Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 02, 1892, Image 4

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back. Der Cin-ige laback der sich durch
all Veränderungen der Zeit und trotz
aller 5 erneueren) rhalien hat, ist Black
meist ullStier) Durham ,uch?aback.
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Weil et immer rein, immer derselbe, immer
der des ist. Solch in Renomme sagt
mehr al gan,e Bogen voll Selchwäs," Er
ist erad so gut heute al je und er ist der
ladack für Such.
Wenn Ihr raucht, dann solltet Ihr
ZZuU (Slier) Durham
raschen. Wir bitten nur um inen Versuch.
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Piiriiurn, . g.
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Unveränderlich
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LINCOLN NKh
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Wir sichre ein bedeutende l'-ifler in .fvizöfni, wel
che wir j fabelhaft niediigeii Preise abgeben.
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kxHx$tt Schähc.
Nvman Ho ii ßleiitljult) CrLttnuii.
(Foilseluitig.)
liS ist mir idunerilich ticmifl. das; ich
Ihnen feine bessere Auskunft ;n geben
vermag, al diese, Aber ich ivchle doch
nicht, das, i ie sie für eine ganz trostlose
nehmen, solche Wunder geschehen ja
viel liiinfiiiet'. nl mau gemeinhin glaubt,
ii ii t oli it c sie würde c recht schlecht bc
stellt sei um unsere Erfolgt, lind was
Ihren Wunsch nubctrifjt, den .Uranien
zu sehe, io habe ich Ihnen denselben
ia auch lciueswegS rundweg abgeschla
gen. mein Fräulein. Rur die Fraise
niiissen sie mir grfiattnt und eo ist
gctoisi uidit iniq.iiie '.'ictiiiicr, die mir
dieselbe eingibt in welchem Verhält
niß sie zu Pluteutu sieben, ich meine,
ob Sie mit i l i i i verwandt oder näher
befreundet find."
vielleicht nar ihm ba tiefe Erglühen
auf dem Antlitz; der jungen jtTanie Au
fitiift genug, denn uoch elie die pudernde
Gerda', der da Vcdcullithe und viel
leicht sogar sträfliche ilires schritte
erst jetzt zu vollem ewtt!lfein zu kotit
in eil schien, eine '.'liittoort gefunden
Kalte. u l,r er im freundlichslen Tone
fort : Auch die einfache Rcnitiittg Ihres
R'iiiucit würde mir genügen, wenn der.
selbe dem M ranke betauut genug it,
um mich bei .Ihrer Anmeldung mit eint
ger Sichcrlicit beobachten zu lassen, wel
cheu liinbrnü Il)r besuch auf Plateuius
hervorbringen wird,"
Ich beiße teida - terda Hoiu
stein." sagte die junge ,vrau, und e
war. alt ob irgend eine unsichtbare (Ge
walt sie daran veriüudere, den '.liameu
ihre (satten zu nennen, den einzigen
'Jiiunen, den sie in diesem Äugeubliek als
den ihrigen hatte angeben dürfen, 4U
deufalls folgte sie nicht einer bewnszlen
lieberleguug, sondern einem nubeimiiV
teu Antriebe, ,'.l? sie ihn verschwieg, und
,u der itiulme.! iuiutiite. als ihr die ll.
terlslituugciündc jchtuer auf die Seele
fiel, war es bereus zu spat, sie wieder
gut zu machen, denn Toftor Zporri
hatte mit einer lleitteti verbeugn ng Das
iiuliner verlanen.
liiitc in Wahrheit vielleicht nur kurze.
für die 'oellommeu harrende aber lelner
unendliche ,eit verging, ehe er zurnek.
kehrte, Äis sei freundliches 'Besicht
nun wiederum in der geöffneten Thür
erschien, da hatten Werbas J'ejaiigeiiheit
und Äugti einen io hohen iad erreicht,
das; es ihr für den '.'lugenblirf vielleicht
lieber denn teil wäre, wenn er mir einem
abweisenden Bescheide zurückgekehrt
wäre, Vlbu- der humane vlrjt nickte ihr
erinutlugeud u und lagle : !oiuuien
te. nieiu liebes ,vrantein. linier 'pa
tieut e wartet ie, und nach derWir
ug. welche der loj,e laug ZhreS
Oefcn !
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S:odi. Wir desiyen da grösjle Lager in taroerobertikeln IürArbeiter.1
Kaufbcoinungcn: Baar.
N'ainenS aus ihn ausübte, fürchte ich
nicht lauger, da)? Dieser bestich ihm scha
den werde, natürlich unter der Voraus
sevung einiger Vorsicht und Bentsain
feit auf beiden eitert. "
All' ihre rast zusaminenuehrneud
nd doch innerlich erbebend, folgte Oerda
ihrem viihrrr durch einige der langen,
hallenden Korridore, bis er am letzten
(inöe eines langes die dort befindliche
Thür ossnete nd sie durch eine Hand
beweguug bedeutete, einzutreten.
Man hatte Plateuius ein eigenes
Zimmer cingeräumt, und das kleine,
aber sreundiiche hernach hatte durchaus
nichts von dem düsteren, verstimmenden
Charakter einer rankenhaiiSzelle, Xaf;
mau dettf in den vitalgarten hinaus
fithrcndc Neuster geofsiiet und der witr
zig linden Vnf t des fchoueit. souueuhel
Ich Tages freien Zutritt gestattet hatte,
mochte wohl auf den Wunsch des itiaii
keit geschehen sein ; wenigstens hatte er
sein Antlit! nach jener Nichtnng gemein
det und seine Angen schienen mit sehn
süchtiger Begier die lebenspendende Hel
ligkeit zu trinken, die da zugleich mit
dem erquickenden Dust des frische Rau
bes zu ihm berciuftreintte.
Das geräuschlose Ceffneu der Thür
hatte er nicht vernommen, aber er horte
das leise Naschein des Arauenkleides auf
den Tieleu, und er wußte auf der
Stelle, das; dies das leidfeiiter Wär
terin nicht war, Seine schwache ge
stattete ihm feine andere Bewegung als
cm tatches Wenden deSopjes; aber
in der Veränderung, die sich bei tetdaö
'Anblies mir teiueiu eruiten, abgezehrten
Antlitz vollzog, war mehr Beredtsam
keit, als in einem jauchzenden Zuruf
und in einem siüriniicheu entgegeneilen
mit weit gevfueten Armen, (erdaaber
hatte all' ihre .vurcht und Befangenheit
vergessen, als sie diesen edlen und trotz
einer augenialligeii jtnittloitglcit noch
immer iiiipouirenden Mauuerkopf wie
der vor sich sah, Sie dachte auch nicht
mehr daran, das; sie sich mit citier 'iigc
hier bei ihm eingeführt, sich vielleicht
nur durch dieie Vuge teilte ittivtllignng.
tc ;t empsaugen, erwirkt habe, in ihrer
eele war nur ;Kaunt jur ein (etulil
namenloser ,vreude über dies Wieder
sehen mit einem -lodtgcglaubtcn, für
eiiieEmvsindniig uuaussprechlicherlüek'
seligkeit, die durch keine viegung mahiien
den Schuldbewusitseins getrübt werden
konnte, so lange sie die glänzenden Augen
des geliebten Wianues auf sich gerichtet
jal).
Rasch war sie an die Lagerstätte des
jungen Arztes getreten und hatte wort
los seine mir offenbarer Anstrengung cr
hobeuedurchsichtig weifte Hand ergrif
seit, ie btiekte einander au. und
tausend glühende Worrc hätten nicht
ansdrncreit loiiueu, was sie sich in diesen
ersten Momente der nerwarteken Wie
begegnnng mit der slunimen Sprache
ihrer Angen sagten,
Endlich war es PlaleniuS, welcher zu
erst das Schweigen brach, indem er leise
sagte : Wie großmüthig ist es, daß Sie
zn mir kommen, Fräulein Ocrda, und
wie innig tanlc ich ;hucn für diese
Wüte! Wenn ich nun auch meine brave
(ältern noch einmal sehen konnte, bevor
ich sterbe, so wäre ja ganz herrlich Alles
erfüllt, was ich noch au irdischen Wün
scheu im Herzen trage."
?a glitt sie nnfsehlnchzend neben dem
Bett iii die saiicc und preßte ihr (Besicht
ans die heiße, magere Hand, die sie noch
immer in der ihtigen hielt. Sie wußte
nicht, was sie damit that ; denn in die
sem Augenblick gab es für sie ans der
ganzen Welt nichts weiter als dies kleine
Spitalzimmer und dies weiße Kraute,
lager, auf welches die onne ihre zit
teinden. wechselnden dichter warf, und
in diesem Augenblick war ihre Seele so
rein von jedem sündigen (Pedanten, wie
die Seele eines unschuldigen Kindes, ob
wohl der Manu, an dessen Veideusstätte
sie kniete, nicht ihr Watte war.
O nicht so sprechen Sie nicht
ka!" siebte sie. dic heiß aufsteigenden
Thränen bekämpfend. Sie sollen nicht
sterben, sondern Sie werden leben, leben
für ihre Eltern und für für JHre
freunde !"
rtcist möchte ich selber mir' wiitt
scheu nach dieser Stunde!" gab er
zurück-, aber das wehmüthige Vächeln
auf leinen Kippen betnndete, van er n
neu Wlanben mehr habe an die iSri'iil'
luiig solche Wunsches, lind dann, als
e abermals ininuteiilang still geblieben
war zwischen ihnen, fragte er zaudernd
im d mit unverkennbarem Zagen : Muß
ich hucit heute schon Lebewohl sagen,
(VraitletiKUerda Werden Sie weiter
reisen, ohne daß ich Sie noch einmal
icnc t-
Tie junge Jvmii erhob den ikopf. und
indem iie den Kranken oll ansah, er,
widerte sie : '.Kein, ich bleibe Hier, und
ich werde Sie so oft besuchen, als es
mir von Ihnen und von Ihren Aerzten
gciiaiici ivtro.
. Das bellt Aufleuchten dert. Freude.
das bei ihrem Eintritt ans seinem v'e
sich! gewesen war. glitt wieder über
seine Züge ; aber unmittelbar darnach
mußte ihm doch wohl ein ernstes Bc
denken kommen ; denn das Venchleu
verschwand und wie zum Zeichen der
Ablehnung schüttelte er den Kops,
Vergeben sie nur. daß meine thö
richte ,nage Sie dazu drängte, das 11-
mögliche zu veriprecheii," sagte er. Auch
wenn er es einem sterbende gegen
übet nicht gar fv genau nehmen wollte
mit der Welteuduiachnug feiner Rechte,
iürde !r Verlobter Ihnen eine solche
MttiibluugsiiunegeuMi; verübeln. ES
Hürde ui lucllcnht nicht .cht daran
czlanben, daß nur 'Mitleid Sie Hierher
geiuhn hat.'-
Als wäre te abermals von rauhen
iväulieu ans ciueiii wehmüthig fußen
Traume wachgerütlelt worden, liaile
terda diese Worte empsuuden, und es
überlciin sie dabei eine Empfindung, wie
wenn jiui luut iid iiiiiiberiieiglich ein
klagender Abgrund iuitliüc ziuiiiien
iljV n u! " theuren Krattlctt. ie
nuschuldige llubesaugeuheit, welche sie
so lange die ganze übrige Welt hatte
vergessen lascn, sie ivar unwiederbring
lich dahin und mit ernster, fast drohen
der '..,' al! u n, ig stand die (Gewißheit vor
ihrer Seele :
Iett ist eS an der Zeit, ihm die volle
Wahrheit zn sagen, bettn hier ist die
haarscharfe Scheidelinie zwischen Schuld
losigkeit und Schuld.
Sie richtete sich aus. sie öffnete die
Vippeu, tun das schwere Bekenntniß
abzulegen, das sie die Achtung des ge
liebten 'Mannes losten mußte, und das
doch nicht niigespioche bleiben durste,
wenn sie nicht die Achtung vor sich selbst
verlieren wollte. Da fiel ihr scheu er
hobener Blick auf sei (Besicht, und sie
glaubte iii seinen groß auf sie gerichteten
Augen ein fieberhaftes ivlininicni zu
sehen, das vorhin nicht darin gewesen
war, sie glaubte eine angstvolle 'rage
und die Anrollt vor einer ttiederschmet
terndeit Enthüllung in ihnen jit lese.
Das aber ließ dci? entscheidende Wort
ans ihrer Zunge ersterben und all' ihre
mühsam erkämpfte Kraft der Selbftver
nichtiiug jämmerlich zusammenbreche.
Ich bi nicht mehr verlobt," sagte
sie scist tonlos, und und ich Habe
nach keines Mensche Urtheil Über
meine Handlungsweise z fragen."
Sie hatte den verhängnißvollen
schritt über die haarscharf gezogene
Grenze gethan, aus dem halb nbewuß
len Vergehen war mit dieser 'ügc die
bewußte Sünde geworden, nd noch
während sie sprach, fühlte sie bereits
den schweren, beklemmenden Druck der
selben auf ihrer Seele,
Aber das gesprochene Wort war nicht
angesprochen zu mache,,, und Werd
härte es auch nicht zurücknehmen wolle,
selbst wenn sie es gekonnt hätte, sie
sah ja das angstvolle vlimmern aus den
Augen des Kranken verschwinden, sie
sah, wie seine gespannten Züge sich zu
einem Ausdruck ruhig heiteren Friedens
glätteten, und ,e horte thu mit leiser
stimme sagen : Wenn es w ist, ,vrn-
lein Werba, so mögen sie tanscudi ; h
für jede Mittute gesegnet sein, die
niir opfern wollen. Die Parze, die sich
nicht erbitten läßt, wird ja ohnedies
dafür sorge, daß es deren nicht mehr
allzu viele sind,"
Eine leise Berührung au ihrer schul
tcr ließ Werda aufblicken, und sie sah in
das milde (Besicht des Doktor Spärri,
der sie durch einen leicht verständlichen
Wink mit den Augen daran hinderte.
mit zugleich zur Beendigung ihres Be
suches aufzufordern schien. Zögernd
wandte sie sich zum Gehen ; PlatentuS
aber erhob och einmal, und, wie es
scheine wollte, mit viel geringerer
Mühe als vorhin seine vmud und sagte,
während Gerdas schlanke Finger dieselbe
umschlossen : Ans Wiedersehen denn !
Es ist so schon, ans etwas Köstliches
hoffen zn dürfen, und daß sie mir diese
Möglichkeit gewahrt habe, das werde
ich Ihnen bis zum letzten Athemzuge
danken, auch wenn der Hoffnung keine
cst'inllung mehr solgen sollte,"
Doktor sporn machte der Wärterin
ein Zeiche und bot der jungen vrnn
höflich seinen Arm, um sie über die hat
letiden Gänge bis in das Vestibüle des
Krauleuhanses zurück zu geleiten.
Wollen sie mir ;Uire Adresse geben.
mein Sränleitt, damit ich Sie regelmäßig
über das Befinde des Kranke unter
richte kau ?" fragte er zuvorkommend ;
aber iverda schüttelte liettia den Kops,
nd sie fühlte die Rothe der Scham und
des Slhuldbewui.tsein bis zur sttni
hinaus aus ihrem ','lutlltz brennen.
Rein, nein, es bedarf dessen nicht ;
denn wenn Sie es mir gestatten, werde
ich täglich und vielleicht mehrmals lüg-
lich hierher kommen, um mich selbst dar
nach zu erkundigen. Sie habe ja gc
hört, das; Doltor PlatcninS mich ge
beten hat, meinen Bc nch zu wieder
holen, und sie werden cS mir nicht ver
wehre, dieser Bitte Folge zu leisten
nicht wahr
ich hone, bau lein ärztliches tve
wisse mir genairen wird. Ihre Wü
scheu zu entspreche. Älbcr die über
raschcndc Lebhaftigkeit und Theilnahme
welche der Kranke während Ihres Auf
culhalies in feinem Zimmer an den Tag
gelegt hat, dar? uns doch nicht so weit
über seinen wirkliche Znstand täuschen,
daß wir darum auch nur auf eine
einzige gebotene Vorsicht verzichtete.
vlatcntns ist schwer leidend : aber im
Gegensatz zu meinen Kollegen halte ich
sein vcioen noch nicht sr so durchaus
Hoffnungslos, daß ich ihm unbedenklich
jede Erregung gestatten möchte."
seine letzten Worte waren nuzwciscl
haft dazu bestimmt, die junge Dame
mit einem tröstlichere Ausblick in die
Zukuitst zu entlassen. IS er sich ihr
ach deut ganze Verlauf ihres Besuches
bis jetzt ausgetheilt haben konnte. Und
Gerda bewies ilnt durch einen danken
den Blick, das; sie seine gute Absicht
ihrem vollen Werthe nach anerkenne,
wein, sie auch außer Stande war, ihm
zu antworte nd sich mit einem stuin
me Reigen des Hauptes rasch ek-seriite.
Die Vorstellung, daß es aller icnsch
liehen Voraussicht und Wisscnschast nach
ein Sterbender war. in welchem sie den
Verlorenen und odtgeglanbten wieder
gesunden, war plötzlich mit so nieder
drückender, zermalmender Schwere über
sie gekommen, das; sie durch die engen
Straßen der vollreichen Stadt dahin
wandelte, ohne von deut 'cbeii und
Treiben mit sie her mehr als einen ganz
traumhaften, verschwommenen Eindruck
zn gewinnen, und daß tinter dem dnn
kein Schleier unaufhaltsam heiße Thrä
nett über ihre Wangen ranne.
17. ji a p i t e l.
In Gesellschaft einer jungen Schwei
zerin, die zu ihrer Begleiterin citgagirt
worden war, hatte J-ran HoldHcim 'mit
Zittern und Zagen die Heimreise angc
trete, ivährcid Gerda ihr nur bis über
dic vcrhäitgnißvollc Stätte des dama
ligcn Zusammenstoßes hinan da Ge
leit gegeben hatte. Welcher Ratur die
Gründe seien, von denen die initqe tfrait
mit so zwingender Gewalt in Basel
zurückgehalten wurde, hatte sie trotz
alles ,iageS und Drängens der Freun
bin nicht anvertraut, und so war zum
ersten Mal etwas wie eine wirkliche Per
stimninttg zwischen den beiden Frauen
gewesen, IS sie sich trennten. Aber
wie schmerzlich Gerda dies auch empfin
den mochte, ihr Entschluß, den gegen,
wärtigcn Aufenthaltsort nicht zu ver
lassen, konnte dadurch nicht für die
Dauer eines Augenblick erschüttert
werden.
Sie behielt ihre Wohnung im Hotel,
da sie durch dic beträchtliche Summe,
welche sie bei der Abreise von Berlin
mit sich genommen, noch auf längere
Zeit hinaus vor Gcldforgcn vollständig
geschützt war, und wie sie es dem Doktor
Spöni verheißen hatte, wanderte sie
täglich zweimal nach dem Krankenhause,
um ans dem Munde des menschen
freundlichen Arzte Auskunft über Pta
teiiiiis' Befinden zu erhalten.
An dc beiden Tagen, die ihrem ersten
Besuche folgten, hatte sie den Kranken
nicht sehen dürfen, da ans dic freudige
Erregung jenes Wiedersehen eine sehr
bedenkliche Reaktion i Gestalt neuer
Bewußtlosigkeit und großer Schwäche
eingetreten war. Dann aber war es
ihr gestattet worden, sei Zimmer aber
mals zn betrete, und seitdem hatte sie
ihre Besuche nun schon viermal wieder
holt, ?ottor Sporri hielt seine An
Wesenheit dabei nicht mehr silr erforder
lich, ii ii ti auch die Wärterin benutzte hier
und da dic günstige Gelegenheit, sich
auf ein paar Minuten aus dem Zimmer
zu entfernen. Aber dic Gespräche, welche
Gerda und der Kranke miteinander
führten, hätten keines Zeugen Chr zu
fürchten brauchen, und wen sie cinait
dcr den Zustand ihrer Herzen doch mit
jedem neuen Wiedersehen initiier von
Rcnem verriethen, so geschah cS gegen
ihren Wille durch dic spräche der
c'ltiqcn, dic ja in solchen Fällen seil dem
Anbeginn der Welt viel tausendmal bc-
rcdtcr sind als des feurigsten Rednets
Kippen. Von dem Vergangenen war
fast niemals zwischen ihnen die 'Rede,
wie oft sich auch Gerda vornahm, thu
wegen ihrer kleingläubigen Zweifel und
wegen jenes abscheulichen Verdachtes
um Verzeihung zu bitten, durch den sie
ihr eigenes Veben so ganz verdorben und
vergistet hatte, Aber es Hang a ans
jedem seiner Worte, eS war ja au je
deut seiner Blicke zu lese, daß er ihr
längst vergeben habe, und daß es ange
sichts ihres Hierseins int Grunde des
Herzens fügte er vielleicht auch hinzu :
angesichts seines nahen Todes keiner
peinlichen AuSciiiaiidersetziing tuciir vc
dürfe über diese traurigen Irrthümer,
dic so schwer, ach, so schwer hatten gc
büßt weiden müssen.
sie sprachen wahrend der ttirzen
Viertelstunden, die sie da miteinander
zubringen dursten, überhaupt nur wc
nig von sich selbst, und wenn sie nicht in
dem still beglückenden schweigen der
liebenden beisammen saßen, sprachen sie
zumeist von sremden. weit abliegenden
Dingen, an denen ihre tscöaiitcu vsk in
rälhselhaster Uebereinstimmung just in
dem nämlichen 'Moment hasten geblie
ben waten.
Es war nichts Sündhaftes und traf-
würdige in ihrem Thun, nichts Ver-
dainuieuswerthes, al die zo,;e. ver
Häuquißvolle Viige. die Gerda auf ihrem
Herzen lasten fühlte, und die sie oft wie
eine erbreaierin erbietenen uiio zu Bo
den erblicken ließ, weitn sie Plateuius'
klare Augen mit der schwärmerische,
lies innigen Zärtlichkeit eines Betenden
ans sich gerichtet sah.
An den beiden letzten nagelt hatte
der Kranke eine gewisse Unruhe und
Spannung gezeigt, die ihn selbst in
Gerdas Gegenwart nicht ganz verlie
ßen, und als sie schüchtern eine Frage
nach der Ursache derselben wagte, hielt
er mit seiner Antwort nicht zurück.
schon vor vier Tagen habe ich durch
Doktor Spörri meinem Vater schreiben
lassen," sagte er, ,,uno noch immer warte
ich vergebens auf feine Autwoit. Run
quält mich die Furcht, daß daheim etwas
Schlimmes geschehen sein könnte. Die
braven Alten hatten sich so sehr aus
meine Heimkehr gefreut, wie wenig Ur
sache sie auch immer dazu habe ntvch
ten. daß ich die Besorgnis) nicht los
werden kann, die bittere Enttäuschung
möchte Eine von ihnen aus da Krau
keulager geworfen haben. Vielleicht ist
auch gar schon eine derartige Hiobspost
eingetroffen, und Doktor spörri glaubt
nur in falscher Schonung, sie mir vor
enthalten zn müssen."
Gerda bemühte sich, ihn zu beruhigen,
so gut sic vermochte. Tcr Klang ihrer
Stimme mußte tvvhl ganz besondere,
sänstigcndc Gewalt über ihn besitzen, da
sie ihn dahin brachtc, zn lächeln und dic
Besorgnisse, welche ihn anscheinend eben
noch so sehr bedrückt hatten, z ver
gessen. AIS ihn dic junge Frau nach Ablauf
der vcrhältnißiuäßig kurzen Zeit, dic ihr
mit freundlicher Eindringlichkeit für die
Dauer ihrer Besuche vorgeschrieben
worden war, verließ, begegnete sic auf
dem Gange dem Doktor pörri, der sie
neuerdings stets mit einer Art von
achtnugsveller Herzlichkeit begrüßte.
sic theilte ihm die Besorgnisse de
Kranken mit und auch den Argwohn,
den er hinsichtlich einer etwaigen Ver
hcimlichuttg der für ihn bestimmten
Briefe hcgc.
'Mit dem Ausdruck vollster Wahrhaf
tigkeit erwiderte ihr der Arzt : Diese
letztere Vermuthung wenigsten t't eine
unbegründete ; denn bis zu dieser stunde
ist eiite Antwort aus meine an den Pa
stor Plateuius gerichtete Zuschrift noch
nicht eingetroffen. Ich vermag diese
Verzögerung selbst nicht zu begreifen ;
aber Alles, was ich zur Beruhigung
utiscreS armen Patienten thun kau,
cstchichcn sitr Wie einlegte, nach har
tem inneren Kampfe und mit schwerem
Herzen dic Erlaubniß ertheilte, Platc
niuS zu besuchen, so würde ich heute
sicherlich kein 'Mittel der Ucbcrrcdung
unversucht lassen, Ihren Sinn zu tin
dein, wenn Sie etwa plötzlich die Ab
sich! hegen sollten. Ihre heilbringenden
Besuche einzustellen."
Ein unbeschreibliches GlückSgefühl
hatte Gerdas Brust durchströmt, als
Doktor spörri fo zn ihr sprach, und
erst, als sic bereits einen Theil ihres
Hciimvcges znrückgclcgt, rannte ihr
etwas wie die Stimme eines unsichiba
reu Verfolger in s Chr : Aus cinc
Vücic ist dies Alles aufgebant, aus eine
Viige, die durchsichtiger und zerbrechlicher
ist als eine Seifenblase. Ein Windes,
hauch wird sie zerplatze machen, und
Plateuius wird sterben au der Roth
weiidiglcit. Dich verachten zu müssen."
All' ihre stolze Freudigkeit war mit
einem 'Mal dahin, und das Herz war
ihr schwerer denn je, da sie sich anschickte,
die Treppen zu ihren Zimmern zn er
steigen. Roch hatte sie den ersten Stock
nicht erreicht, als sich die Thür des dort
gelegenen Speisesaales öffnete und einige
heiter plaudernde Herren auf den Flur
hinaustraten. Die Stimme des Einen
schlug ierda seltsam bekannt an daS
Ohr, aber obwohl sie sich nicht ans der
stelle zu erinnern vermochte, wo sie die
selbe bereits vernommen, erweckte sie ihr
doch zugleich die uitaitgeiiehme Empfin
dtiiig, daß diese stimme mit irgend
einem traurige Vorkommiüß ihres Ve
bciiS in engster Verbindung stehen müsse,
ie suchte nach einer 'Möglichkeit, den
Herabkouimeuden auszuweichen ; aber
es ivar zu spät dazu, denn schon hatten
dieselben sie erspäht, und während der
Eine der Beiden, augenscheinlich durch
ein hastig geflüstertes Wort seines Be
glcilcrs veranlaßt, mit höflichem Gruß
vorüberging, verbeugte sich der Andere
gegen 0'erda und sagtej Ich rottn,
nicht, gnädige Frau, ob ie sich meiner
noch erinnern, aber ich hoffe eö tun so
eher, als c mir ja an einet für Sie
sehr bedeutsame Tage vergönnt war,
Ihnen vorgestellt zu werden,"
Run hatte Gerda ihn allerdings er
kannt, und nnii wußtest auch, warum
ihr der Klang seiner stimme so unan
genehm gewesen war ; denn in ihm sah
sie jenen Zeugen ihrer Eivittrauttng wie
der, der mit der behaglichsten 'Miene von
der Welt von Reimar Plateuius' augeb
licheui .odc erzählt halte. Aber sie war
verständig genug, den ahnungslosen
Mai, ii nicht mehr verantwortlich zu
inachen für den tiefen schmerz, den er
ihr au jenem ohnedies so tcidvollcn Tage
bereitet, und wie widerwärtig ihr auch
der Zufall dieser Begegnung sein mochte,
liess sie ihn doch tu der frcunölichcnifieu
Aulwort auf seine Anrede nicht von
diesem Verdruß bemerken.
Ihre Erwcrrtuiig aber, daß Walter
Jasinnud Freund sich damit begnügen
und seinen Weg fortsetzen würde, er
füllte sich nicht. Der junge Kaufmann
zauderte, al ob er auf eine Frage au
Gerdas Munde gefaßt fei, und da die
selbe ausblieb, sagte er : Als mir und
meinem Freunde die Auszeichnung zu
Theil wurde, den glücklichsten Augen
blicken Ihres Gebens beizuwohnen, da
ahnten wir wahrlich Beide nicht, daß
unseren herzlichen Wünschen die Erfül
lung fo gransam versagt sein würde,
und daß ich wenige Woche später bereits
Veranlassung haben sollte, Sie meiner
innigen Theilnahme au einem schweren
'Mißgeschick zn versichern,"
Gerda sah den Sprechende erstaunt
besteht darin, krß ich mich durch eine
nochmalige Anfrage vergewissere, ob
mein Schreiben richtig in die Hände des
Pastor gelangt ist."
Und wa war e, da Sie ihm mit
theilten. Herr Doktor V Ich hoffe, sie
habe ihm nicht den Glauben an die
Wiederherstellung seines Sohne ge
nommen." Doktor Spörri sah der Fragenden
in' Gesicht, und es war noch mehr herz,
liche Güte al sonst in seinen Worten,
da er erwiderte: Ich habe ihm ge
schrieben, daß ärztliche Kunst hier bitter
tvenig vermöge, und daß die letzte Enl
scheidnng allein in der Hand des Höch
steii liege; aber ich habe auch hinziige
fügt, daß der Kranke neuerdings einen
Arzt gefunden habe, der allem Anschein
nach viel mehr vermöge, als wir Ande
ren mit unserer kümmerlichen medizini
schen Wissenschaft, einen Arzt, auf bes
ten in keiner Pharmakopöc verzeichneten
Zaubcrmiltcl ich meine beste Hoffnttn
gen setzte."
Ahnnngs!? hielt Gerda seinen ans
sic gerichteten Blick an und mit nuvcr
hehllem Erstaunen fragte sie: Ein
Arzt, von welchem weder Doktor Pla
tciunS noch Sie selbst mir bisher gcspro
chcn haben ? Darf ich nicht erfahren,
wer das ift i"
Sic selbst, mein liebe, verehrtes
Fräulein, sind dieser Wnndcrdokt?r. der
schon jetzt ewige der mcistgcpriescncn
Mixturen itscrcS ArznctfchatzeS kläg
lich hat zn Schanden werde lassen.
Ich denke natürlich so wenig daran,
Ihnen ein Kompliment zn machen, als
ich Ihnen und mir trügerische Hofsiiun
gen erwecken möchte ; aber ich kann'S
Ihnen darum doch zugestehen, daß Ihre
bisherigen Besuche von einer fast nube
greiflich günstigen Wirkung auf den
Kranken gewesen sind. Das durch dic
Blutvergiftung erzeugte Grnndtcidcn
freilich konnte dadurch nicht unmittelbar
beciiiflus;! werden ; diejenige Koittplila
tion indessen, welche nnS siir den Augen
blick am meiste beunruhigen innfztc :
die von der Eisctibahnkatastrophc nd
den unerhörten Anstrengungen nach der
selben herrührende Erschütterung de
ganzen Rcrvcnshftetns hat in den letz
ten Tagen so viele ihrer bedrohlichsten
Symptome verloren, daß der wohl
thuende Einfluß Ihre Erscheinen für
mich außer jedem Zweifel ficht. Wie
ich Ihnen am ersten Tage eigentlich nur
aus die Fürsprache hin, die Ihr liebes
und vcrständnißlos an, clbst wenn
er von der Beschaffenheit ihrer ehelichen
Verhältnisse als IasmiindS Freund
Kenntniß erlangt hatte, schien cs ihr
doch undenkbar, daß cr wagen sollte, ihr
gegenüber so von denselben zu sprechen,
An einem schweren Mißgeschick?"
wiederholte sie darum, indem sie fast
unwillkürlich eine stolze kühl ablehnende
Haltung annahm, sollten Sie da
nicht irgendwie da Opfer eines Irr
thuuis geworden sein, mein Herr?"
Die Reihe zu erstaunen wär int an
deut Anderen, und nur die Verwirrung,
in welche ihre uuerwarteteAntwort ihn
versetz! halte, mochte die ischuld daran
tragen, wenn er ziemlich ungeschickt
herausfuhr : Ich bitte um Verzeihung ;
aber ich sonnte natürlich nichts Anderes
glauben, als daß die schwere Erkran
knug Ihre Galten auch von Ihnen als
ein Unglück empfunden worden sei !
Ihre Anwesenheit an diesem Orte hätte
mich freilich sogleich davon überzeugen
sollen, daß inzwischen eine überraschende
Besserung in deut Befinden des armen
Iasninud eingetreten sein müsse."
Gerda war auf daS Heftigste erschro
ckeu, denn jedes Wort dieses Mannes,
der ihr ei fast völlig Fremder war.
hatte sie gleich einem vernichtenden Vor
wurf getroffen. Offenbar wußte er
nicht, daß sie schon seit dem Tage der
Hochzeit von ihrem Gatten getrennt
war, und die anscheinend ganz aufrichtig
gemeinte Vermuthung, mit welcher er
seine letzte Aeußerung geschlossen hatte,
bewies am besten, wie er ihre Hand
luiigoweise beurtheilen würde, weint sie
it,n nun die Wahrheit oder doch einen
Theil der Wahrheit errathen ließe. Aber
sie gewann e trotzdem nicht über sich,
ein unwürdige Versteckeitspiel aufzn
führen, nur um sich die Pein einer Be
schnmuug z ersparen, und die verdutzte
Miene des Anderen hielt sie nicht ad,
ihm zu bekennen, daß sie in diesem
Augenblick zum ersten Mal von einer
Erkrankung ihres Garten Kunde erhalte.
Zögernd, als hege er insgeheim noch
imitier die Bcsorgtüß, daß sie nur ihren
spott mit ihm treiben wolle, erzählte
ihr der Kaufmann das Wenige, das er
selbst von dem chicksal Waitcr Ja
ninudS tvußtc und das sich im Wcscnt
lichcn auf die Thatsache seiner schweren
Erkrankung beschränkte, o wenig er
auch die Sachlage begriff, hielt er es
doch für seine Pslicht, sich dabei einer
möglichst schonenden Ausdrucksweise zu
bedienen ; aber cr konnte schließlich ans
Gerdas dringende Fragen nicht ver
schweigen, daß man ihm noch zwei Tage
vor seiner Abreise von Berlin an der
Borfe gesprächsweise mitgetheilt habe,
der Zustand Walter Jasinnud gelte
al vollkommen hoffnungslos und die
Firma werde demnächst liquidiern müs
sen. Natürlich wird das eine starke Ueber
treibung gewesen sein," fügte er ab
schwächend hinzu, wie man ja die Bör
feuueuigleiteu niemals so genau ans ihre
Wahrhaftigkeit hin "
Er konnte sich den schlich seiner Rede
schenken ; denn cr hatte keine Zuhören
mehr dafür. Mit einigen halblaut gc
initiinclteii, unverständlichen Worten,
dic wahrscheinlich cinc Danksagung in
sich schltcßctt sollten, war Gerda plötz
lich tt ihm vorüber die Treppe hinaus
geeilt, und da ungestüme Zuschlagen
einer Thür verrieth ihm, datf sie sich tu
ihr Zimmer geflüchtet habe.
Kopfschüttelnd gesellte cr sich wieder
zu seinen unten harrenden Bekannten,
um während ihres gemeinsamen Spa
zicrgaugc den merkwürdigen Fall de
Vaugcn und Breiten mit ihnen zu bc
spreche, und um dabei endlich zn deut
tiefsinnigen Schluß zu gelange, daß
da Heiiathcit selbst dann eine Ueber
eiliing und eine offenbare Thorheit sei.
wenn e sieh dabei um ei weibliche
Wesen von dem Aussehe und dem Ge
bahren cincS leibhaftigen Engel handle.
Die junge Frau aber, deren bei die
sen Erörterungen in so wenig schmeichel
hafter Weise gedacht wurde, kümmerte
sich in diesen Augenblicken sehr wenig
um die gute oder schlechte Meinung
glcichgittigcr Menschen, ie ivar auf
einen ttthl neben dem Fenster ihre
Wohnzimmer nicderaesunlcn und starr
te mit thraneltleereu, brennenden Augen
vor sich Hinaus, wahrend ihren Kot
per zuweilen ein Zittern überlief, tv,e
wenn sie vor irgend einer entsetzlichen
Vorstellung in tiefster Seele erschauerte.
Die Hotctglockc läutete zum Diner,
aber sie achtete dieser 'Mahnung nicht,
und als eine halbe Stunde spater da
muntere Stubenmädchen den Kopf zur
Thür heteiiisti eckte, um sie zu erinnern,
daß die Mittagstafel schon über die
elften Gänge hinaus sei. schüttelte sic
nur in stummer, energischer Ablehnung
den Kopf. Stundenlang blieb sie im
beweglich auf ihrem Platze ; dann ging
sic uut müden Vewegungeu znin Schreib'
tisch, legte sich einen Briefbogen zurecht
und begann zu schreiben. Aber sie
mußte wenig zufrieden sein mit dem,
was ihre hastig jagende Feder da ans
das Papier geioorfe, denn als sie die
vier eng beschriebenen Seiten och ein
mal diircblcfcu halte, riß sie mit z ticken
den vippeu das Blatt in hundert' kleine
Stücke, ohne den vernichteten Brief
dann noch einmal zu beginnen, sie
klingelte, um fich ein Glas Wein und
einige Biseuits bringe zu lassen, aber
mit Widerwillen schob sie das Glas so
gleich wieder zurück, als sie ihre Vippen
nur mit wenig Tropfen genetzt hatte,
Schliiinmeitos fand die bercinbre
chcudc Rächt fie auf ihrem Vager, und
schltttumeilos auch der aufdämmernde
'Morgen, Als dic Sonne, die gimh
roth über den schweizer Bergen empor
gestiegen war. ihre erste goldenen
Strahlen in das Schlafzimmer sandte,
lichtete dic junge Frau sich in ihrem
Bett empor und faltete, das blaffe, über
nächtige Gesicht der herrlichen Königin
des Tages zugewendet, ihre schlanken
Hände. Wohl niemals hatte sie so heiß
und inbrünstig gebetet, a'.s jetzt, da sie
den unsichtbaren Vcukcr der Welten an
flehte, ihr den Weg zu weisen, den sic zu
wandeln habe. Aber es geschah kein
Zeichen, daß ihr Gebet Erhörttng gesun
den habe ; rathlos und ittuthlos wie zn
vor ließ sie das Köpfchen sinken, müde
und langsam kleidele sie sich au, und
ein Gefühl namenloser Verlassenheit
legte sich mehr und mehr mit erstickender
chwerc aus ihre Seele.
Roch war der junge Tag nicht weit
vorgerückt, als ein Klopfen an dic Thür
ihres Wohnzimmers unverkennbar
von einer kräftigen Ai'äuucrhand her
rührend Gerda betroffen aufhorchen
ließ. Fest überzeugt, daß cs sich nur
um irgcttd cinc ttcnc Pein handeln
sönne, suchte sic sich noch einmal mit
ihrer ganzen Widerstandskraft zu wapp
neu, ehe sie den Einlaßheischeudcn ein.
treten ließ. Aber obwohl der granhaa
rigc Mann, der da hoch und stattlich
auf der Schwelle erschien, ihr ein Frem
der war, fühlte sic doch, noch ehe cr den
Mund zum Gruße geöffnet hatte, das;
ihr von diesem unmöglich ein Veid Wider
fahren könne. Ein ernstes, wie von
leichter Traurigkeit beschattetes und ioch
unbeschreiblich milde und gütiges Ge
ficht wandte sich ihr zu. An den großen
klaren Augen, die aus diesem schonen
Greiscuaullitz leuchteten, würde sic ihn
erkannt haben, auch wenn er ihr seinen
Rainen nicht genannt Hätte ; denn solche
Augen Hatte cS siir Gerda bis jetzt nur
ctu einziges 'Mal ans Erden gegeben,
Ich bitt der Pastor Plateuius."
sagte cr. und wenn ich zu einer so
frühen stundc zu Ihnen komme, mein
liebes Fräulein, so müssen sie das
einem Vater zu Gute halten, dessen Herz
de Dankes voll ist gegen die Wohlthä
terin seines' beklageiiswerlheu Sohnes,
rasselt Sie mich Ihre Hand ergreifen,
die sattste, gütige Hand, dic vielleicht
dazu berufen ist. von dem Haupte eines
alten Mannes den schwersten schlag
abzuwenden, der es hier ans Erden noch
zu trennt vermochte,"
Wohl hatte ihm Gerda ihre Hand
überlassen, aber bei dem warmen Druck
der feinigen durchschanerte cs sie wie
schmerzliches Entsetzen, Riesengroß und
türchtrittdi staub das Gespenst ihrer
i'üiic lUol:',i.ii vor ihr, und sie erschien
sich wie eine jämmerliche Diebin, die den
Dank dieses ehrwürdige Greises aus
die ichtnipslichstc Art erschlichen und ge
stöhlen habe.
sie erweisen mir viel zu groszc
Ficttnblichkeit, Herr Pastor," brachtc sic
mit bebenden Vippcu unsicher hervor,
Ich habe in Wahrheit nicht den gering-
iicn Anspruch ant ,,hreii Dank,"
Rein, nein, versuche Sie nicht, Ihr
Verdienst in allzu großer Bescheidenheit
zu verringern und zu schmälern. Richt
nur aus dein Munde meines armen
Sohnes, sondern auch von dem Arzt,
der ihn behandelt, weiß ich, wie scgenS-
reich Ihre edle Authcilnahrnc aus ihn
gewirkt hat. 'Mein erster Weg ach deut
Verlassen des Spitals mußte darum der
Weg zu Ihnen sein, und es würde mich
aufrichtig schmerzen, tveiiu Sie mir weh-
rett wollten, Ihnen wieder und wieder
zu danken, Ist das doch leider im 'Au
genblick Alles, was ich thun kann, Ihre
Gromnuth zu vergelten."
Die Qual dieser Situation noch lätt-
ger zu ertragen ging über Gerdas Krast,
und zugleich mit dieser Gewißheit erfaßte
sie ein sehnsüchtiges, unwiderstehliches
Verlangen, all' itir vcid und all ihr
Zweisel rückhaltlos auszuschütten in ein
thcilnchmendesMcnschcuhcrz, und entern
edlen Menschen die tütitschetditng au
Heim zu geben über ihr Geschick. Har
ter als sie sich selbst verurthcilte, konnte
auch er sie ja nicht verdammen, und keine
Buße, die er ihr auferlege mochte
konnte grausamer sein als die Oualeti
welche sie seit dem gestrigen Mittag er
tragen.
Und doch muß ich wiederholen, daß
ich Zliren ank so wenig verdiene, wie
den gütigen Ton, in welchem sie zu mir
sprechen," sagte sie mit inntistger ctir
(chlosfciihcit. Ich habe Ihren ohn
belogen, wie ich den menschenfreundlichen
Arzt belogen habe, der Ihnen inetue
vermeintlichen Dienste gerühmt hat
Ich bin nicht Diejenige, für welche Sie
Alle mich halten, und vielleicht werden
Sie schmerzlich bereuen, einer Uuwnrdi
gen die Ehre Ihres Besuches erwiesen
zu haben, wenn Ihnen mein ün',c!ul
den in seiner ganzen Größe bekannt gc
worden ist."
Das Gesicht dcö allen Geistlichen war
vielleicht noch um ein Geringes ernster
geworden, aber c Hatte darum nichts
von fetiicui mildcu, crmuthigendeu 'Aus
druck verloren.
Gewiß nicht, mein liebes Fräulein,"
cntgegnetc cr mit sanfter Ruhe, die
Bedrückten und Unglücklichen anszusu
chcn ist ja mein Berns, und für den, der
in den Herzen der Menschen zu lesen
versteht, ist gar Mancher, den dic ganze
Welt als schuldig verurtbeitt, nicbls
Anderes, denn ein beklage!,stverther llu
glücklicher. Wenn Sie mich solchen
Vertrauens für würdig halten, so bitte
ich Sie, zu mir zu sprechen, wie eine
Tochter zn ihrem Vater spricht."
Und Gerd zögerte nicht, seiner Ans
forderinig Folge zu leisten. Als fie
damit begann, ihm ihren wirklichen R
nie,, zu nennen, fiel ihr der Pastor noch
einmal in die Rede, indem et mit einem
Ausdruck leichten Erstaunens sagte :
Darum also wurde eö mir so jchiver
gemacht. Sie aufzufinden ! Weder mei
nem Sohne noch dem Dotier Sporri
hatten Sie Ihre Wohnung anzcgcbeu ;
der letztere aber hatte sie wiederholt in
dies Hotel eintreten sehen, und Beide
hatten mir Ihre äußere Erscheinung so
genau beschrieben, daß ich gleich bei mei
nein Eintritt in das Zimmer sicher war,
die Rechte gefunden zn haben, obwohl
mir der Besitzer dcö Hotels betheuert
hatte, wohl eine Frau Gerda Iasmuiid.
nicht aber ein Fräulein Gerda Hornstein
zu beherbergen. Ich halle keine Ursache,
mir über diesen scheinbaren Widerspruch
den Kopf zn Erbrechen ; nun aber erklärt
kr sich freilich anders, als ich eS erwar
ten konnte,"
Er eriiinntcrtc sic durch einen Wink,
fortzufahren, und die junge Frau ver
schwieg ihm keinen irgendwie bedeut
samett Umstand ans der veideusge
i '.lichte ihres jungen VcbcttS. Von dein
Tage ihres ersten Zusammentreffens
mit Reituar Platettu', au bis zu der
kurze Unterredung, dic sic gestern ans
der Hotcltreppe mit dem Freunde ihres
Gatten gehabt, erzählte sie ihm ohne
Beschönigung und Uebertreibung Alles,
wa sich ans ihre unglückselige Heiratl,
mit Walter Iasintitid bezog. Sie schil
dcrte ihm den abscheulichen Betrug, des
sei, Opfer sie geworden war, aber fft
verhehlte auch nicht, einen wie großen
Antheil ihr unwürdiges 'Mißtrauen, ihr
thörichter Trotz und ihre kindliche Uu
überlegt.'eii an der traurigen Gestal
tung ihre Schicksals gehabt hatte, Sie
machte leinen 'Versuch, die vttge zu ent
schuldigen, durch welche sie sich ihrer
eigenen Ueberzeugung nach allein den
Zutritt zu Reimar Plateuius' Kranke'
zinimer verschafft halle, und sie ließ den
Vater des geliebten Manne einen so
tiefen Blick in die hilflose Zerrissenheit
ihres .erzen thun, wie sie thu vorher
noch keinen, Menschen gestattet hatte.
,Ln inu.'.cr gleicher, ruhiger Aufmerk
samkeit hotte der Pastor ihrem Gestiind-
liis; Ins zum letzten Worte zu. Dann
aber, als Gcrbn in neu hervorbrechender
erzweislnug das Gesicht in den Hau
ben verbarg und laut auüchluchzcud
fragte: Wer zeigt mir nun den Weg,
den ich zu gehet, habe? Was tun Got
tes willen, was soll ich thun?"
Da legte cr ganz saust und leise seine
Had aus ihren Scheitel und sagte :
hr eigenes Gewissen, mein armes
Kind, hat Ihnen ,a längst Antwort ge
gebeti ans diese Frage ! Und wenn ich
auch recht wohl begreife, da; etwa tu
Nincn ist, ivas sie verhindern möchte,
ach dieser Gcioificitsimihnuttg zu Han
deln, jo dürfe sie es doch nickst Herr
chast gewinne lassen über die bessere
Regung Ihres Herzens. Seien Sie
stark und tnnthig, und glauben Sie
einem alte 'Manne, das; ans Erden
nirgends Frieden zu finden ist, als in
getreuer Pflichterfüllung. Ihre hei
ligste, ihre einzige Pflicht ist cs, heimz-
chmt ; Ihrem angetrauten Gatten.
lud in hingebender Pflege ihm allein
.ihre samatiterdtenstc zu weihen."
Gerda erhob ihr von T hrancii über-
trvinlcs Gesicht und blickte starr in bic
ernsten, milden Züge des alten 'Manne.
und sie tnd es, der mir so rathen
kann --- Sie? Wissen sie auch, was
mir der Arzt noch gestern sagte? -- Er
sagte mit, 'daß Ihr söhn sterben werde,
neun in) meine Besuche entstellte.
i n-3 graue Hanpt des Pastor sank
ein wenig tiefer zur Brust herab, aber
seine stintine klang sauft und ruhig wie
nuor. als er erwiderte: Cr wird
daran sterben ich glaube es selbst ;
denn die viebe zu Ihnen ist eS, die ihm
mit neuem Vebensmttth und neuer Yc
bensfrettdigkeit erfüllte. Er sieht nicht
aus. als oi er noch Kraft genug hätte,
solche Enttäuschung zu verwinden. Aber
ivas jbn vielleicht teilen könnte, wäre
eine siittdc, eine schwere, unverzeihliche
süttdc - und nicht iiui diesen Preis
soll er gerettet werden."
Und ich soll , nicht mehr scheu,"
flehte die junge Frau, nie mehr nie
mehr ? Ich (oll kein letztes Ycbeiuobl
mit mir hiuwcguehtttett, tetn stvort der
Vergebung von feinen Kippen?"
.Er vergibt '-4.tr, meine rochier, er
vergibt Dir so getvist, wie 'ott . ir
vergibt tun Deiner Yielic und um Dci
ncr Buße iviilcn, Abcr e ist besser
für ihn und Dich, wenn er Dich nicht
mehr sieht ! Ich ivtll thut Dcluc letz
ten Grüße bringen, und ich will Dir ein
getreuer ,vctrsprccher bet ihm sein,"
Ur halle die Knteettdc aufgehoben,
und während seine vippen chic sttrn
berührten, siel eine Thräne beig auf
ihre Wange,
. icsc brennende -tliranc aber meinte
Gerda noch immer zu fühlen, alSsteun
die Mittagszeit des nämlichen .agcS
gen Roiocn fuhr, sttll, ohne Hossnttng
wie ohne Furcht, und mit leerem, erster-
bcticni Herzen.
auszuhauchen in dem glühend ersehnte
Zinstc,
Elfriede Rocholl ahnte nicht, wie nahe
daran er mehr als einmal gewesen war.
eine solche Thal des Wahnsinn zu be
gehen. Weitn ihr reine Einpendelt
doch zuweilen durch einen glühenden
Blick, den sic nicht verstand, erfckueckt
und bcunrulsigt wordcu war, so haue
fie ihn im nächsten Augenblick auf dic
Rechnung seiner Kranlhcit gesetzt und
sich selber eine Thörin gescholten ivegcn
ihrer unbegründeten Angst,
Und al mit der zunehmende loiper
liehen Kraft auch die Willensstärke de
Genesenden wtich, da hatte da Feuer,
das in seinem Innern biaittttc, zwar
nichts von seiner lodernde Glnlh ver
loren ; aber eine gewisse berechnende Be
sonnenhell hatte ihn davor bewirbt t. sic!,
zu irgend einer vcrrätbcrijchcu Hand
luiig oder Aeiißernitg hinreisten zu lassen.
Die sonnige Unbefangenheit in Elsne
deuS Benehmen, die kindliche Reinheit,
die einen der vornehmsten Reize ihres
schönen Antlitze ausmachte, sie waren
ihm ja sichere Bürgen dafür, daß er sie
durch ei einziges unbedachtes Wort für
immer ans seiner Riil,c scheuche würde,
und der Gedanke an solche Möglichkeil
war hundertmal entsetzlicher, als ihm
jemals der Gedanke an den Tod gewc
,e.
so bettle er e wieder und wieder
Über sich gewonnen, mit ihr von gleich
gütigen Dinge zu reden, während cr
unter der Gewalt seiner Veidenschaft
erzitterte, und mährend e ihn inbrün
stig darnach verlangte, sich vor ihr in den
Siattb zu werfen und ihr in tausend
Wiederholungen da Geständnis! seiner
Liebe zitznriiseu. So halte er sich mit
fast übermenschlicher Wiilcnslra't auch
heute bezwungen ; abr die leere, ickits
sagende Worte waren ihm endlich in
der Kehle stecken geblieben, und ei int
säglicher Widerwille hatte ihn ersaßt
gegen diese klägliche Heuchelei, Schöner,
hinreißciider nd begehreiisweither ivar
sie ihm ja niemals erschienen, und wäh
rend seine Attgeii ihre Schönheit tranken
gleich einem berauschenden Fcucrlociu,
wälzte er in seinem Kopfe immer und
immer wieder den einzigen Gedanleu.
wie er fie erringen und sich zn eigen
machen löntte.
Da erhob Elfriede das Köpfchen und
sah mit einem lleineu Vächcln zu ihm
auf. Und die 'Macht der Reinheit und
Unschuld aus ihrem Antlitz war so groß,
daß er verwirrt die Augen niederschlug,
und daß die wilden, begehrlichen i.iedau
kett, die ihn eben noch so ganz erfüllt
Hatten, scheu zurück flüchteten in die ge
Heimsten Tiefen feiner Bntst.
Sie müssen mir s schon verzeihen,
weint ich eine schlechte Gesellschafterin
abgebe," sagte sie, Dic Damen in
Berlin, att deren Umgang Sie gewöhnt
waren, verstehen sich ohne Zweifel viel
besser ans da Plaudern als ich,"
Zasmttnd bemühte sich redlich, seine
Befangenheit zu verbergen, und in der
Furcht, daß sie errathen tonnte, welche
Bilder und Vorstellungen feinen Geist
soeben beschäftigt hallen, giisf er zur
Anknüpfung einer unverfänglichen llu
lerhollnug den ersten beste Gedanken
ans, der sich ihm eben bot.
'An mir und nicht an Ihnen ist es,
Fräulein Elfriede, um Rachsichl und
Entschuldigung zu bitten. Aber die tttt
ersrenlichen Dinge, mit denen mein
Geist steh jetzt wohl oder übel in erster
Yinic besassen muß, tonnten leider wenig
darnach angethan sei, Sie zn zerstreuen
und zn unterhalten."
Und warum müssen Sie durchau
au unerfreuliche ringe beulen?" fragte
sie unbefangen. Wissen sie nicht, daß
dergleichen für Ihn' Gesundheit sehe
wettig zuträglich ist ?"
sind wir den die Herren iniserer
Gedanken ? Und habe ich Ihre Güte
nd Gastfreundschaft, die mich bis an
den -i.vd zu Ihrem sckiuldner machen,
nicht wahrlich lauge genug genossen,
um nunmehr ernstlich an Ihre Erlösung
von solcher Vast zu denleit ?"
Vielleicht hatte cr erwartet, daß ihm
eine Bewegung des Erschreckens, ein
Wort der Bestürzung verrathen toür
den, wie schmerzlich auch ihr die 'Aus
sicht auf eilten nahe bevorstehenden Ab
schied sei, aber sie blieb ganz niibesaiigru.
1. Kapitel.
An einem traulich semiigen Plätzchen
im Park von M'cllcnthiu saßen Elfriede
Rocholl und Walter Iasmuiid auf einer
niederen stettibank in wortkargem Ge
spräch. Die kaum überwundene schwere
Krankheit Hatte so verheerende Spuren
in das 'Antlitz des jungen Kaufmannes
gezeichnet, daß selbst von lernen näheren
Bekannten mancher sicherlich 'Mühe gc
habt haben würde, in dem bleichen,
hohlwangigen 'Manne mit den farblosen
Vippeu und den tiefliegenden Angen den
einst so ritterlichen und elastischen Jas
mund wieder zu erkennen, seit zwei
Tagen erst war es ihm von dem bebau
delttdctt 'Arzte gestattet worden, sich im
Freien zu bewegen ; aber seine Kräfte
waren noch so gering, daß er nur kleine
strecken ohne Unterstützung zurück
legen konnte, und daß er selbst vor der
Anstrengung längeren sprechen ge
warnt worden war.
Bis vor einer Haibett Stunde Hatte
Thomas 'Rvcholl den beiden jungen Leu
tett Gesellschaft geleistet ; dann abcr
halte cr sich verabschiedet, um kitten Bc
such in der Rachbarschast zu machen,
von dem er voraussichtlich erst in spater
'Abendstunde zurückkehren konnte. El
friede, die mit einer Handarbeit be
schästigt war, hatte anfänglich versucht,
das durch ihres Vaters Entfernung
unterbrochene Gespräch lebendig zu er
halten, aber dic einsilbigen und zerstreu
te Antworte ihres Gesellschafters
hatten auch sie um so eher verstummen
gemacht, als ihre eigenen Gedanken
offenbar bei ganz anderen Dingen, als
bei dem gleichgiltigen Gegenstände ihrer
Unterbaun:!. z weilten ,
Walter astuuuds Schwcigcn flbci
mochte wohl eine andere Ursache haben
als die ihrige. Daß cS nicht Gleich
giltigkeit ßcf.cti seine schöne Gesellschaf
terin ivar, was ihm so hartnäckig 'die
Lippen verschloß, dasür zeugte nur zu
beredt sein heißer, begehrlicher Blick, der
unverwandt mit ihrem leicht geneigten,
reizende Köpfchen ruhte. Elfriede
hatte sich so angelegentlich über ihre
s?ine Arbeit gebeugt, daß sie von dieser
unausgesetzten Beobachtung so wenig
etwas bemerkte, als sie baö seltsame
Flimmer und Glänzen in den Augen
oes cxiteietidctt iah.
Von dein Augenblick an. da der Kranke
zum ersten 'Male wieder mit klarern Ve
wußt sei tt das Bild seiner Umgebung
hatte in sich aufnehmen können, bis zu
dieser Stunde war Walter Iasmuuds
Dasein nichts Anderes gewesen als ei
ttuaiishörlicher Kampf gegen die mäch
tigste Versuchung, die ein von verzeh
render Leidenschaft erfülltes Maiiueö
herz jemals zu bestehen gehabt. Diefes
holdselige Geschöpf, dessen unmuthige
Bewegungen er so oft mit den Blicken
verfolgen dürfte, wettn eS sich geränfch
los in feinem Zimmer zu schaffen machte
er lieble es ja mit einer Glttth, für
deren Ausdruck die stammelnde mensch
liche Sprache viel zu artn und schwach
gewesen wäre. Und wenn Etsriede sich
in jenen ersten Tagen der beginnenden
Genesung unschuldig und ahnungslos
über sein Vager gebeugt, um ein (las
au seine Vippen zu setzen oder theilneh
meud nach seinen Wünschen zu fragen,
dann hatte er oft die Finger in die Veiu
tücher seines Bettes gekrampft. nur um
seine Arme nicht in unwiderstehlichem
Verlangen um ihren Racken zn schlingen
lind ihren Mund zu dem sättigen herab
zuziehen ms die Genüir hin. seine Seele
X
und nicht einmal der Schalten eines In
seit Bedauerns flog über ihr Gesicht, IS
sie erwiderte : sie wissen, daß wir Ihre
Anwesenheit auf '.Viclicnthm nicht als
cittc Vast cnipfiuocn nud daß es wahr
scheinlich viel besser wäre, wenn Sie
hier Ihre volle .Kräftigung abwarteten,
ehe sie nach Berlin zurückkehren,"
Dahin zieht mich allerdings nichts,"
sagte cr. und es gelang ihm nicht gant,
seine Enttäuschung über ihre kühle Ant
wort zu verbergen, Abcr ich fürchte,
meine lange Abwesenheit von Kliffbont
wird den wichtigen Arbeiten, dic dort
im Werke sind, nicht zum Vortheil ge
reicht haben."
Zu solcher Befürchtung haben Sie
doch wohl wenig Grund. Befindet sich
bic Vcitung dieser Arbeiten beim nicht in
den besten Händen ?"
so hoffe ich allerdings. Mein Be
vollmächtigter. derOberbergratl, starcke.
verdient sicherlich mein uncingcschräitltes
Vertrauen."
Elfriede neigte das Gesicht wieder aus
ihre Arbeit, aber es entging Walter
Jasinnud trotzdem nicht, daß sie tinbc
greislicherwcise lebhaft erröthete, wäh
rend sie antwortete: Und ein minde
stens ebenso großes Vertrauen verdient
woll auch der Manu, dem Sie die Er
haltung Ihres VebeuS vielleicht allein zu
danken haben. Ich bin überzeugt, daß
sie selbst Ihre Interessen nicht besser
würden wahrnehmen können, als es
durch Herrn Wolfram geschieht."
Die Wärme, mit bcr sic von dem
Fremden sprach, weckte eine argwol,
Nische Regung in Walter Iasniunds
Herzen.
Ich dars Ihnen nicht widerspreche,
da ich ja bis zu dieser Stunde noch nicht
das Vergnügen gehabt habe, Herr
Wolfram kennen zu lernen. Aber wenn
er mir wirklich ohne mein Verdienst eine
so außerordentliche Theilnahme erweist,
war, verschmäht er es beharrlich, mei
nen Dank dasür ii, Empfang zu ueh
inen? Wenn stau weniger Viertel
stunden Tausende von 'Meilen zwischen;
Kliffbont und Melleuthin lägen, köuute
nieiue Uttkcitntntß dessen, was sich ans
meinem Gute ereignet, wahrlich nicht
vollständiger sein. Den ObcrbcrgratH
mag die Vast seiner Geschäft entlehnt
digen, und er fürchtet auch vielleicht,
hier wenig willkommen zu sein, da zwi
scheu Ihrem Herrn Vater nud ihm aus
Gründen, dic mir unbckannt sind, nicht
gerade freundliche Beziehungen zu be
stehen scheinen. Herr Wolfram aber
wird offenbar mit Ihrer besonderen
Freundschaft beehrt, und ich zweifle
nicht, daß er sich sehr häufig auf Mel
lenthin eiiifindct. Warum suchte er
mich bishcr niemals auf, um mir eilten
Bericht über die Fortschritte der Kliff
dvrner Arbeiten zu erstatten, und wäre
eS auch nur mit zwanzig oder dreißig
Worten ?"
Seine Wangen hatten sich geröthet,
während er rasch und anhaltend sprach ;
Elfriede aber achtete nicht darauf, und
eine leichte Traurigkeit war in ihren
ebenjiach heiteren Zügen.
ie sind im Irrthum, wenn Sie
glauben, daß Herr Wolfram häusig zu
uns komme. Seit dem Tage, an dem
er feine Stellung ans Klissbvrn angc
noitttitctt hat, ist er nur zweimal hier ge
wesen, und ich das heißt, mein Vater
und ich wir suchen vergeben nach
Gründen, die nn sein Fernbleiben er
klären könnten.-
So werden Sie sich eben in ihm ge
täuscht haben, wie man sich fast immer
in. den Menschen täuscht, denen man