Verdiensten, die er niemals oll
führt und auf welche er keinerlei Anspruch
halte.
Durch seine Renommirsucht verlor er
nicht nur Stellung und Einkommen,
sondern auch seine Reputation und die
Anwartschaft auf sein künstiges Liebe,
glück, das unter günstigen Ausflcht
für ihn schon begonnen hatte. Ja, um
sein Liebesglück hatte er sich selbst in ge
radezu grausamer Weife betrogen.
Er hatte ein hübsches, züchtiaes Mao
chen kennen gelernt, das er innig geliebt
und in dessen Herz auch er zärtliche Re,
gungen zu entfachen gemußt. Aber du
Sache nahm ein Ende, wo sie eigentlich
erst hätte beginnen sollen.
Der Weg nach dem Standesamt un
terblieb, weil nun weil Mar fehlte.
Er war in seiner Prahlsucht dem Mäd
chen und dessen Eltern gegenüber soweit
gegangen, daß er die Entlarvung fürch
lete. Von Allem, was er seiner Aus
erwählten von flch vorfabelte, war nicht
einmal der Name wahr, unter welchem
er sich dem Mädchen genähert hatte.
Mit blutendem Herzen mußte er da re,
stgniren, wo er das erste Mal in feinem
Leben wahr gewesen war in seinem
Empsinden nämlich
Auf solche Weise hat sich Max zu
Grunde renommirt und von allen Em,
xflndungen und Illusionen ist ihm keine
andere mehr übrig geblieben als die Re,
nommirsucht das Lügen aus Eitelkeit.
Denn dieser Trieb ist bei ihm der stärkste
geblieben, . , .
Als er neulich verhungert und abge,
rissen mir einen Besuch machte, gab ich
ihm, meinem alten Schulkameraden, ein
Geldstück und lud ihn zu Tische. Das
Geldstück nahm er an, nicht aber meine
Einladung. Denn meinte er er
müsse zum Diner bei Grheimrath k.,
einem ,'iner intimsten Freunde, . . . Au
Pilmp und der Sucht, zu i
Er log das B!ar:e voin ?iilei rn?cv, TSIitJeib, nur aus Mitleid habe ich ihm
selbst dann, wenn er, wie schon bemerkt, das geglaubt.
nicht den geringsten Vortheil für sich ein-!
hetnijen konnte. Er log, um zu lugen,
nd bedachte nicht, daß sich seine Lügen
an ihm selbst bestrafen würden und daß
bald die Leute erkennen mußten, daß er
lüge, er konnte einfach nicht die Wahr
heil sagen, ebensowenig wie Blindge
boiene sehen. Er besaß kein Organ da
für ; als moralischer Krüppel war er zur
Welt gekommen. Das zeigte sich schon
in der allerfrühesien Kindheit. Kein
Mittel hatten feine Eltern unoersuch! gs
lassen, um ihm das Lügen abzugewöhnen.
Bitten, Drohungen, Prügel gute
Beispiele nichts half.
Mir war er schon als Schulkamerad
eine Unbcgreiflichkeit, ein völliges Räth
fel gewesen, mit dessen Lösung ich mich
quälte und abrackerte. Der Kliffen
Ichrer, ein biederer, guter, freundwilliger
Herr, der sich redlich abmühte, aus sei
neu" Jungen etwas zu machen, und der
von einem nicht gewöhnlichen Stolze auf
die Leistungen seiner Schüler erfüll? war,
hatte mit Mar seine liebe Noth. An
dem beharrlichen, nutzlosen Lügen Marens
barst des Lehrers pädagogisches Be
mühen. Er hatte längst eingesehen, daß
aus diesem Jungen nichts, absolut nichts
zu machen mar, und wenn er Mar nicht
völlig ignorirte, so war hierfür sicherlich
nur das aufrichtige Mitleid schuld, wel
ches er mit diesem nicht unbegabten
Knaben und seinen bedaucrnsmerthen
Eltern, deren einziger Sohn, wenn auch
nicht einziges Kind Mar war, empsand.
Schularbeiten eristirten für ihn nicht,
und hatte er die ihm aufgetragenen Auf
gaben wirklich einmal ausgeführt, so
konnte man sicher se!n, daß es eine Ca
price gewesen, die ihm dazu getrieben,
seine Schuldigkeit zu thun.
Blenkefeld" erklärte in solchem
Falle der Lehrer seiner Klasse hat
heut' einmal seine Arbeiten gemacht, ein
Wunder; der Tag muß im Kalender roth
angestrichen werden."
Aber aus solchenVloßstellungen, welche
dem Lehrer sicherlich nur als pädago
qifches Besserungsmittel dienten, machte
sich Mar verkeuselt wenig. Er lächelte
im besten Falle dazu und ließ sich die
dafür verdiente körperliche Züchtigung
ruhig gefallen, wenn er nicht, was viel
häufiger vorkam, eine solche Beschämung
vor der ganzen Klasse mit geradezu em
pörender Gleichgültigkeit entgegennahm.
Am liebsten hätte cr ja die so seltene
Thatsache seiner Pflichtersüllung begrit
ten, wen nicht die Beweise hierfür
schwarz auf weiß vorgelegen hätten.
War das nicht der Fall, so leugnete er
beharrlich seine Unwissenheit und Träg
heit au Lust oder innerem Dränge
zur Lüge.
Ich bin irklich neugierig, was aus
Dir noch einmal werden wird!" Wie oft
alle der Lehrer ihn in solcher Weise axo
stroxhirt. Er waren Jahre vergangen, daß ich
ihn nicht gesehen. Nur gehört hatte ich
von ihm. . . . Ingenieur sollte er gewor
Tiroler Kräfte.
Schwingen, Fingerhakeln, Raufen ist
im Frieden eine Lieblingsbeschäftigung
de? Tirolers, im Kriege kann er sein
Kräfte auf andere Art beweisen. Bor
den Augen des Generals Haddick trug im
Jahre 17f-r ein Passiykr Schütz eine
dreipfündige Kanone ganz allein eine
ziemliche Strecke weit das sehr schwer er
steigbare Scharierjoch hinauf und meinte:
akra, hätt' ich doch nit' glaubt, daß
die Pfeis' so schwer wär!" Im Be
freiungskampfe von 1309 sah ein Puster
lhaler Franzosen in einem Thale lagern,
die ihre Gewehre in Pyramiden zusam
mengcstellt hatten. Er schleicht sachte
hinzu, ergreist eine dieser Pyramiden,
mirs! sie auf die Schulter und läuft da,
mit davon. Die Franzosen fürchteten in,
der ersten Bestürzung einen feindlichen
Hinlerhalt und verfolgten ihn nicht. Der
Kühne war aber ganz allein und entkam
mit seiner Last Gewehre. Am Berge
Jsel ergriff ein Passeyer einen Doppel
haken, lud ihn mit einer Kartätsche, hielt
ihn wie einen Stutzen an die Backe und
drückte los. Jedesmal erhielt er dabei
einen so gewaltigen Schlag, daß er rück,
lings zu Boden stürzte. Doch das lx
rührte ihn wenig, er raffte sich wieder
auf, fragte die Umstehenden, ob er,ge
troffen hätte, und wenn sie seine Frage
bejahten, begann er von frischem zu
laden. Das fetzte er nun so lange fort,
bis er, weil ihm das ganze Gesicht in
furchtbarer Weife aufgcfchwollen war,
nicht mehr aus den Auzen sehen konnte.
Kofteniose Antwort.
A: Du machst Dir keinen Begriff,
wie geizig mein Prinzipal ist! Auf Reu-,
jähr hat er zu den Gratulationen gleich
die ihm selbst übersandten Glückwunsch
karten, soweit sie keine Unterschrist hu
gen, verwendet!"
B: Das ist noch gar nichts! Mi,
Ches verweigerte einsach die Annahme
aller Gratulationsbriefe und schrieb
darauf: Dankend zurück!"
tserniiotklüthe.
Feldwebel (bei' Einererciren der Re
kruten): Kerls, Ihr seid so dumm,
daß ich nicht 'mal Eure Namen behalten
kann!"
Vorschlag zur St,.
Richter: Sie sind wegen Land
streicherei zu sieben Tagen Haft verur
theilt!"
Vagabund: Gnad' Herr Richter,
geben S' mir lieber a' bessere Kost und
sperren S' mi' dasür a' paar Tag' !ä:
ger ein ! "
u kinkr T,r rtk. X
, , Die neuengagirte komische Alte
erfüllte ihr Aufgabe nur zur Hälfte: si
ist zwar alt, aber komisch ist sie nicht.