— Die Ruhe-minnen Ein Großstadtbild von P a ul O s - lar Hocler. Frau Meißner wußte an den Por tisetsleuten eigentlich ni t Besonderes auszusehenz aber — elbst linder lss —- konnte sie dieses mit Nachkom men so gesegnete Ehepaar nun einmal nicht ausstehen. Und der Gedanke daran, daß sie, die Frau des Besi ers des Grundstückes, am Tag vor O ern in einein Zwist mit der Frau Reich den Mirzeten gezogen, ja, daß ihr eigener satte dieser heimtilckiseh-verstockten Frau Reich ausdrücklich vor ihr, sei nem Eheweih, recht gegeben hatte. war im Stande gewesen, ihr noch die ganze sechswöchentliche Tiroler Sommerreise zu vergällem Natürlich s— ihm auch. Als sie auf der Rückreise am Athen see im Gasthof Rainer so sentimental »Verlassen bin i« singen hörten, und weichere Gefühle dabei die Brust des Gatten durchzogen, war es ihr dann doch noch gelungen, ihren Willen durchzusehen »Na, meinetwegen denn«. sagte Herr "Meißner, der von seinen Vorfahren weder allzuviel Mutterwitzsznorh beson dere Menschentenntniß, sondern ledig lich ein slottgehendes Möbelspeditions geschäft geerbt hatte, »wenn wir also mit Gottes Hülfe übermorgen heim kommen, dann fliegen sie ’raus, die Reichsk« Und nun fuhr die Gepäckdroschte vor dem stattlichen Haus in der Rollen dorfstraße in Berlin »W:« vor. »Ja, aber was ist denn das, was fällt denn dieser Gesellschaft ein?·« rief Frau Meißner äußerst erregt, denn dxf Hausthür stand sperrangelweit o en. - -- -- « All-W Ukc PUULPLI qlcll lllll sclllcl Entrüftung über diese Pflichtvergessen- » beit nicht zurück. Arn Besten, er machte sofort glatte Rechnung, dann hatte »er’s hinter sich. Meißners traten also in die Por tierzwohnung ein. Der vordere große Raum des halb unterirdischen Ge schosses war fast leer. Es standen nur zwei alte Rohrstiihle mit ditrchgedriick tetn Sitz, und die zerbrochene Wäsche-. rolle, die von den früheren mit dem sgesamrnten Meißnerschtn Weinber-j rath durchgegangenen Psörtnersleuten sals Etsch zurück elaf en worden war. » Reich war von Beruf Neubau- Nacht wächter. Er schlief daher häufig arnI Tage. Frau Meissner hielt es also für geboten, in die intimeren Gemächer nicht weiter einzudringen. Mit ihrer hohen, spitzen Stimme rief sie den Na men des Pflichtvergessenen laut mehr-; mais hintereinander wW da her doch Berschiedenes’ anfi« sagte der Hausbesitzer nach einer kleinen Pause und suchte sich m die fiir die Auöeinandersetzung mit den Por tiersleuten nothwendige Kriegsstims mung zu versetzen. Dröhnenden Schrittes durchtnaß er den Raum. Der daran anstoßende war selbst dann, wenn die Sonne schien, »so finster-, daß man regelmäßig über die ausgetretene Stufe itolperte. »Ist denn Niemand hier -— zum Donner-wettet noch einmal!« polterte Meißner. Seine Gattin meinte: »Die Lahme muß doch wenigstens- da fein! Da kehrt man nun erstischt und fröhlich von der Reise heim, und gleich geht der Aerger wieder los! Jetzt erklang Kindern-einen aus der dunkelsten Ecke. Es stand dort so et was wie ein Bett. »Wer ist da? Bist du’s, Marie?« Das Wimmern ging in Schluchzen aber. »Warum antworiest du nicht? He —- du!« Frau Meißner hatte ihr Ta-. schentuch gezogen und Umfiichette ihre immer etwas rotbe Nase »Das ist ja eine Atmosphäre hier — zum Unitin men! »Sie lüften eben nicht genug. Und das nasse Zeug, das sie da zum Trock men aushängen! Die Reich wäscht für fremde Leute, die Feuchtigteit greift dieWiinde an. Jch hab ihr’s schon hundermal ges agt.-«l . vWeiß-irr setzte seine grimmigste Miene auf, trotzdem das Kind ihn kaum ertennen konnte. ,,Wo ist dein Vaters« fragte er kampfbereit. »Vate: ist nicht da!« Zank- endlich ’tläglieh aus der Ecke »So? Na —- hm. Na, das wird mir ja immer schöner hier. Und die ,Mntter, die ist natürlich auch wieder fort? Wieder auf Arbeit, was-? Und lhier sieht die Hausthüre auf -—s- Mord nnd Todtschlag kann passiren.« . Frau Meinner begann es in der feuchten Kellerlust zu fröftelrL »Wann » ist dein Vater fortgegangen ?« »Ich weiß nicht. " »Spiel) ein verstockces Ding! Wie diese Leute i ren Göhren doch von Jfrüh auf das üaen beidringenf « »Bater ift —- Vater ist —— Vater ist » «tod;!« brachte die Kleine nun schlach « Vot. « WEI- tleine We Das Wort kann To Witten daß hm Meißner »u M nichts zu tagen wußte. du«-Was war er noch bis Abend «fnlyr du WrLiche Kmderstiwmc fut, »und M ging er auf sden Bau MUMM gewesen, nnd die D W gewesen, und da wollte ers-Magen. quifterdiseTnew « se Mist. denn es war noch Gase Mr- ds« - , W Hauern-it nxtzt -— verun »H-« MS INUIIBAUI So, so « "«i·« W san dami« . . " set-er ins-ei uhingegngen it s M. Ja L- war ei « — todt Und Mutter am — gar nicht da, als den Mann kam uno es sagte. Die war wasch-In- Aber da ist sie gleich hin, und die Dame bat sie auch gleich sartaeiassen Und das war so schnecklich, wie die Mutter Isintasn Der Vater war ganz todt. Und jetzt wird er begraben Aber icb konnte nicht mit. Lieschen hast msitaedurft und Edu auch. Und Franz ist Jus der Schub- gdbtir ben deswegenk Frau Meißner war der erste Schreck derart m die Glieder gefahren daß fre sich aus einen der zerrissenen Rohr-stun le hatte setzen müssen. Der Gedanke an den verunaliickten ehemaligen Be wohner dieser dunklen, dumpfen Rau me verursachte ihr dann aber plötzlich ein starkes Grufeln, und sie lehrte schleunigst zum Tages: icht zurück. Ausgeregt athmend stürrnzte sie die ijeppe empor. Anna, die Köchin d: e seit Sonntag von ihrem Landurlaub zurück war, zog gerade die Jalaussen aus. Ganz lonsus verlangte die Hausfrau von dem erfchrockenen Mäd chen weiteren Bericht iiber das Unglück bei den Reichs Meißner solate seiner Gattin erst. nach einer geraume-n Weile. Frau Reich war gerade mit ihren drei Kin dern vom Friedhof « · kehrt, da mußte er sich erst noch den rgang der Sache mustiinvlich beschreiben iassen.« - Darm aber stellten sich Diensimiidi chen und Bnditerssrauen aus der Mrschaft ein. Es war ein-e Art Trauercour, welche die Wittwe ab nahrn Aussiibrlich wurde besprochen, daß Bankier Meyer aus dem Parterre fünfzehn Mart geschickt hatte. Und die jung-e Frau ffirnhuber van vorn vier Treppen hatte selbst einen Kranz heruntergebracht Die Actien- ·Ge5-l! ’ schast, vie den Neubau aufführen ließ,; hatte nvckr nichts von sich hören lassen j Der Destillateur von der Ecke Eneinte.1 die Frau Reich werde klagen müssen i um überhaupt etwas heraus zu bei-sm men. Sobald man auf GeEdsackden w sprieckkn kam, empfahl sich Meissner. Er wollte sich in sder ersten Mitleids regung nicht etwa zu Bersprechursgen bin-reißen lassen, die ihn vielleicht thin tekbek gereuten. Die Hauptfrag.-. kit ven Boantivartuna aber lediglich s:7ner Frau zustand, war nun: flogen Reichs oder blieben sie? l Frau Reich erfuhr erst am dritteri Tage nach der Besiattunsasseiertichteih weich eis- Dampeiksschwm über ihm-J Haupte Mel-webt hatte. Die Frau des! Hausbesitzer-s war die einzige reimt ganzen Grundstück. die ihr nicht in ders iiblickxen und sür Wäschetommode tran Brotsvitnd lutrativen Weise konsolicrt hatte. Auf der-n Umwesge iiber Anna, die Köchin, erfuhr sie dann, worin »Ja-« Lllieißner'sche Trauerangebinde besteer darin, daß Frau Reich mit ihren Kin- - dern noch Jus auf Weiteres« im tin-i ikxgeschoß wohn-k- bieibeu viixfk ! Frau Reich wußte schon längst, daß? sie bei Frau Meißner keinen Stein im Brett hatte. Seit jenem Zwiste mit der Portierssrau war Frau Meißner höchst erbost aus sie. ’nd ihre vier Kinder konnte sie ibr schon gar nicht vergeben. ; Da mußte nun »geaxt und geschi-l tet,, werden, um der Hausbesitzerin zunächst einmal jeden auch nur einiger-« maßen plausiblen Kündigungsgrund zu nehmen. Frau Reich besorgte alfd am Sonnabend, vom sünsjährigenEdu unterstützt, die hausreinigung, die bis her die Haupttagsthiitigteit ihres Gat ten gebildet bei e. mit einein bewun-’ dernswerthen E fer. Die Treppentep:z piche abnehmen und wieder anbrin-: gen, sie liopsen und bürsten, alle Flur senster sauber machen, die Vordersten-« pe segen, die Hintertrevpe scheitern und auch noch den Hof und den Hausslur aufwaschen —- alles an einem einzigen ;Tage, das sollte ihr einmal eine andere nachmachen! I e Vl( UUUI Ullful skcc III-I kcllcll succ zen Waschlobn ausfallen lassen müs sen. Die Hausreiniguna loftete sie al so ihre Zwei Mark fünfundsiebzingeni nig, außerdem das warme Essen, von sdem sie doch immer noch für ihre Kin der hatte mitbringen lbnnen. Heute ihatte e"-— nur Kaffee und Kartoffeln ge sgeben. s Todmiide saß sie Abends da Und trechnete der kleinen Lahmen vor. Die wuchs zwar «an ohne jede Schulbil dung, aber manchmal hatte sie ganz vernünftige Einfälle. »Du, Mutter, die Streichern kriegt Idoch nur eine Mart fünfzig fiir den Tag, wenn sie zu Meyers scheuern kommt. Geh du doch nächste Woche ruhig wieder wafchen und nimm hier für’s Haus die Streichern an. Dann ift noch immer eine Mart fünfund zwanzig übrig und das Essen« Das gian ihr tags darauf immer im Kopf herum, während sie in Der Nachbarschaft wusch, und fo all-»vier te sie denn richtig, bevor sie heimkehr te, mit der alten Streichern für die nächsten Sonnabendc. Inzwischen war ein Herr von der Aktiengesellschaft daheim gewesen, wo er nur Franz und Marie antraf. Der« Herr bemerkte Reich habe wi der feine ausdrückliche Instruktion ge handelt, ais er nach Eintritt der Dun kelheit das Baugeriift betreten habe; die Gesellschaft sei also zu nichts ver pflichtet. Aber wenn Frau Reich schriftlich sich aller etwai en Ansprüche begeben wolle, fof folle arie in das Dancketberg’f-che Siechenftift in Tegel aufgenommen werden und fei dann bis an ihr Lebensende verlor t. Daran ward in den streifen der Nachbarn hin und her beratben. Der Destillalenr war nun erft recht für-'s Magen agen. Aber rau Reich hatte weder Geld noch Mut dazu nnd nahm das « Anerbieten der Baugefellfchaft on Zwei Tage später hielt bereit-z eine Droschte vor dem Haue-, um die Klei ne abzuholen. Meißneris standen am Fenster nnd sahen zu. Sie meinte: »Was doch fiir ein Aufhebens mit den Leuten gemacht wird. Und die Unruhe, die unsereins davon hatt« « Allzuoiel Familiensinn wagt-bei den Reichs übrigens nicht vorhanden. Auch die Eheleute hatten einander ja »nur selten gesehen. da er Nachtwächter war und sie im Tagesdienst stand. Die Kinder ewiihnten sich also rasch daran, da die Ecke, in der die Lahme gelegen hatte, leer geworden war. Bloß Edu, der von Marie immer beschäftigt worden war, vermißte die S wefter. und Frau Reich mußte den Längsten von jetzt an immer zu ihrer weits sielle mitnehmen. Am zweiten Sonnabend kam Mit tags Franz ganz aufgeregt in die Waschtiiche gelaufen und meldete, Frau Meißner habe soeben, als er aus der Schule«lam, einen Mordsstandal Zemachh daß eine fremde Person die eppiche klopfe. Das dulde sie nicht, und sie, die Reichs, müßten-noch heute ihre Siebensachen packen. Frau Reich hatte nur eben noch Be sinnung genug, um nach dein Feuer zu ;sehen, die Hände flüchtig adzutrocknen Jund sich die haare aus dem Gesicht Zu streichen. Dann setzte sie Edu ans Fenster-, wies ihn strenge an, sich nicht zu rühren, und eilte heim. »Das ist eine rabenschwarze Un dankbarteit,« schrie Frau Meißner in tiefster sittlicher Entrüsturåg »Noch eben lasse ich Gnade vor echt erge hen, weil ich Mitleid mit Ihnen habe, weil anen der Mann gestorben ist, unsietzt schleppen Sie mir Krethi und Plethi in’s Haus herein! Das nennen Sie Pflichterfüllung? Still, ich ver bitte mir jede Widetrede, sonst ist un ser Kontratt noch in dieser Minute ge löst. Ueberhaupt —- gestern stand ich eine halbe Stunde vor der Thür aus der Straße, ioeil mir niemand auf-: macht-« Und so gin das Straireaister weis ter. Wenigs ens trat das Aller schlimmste nicht ein. Ader der Schluß lautete: »Sie sind nun gewarni, meine Beste. Wenn mir so was noch ein ein zigesmal vorkommt, dann kenne ich kein Erbarmen mehr." Für den Rest des Tages stellte Frau Reich also ihre Kinder an, damit die da-; Großreinmachen im Hause zu En de führten. Und die machten ihre Sache so gut, besonders der über feine Fahre verständige dreizehnjährige : ran3, daß sie die Woche darauf die Kinder ganz einfach aus der Schule zurückbehielt und wiederum mit dem ehrenvollen Auftrag des Reinmachenå betraute So sehr die Hausbesitzersgattin auch diesmal und die folgenden Male sich anstrengte, Fehler zu entdecken: sie hatte beim besten Willen keine Aus ftellung zu machen. Aber die Schule war mit dieser Anordnung nicht ein verstanden. Ein paarmal gab’s Ver warnungen, dann ein Verhör auf dem Polizeibureau durch den Revier-vor stand, und schließlich kam der erste Strafzetteh Frau Reich nahm ihre Kinder an die Hand und lief zur Gemeindeschule. Eg- war ader Niemand zu sprechen. Da hielt sie nun dem Schuldiener eine sulrninante Rede. Der versprach ihr wohlwollend, ein gutes Wort fiir sie »oben« einzulegen Aber hatte er «oden« nicht genug Einfluß oder war er wortbriichig geworden — kurz, die Woche darauf kam ein neuer Straf-et tel von der Polizei, und diesmal war ge Geldstrafe sogar noch erhöht wor n. « Nun verfügte sich Frau Reich mit den beiden Zetteln auf die Straße, um bei den Nachbarn Umfrage zu halten. Vor dein Nebenhaus stand ein Schuh mann, derselbe, der sie damals vor den Reviervorstand geführt baiie »Ja, wie denken Sie sich das eigent lich, Herr Wachtnieistet?« be ann sie. »Wenn ich nicht verdiene, wer oll dann für meine Rangen sorgen? Und sau ber gemacht soll das Haus sein. Nachts darf ich nicht scheuern, das siört die Herrschaften Ja, was bleibt denrH übrig, als daß meine Göbren mit-band anleaen «« . . Der Schutzmann bewies ihr. daß sie sich »trotz alledem« ftrasbar gemacht habe, und ibr nur Zu rathen sei« schleu nigst zu zahlen. ’ Die Scene hatte Publikum angezo gen. Von der Arbeit und den Sor gen iiberreizt, gerieth nun Frau Reich »in sinnlosen Zorn. Sie zerriß die bei soen Zettel, warf sie dein Schunniann Lvor die Füße und schrie, es sei eine lSchande, wie man arme Leute drang Tsaliere, sie zahle nicht, ihretwegen mö sge kommen, was wolle. . Dann ging sie wieder waschen. Den ganzen Tag weinte sie. Und Edu, der davon angesteckt ward, heulte so jäm merlich, daß die Dame, bei der dieReichI arbeite . ibr Mädchen in die Wasch lüche s ickie und ihr sagen ließ: wenn sie den un ezogenen Schreibals noch einmal mit ringe, so werde man sich nach einer anderen Wäscherin umsehen. Es war von nun an auch aus einem weiteren Grunde geboten, Edu dabei-» u lassen. Meißners waren nämlichl abinter gekommen, baß in der Zeiss während beten die beiden ältesten Reichs in der Schule weilten, das-Haus überhaupt offen stand. Von Meyer-L ren Firnhuberz Und von Rittmeisterö waren ani gieichen Tag Beschwerden darüber eingeiaufem daß neuerdings allerlei Michel irW baue seen-ne und durch das fortwährende-» Anllingeln sund Betteln saftig falle. Derlei Voll g miisse doch durch den Portier fertige halten werden. »Natürlich wozu ist er denn sonst da rief Frau Meissner empört. »Wo zu hält man sich sonst.die Leute und giebt ihnen die Wohnung umsonst? Sie leisten nichts, rein nichts.« Nun bekam also auch der tleine Edu sein verantwortungsreiches Amt: er mußte tagsüber, solange die Geschwi ster in der Schule waren, im vorderen Raum sitzen, und wenn es tlingelte, auf die Wäscherolle klettern, in mög lichst tiefem und barschem Tone durch das kleine, dicht am Erdboden befind liche Fenster hinaufrusent »Zu wem wollen Sie?« —— und dann erst die Haustdiir öffnen. " Eine Zeitlang machte ihm das Vet qniigen, dann aber tangweitte es ihn, und der Trieb, zu spielen, brach bei dem Kinde durch. Leider wurde es, wenn schlechtes Wetter war, in der »Kellerwohnung«, wie man in Berlin solche halb unterirdische Räume nennt, sehr sriih dunkel. An einem trüben Novemberta war es schon um drei Uhr stockfin er da unten. Eigentlich war es Lieschens Amt-Licht anzuste cken. Ader sie war doch noch nicht aus der Schule da. Wenn er es statt ihrer thiite! Mutter wiirde es ja nicht er fahren. Die war nun schon den drit ten Ta nicht nach Hause gekommen. Die Ge chrvister sagten, sie miisse sitzen. Aber das dürften ums Himmels wil len Meißners nicht erfahren, weil sie sonst alle aufs Pflaster geworer wür den, meinte Lieschen. Ja, weil Lieschen und Franz Sonn-— abends nicht in die Schule gegangen waren, mußte Mutter nun drei Tage lang innen Das erste Streichholz wollte nicht, das zweite auch nicht, ader die Kuppe domdritten sprang zischend ab und gerade in die Ecke, wo Vater tagsiider immer geschlafen hatte, wenn er nicht aerade die Treppe seate oder den Hof ausscheuerte oder Teppiche tlopste. Da lag jetzt allerlei Geriitnpel und Gelumpr. Es tauchte und roch ein biß chen und schwellte weiter. Erst niertte Edu es nicht, und als ers merlte, ge rieth er in solche Angst, daß er nichts besseres wußte, als heulend sein Gesicht in Mutter-s Bett zu stecken. »Es brennt!« rief nliiylich die Kö chin von Mehers aus dem Parterrr. Alles rannte an die hintersensten Richtig« eine helle Flamme erleuchtete die Kellerwohnung. Die Scheibe war fa freilich dort nur klein. hin und wie der verdunkelte auch der Rauch den kleinen Lichtdurchlaß. Aber es war zweifellos« drunten brannte es· Gerade riß der Bursche des Ritt meisters, der im Zweiten Stock wohnte, die Hausthür aus« um zum nächsten Feuermelder zu eilen. als die laute, schrille Stimme der Frau Meißner draußen aus der Straße erklang. Diese war bei der heimkehr unmit telbar vor dem Hause mit derPortiers srau zusammengetrofsen Frau Reich trug ein kleines Bündel unterm Arm und wollte sich an Frau Meißner scheu vorbeidtiicken, die hatte sie aber wohl erkannt und hielt sie sosort aus« um ihr wieder Vorwijwrse über Vernach lässigung ihrer Portierspsltchten zu machen. Jest ward sie jäh durch den Feuerlärm unterbrochen Frau Reich iam aus dem fernsten Osten Berline· All ibr Nellamieren, Bitten, Drohen,Schimpsen hatte nicht-J gefruchtet. Sie hatte das- Strafmans » dat weaen fortgesetzter Schulversiiurni niß ihrer Kinder trotz ztveirnaliger Mahnung nicht bezahlt; nun war ihr angeliindigt worden« daß. falls das Geld nicht innerhalb drei Tagen da sei, sie die Strafe absihen müsse. Und stelle sie sich nicht freiwillig, so würde sie durch die Polizei abgeholt. Was konnte fte da Besseres thun, als sich be reit erklären. die Strafe abzusi en? Sie bat nur. über den Sonntag itzen zu dürfen, damit sie nur zwei Arbeits tage verliere. Das war ihr bewilligt worden. Sie ging also in’·s Gesäng niß und genoß dort sie Ruheiage, so ziemlich die einzigen die sie gehabt hatte, solange sie zurückdenlen konnte Aber es drückte sie doch, daß sie nun ge Bssen hatte, und fast scheu. wie eine erbrecherin, schlich sie heim. Na, es wußte ia am Ende Niemand, das trö stete sie. Aber als Frau Meißner sie so plötzlich ansprach, glaubte sie schon alles verrathen. ",,Wo stecken Sie denn überhaupt nur immerzu?'« rief die Hausbesißersgak tin. »Gestern — am Sonntag, haben Sie doch nicht gewaschen? Frau Reich, ich warne Sie-zum letztenmal! Lassen Sie mich meine Langmuth nicht be dauern . . .«' Ta wurden beide vom Burschen des Rittmeisiers beinahe über den Haufen gerannt Herr Meyer hatte gleichzeitig das Fenster neben der Oausthiir ausgeris en. Gerade warf er einen Blick aus die Straße. n der Verwirrung hielt er den dompö en Damenhut unten für den seiner Gattin —— die beiden Frauen s trieben in diesenr Artikel eine leiden-i schriftliche Konturrenz — und rief mit! berichteimter Stimme, während er die» Bündel seiner Geschästapaptere hastig; »in einen Koffer zusammenwarft »Sel ma, erschriet nicht« es brennt imhaus.« »Es brenntim kreischte Frau Meiks nn, »Wi- denn, um Gottes willen « » Und nun war ein Tumult da. wie ihn das würdige herrschaftliche haus Ewig aller Portierstandale bis seht doch Ino nicht erlebt hatte. Das Schlimmste war:sFrau Reich besaß den Schlüssel Zu ihrer Messung ar nicht. Franz hatte ihn. ahe cheinlich hatte er den lieinen Edu ein geschlossen damit der nicht wieder auf — die Straße renne und sich verlaufe, wie neulich, wo ei- ihn von der Schule ab holen wollte, und wo man ihn schließ lich von der Polizeimacht hatte abho len müssen. Wie nun in die brennende Keller wohnung kommen? « »Der Edu ist drin —- gewiß ist der Edu drin!« jammerte Frau Reich. Sie rüttelte an der Korridorthiir, dann lief sie uber den Hof und polterte an der hinterthiirr. music-ahnen Ente richtige Rahm mutterk Das Kind tann da drinnen ja bei lebendigem Leibe gebraten wer den t« schrie Frau Meißner. Dazwifchen trachte, jammerte rau Reich: »Edu Ernt, bist du da? ni worte doch!·' Endlich gab’s einen Krach. Frau Reich hatte die Fällung der Hinterthiir eingetreten, um in den dick mit Qualm erfüllten Raum einzudringen Als wenige Minuten später ein Wa gen der Feuerwehr oorfubr, fand sie nicht viel zu löschen: bloß die beiden Matra en der Reichs, ein Kasten mit altem eriimpel und zwei Kisten mit Stroh hattendem Feuer zur Nahrung gedient. Viel mehr war überhaupt nicht vorhanden gewesen. Es brauchte nicht einmal das Sprihenrohr ange schraubt zu werden: ein paar Eimer Wasser machten dem ganzen Feuer ein rasches Ende. Aber eine Verwundete gab’«5: die Frau Reich Sie hatte sich durch den ersiickenden Qualm nach dem Hoffensier getasiet, um die Scheibe einzuschlagem Dabei hatte sie sich verletzt. Das Blut schoß ihr in dickem Strom aus dem Handge lenk, in das die scharfe, zackige Kante eingedrungen war. Hustend schleppte sie sich trohdem weiter, hielt sich an der Wand und stieß fortwährend den Namen ihres Jüngsten aus. Endlich fand man Edit. Oben auf der Wafcherolle hockte er. Er ichlics— obs- Inno- nnm Junos-b cis-Inn fass-HIka Jnstinttiv hatte es ihn zu der einzigen Stelle getrieben, an der er frische Lust bekommen konnte. Er hatte es bloß noch nicht gewagt, das Gucksensterchen zu öffnen, weil er draußen doch Frau Meißner hörte, die natürlich gezankt hätte, wenn sie den dicken·Rauch im Keller mutte Nun kamen auch Franz und Lies chen endlich heim. Alles zantte, schrie, fragte. Zum Uebersluß gesellte sich jetzt auch HerrMeiszner hinzu und stell te Verhöre an. R »Unglaublich!« sagte er. »- »Un glaublich!'« sagte auch seine Frau. Das sagten eigentlich alle Hausbe wohner· Die «Rabentnutter·· hörte aber nichts mehr davon. Der Feuer wehrobmann hatte einer Droschte ge pfiffen. die vom Blutverlust schon sasi ohrkrnächtige Frau Reich, der ein Noth ver and angelegt worden war, hinein gepactt. den bustenden und würgenden Edu dazugefctzt, und fort ging dteThat zur Sanitiitswachr. Abends kam ein Beamter, der den jüngsten Reich seinen Geschwistern wies der zusiihrtr. Edu war außer aller Gefahr »und sollte nur zu Bett geben« Morgen früh werde er wohl noch ein wenig Kopfschmerzen haben, aber da ruit sei alles wieder gut, hatte der Dot tor gesagt. Mit, der Mutter war es schlimmen Sie hatte sich die Puls-— ader glatt durchschnitten; es konnte schon einige Zeit dauern, bis sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde Und wiss denn mit den Kassenbeiträ gen sei, ob der here Meissner einstwei len »gutsagen« wolle? Na, da tanr er aber schön an. Frau Meissner war bei der Verhandlung zu gegen und schenkte dem Beamten ern mal reinen Wein darüber ein. was für eine Schlange man bisher den Busen genähert dabe. Geradewegg aus dem Gesangnitz sei diese Person gekommen. Jhre eigenen Kinder sagten es. Und mit dieserRa benrnutter, dieser Brandstifterin, die ser Zuchthauttkandidatin sollte man auch noch Erbarmen hohen? Sowie diese pflichtvergeffene Frau Reich aus dem Krankenhaus entlassen sei, kön ne sie ihre Gesellschaft da unten auf packen und hinziehen, wohin sie wolle. Am dritten Tage ihres Aufenthalts im Krankenhaus durfte Frau ReichBe such empfangen. Franz und Lieschen waren in der Schule, aber die Köchin von Mehers hatte sich Urlaub geben lassen, sum der Partiersfrau den tlei nen Edu zuzuführen. Da erfuhr die Kranke denn briihwarm, was Meiß ners über sie aesagt hatten. Das wa ren traurige Aussichten Die Köchin versprach ja, vorläufig den ,,drei Wür mern« täglich etwas Essen abzugeben, das erlaubte prau Meyer schon, die war darin ni t so engherzig. Aber hernach, was sollte hernach werden? Der Doktor meinte, das könne noch gut bis in den Januar hinein dauern, ehe sie wieder die Arbeit so richtig auf nehmen dürfe. Und wie man sie hier verwöhnte im Krantenhausx Alles war so still und so sauber und so friedlich. Wie sie so plötzlich zu Feiertagen gekommen war s-— zuerst im Gefängniß und jetzt hier. Aber hier war’s doch viel hübscher. Sie waren ihrer sechzehn irn Saal» Am Sonntag spielte nebenan in der Ka lle eine Orgel. Das war zu schön. nd so feierlich. Die neben ihr wein te still vor sich hin. Ja. man könnte doch mal wieder in die Kirche gehen, nahm sie sich vor. Auch mit den Kin Fdern. ? Sie dachte an Mariechen, die kleine Lahme. Daß sie sich won dem Kind hatte trennen müssen! Freilich, dort im Stift gings ihr schon besser, - — als da unten in der dunllenKellerwdb nuna. · Wenn die anderen drei doch auch hier bei ihr wären und so saubeke Betten hätten, jedes ein besonderes. Und sie waren alle so freundlich zu ihr. Ach. war das toaurig, als der Arzt ihr dann endlich sa te, am nächsten Tage werde sie entlassen « Acht Tage hatte sie im Bette gele gen, eine weitere Woche im »Revier« zugebracht Auch jetzt trug sie noch den Verband und sollte zwei Mal in keder Woche beklommen. Jn den letz ten Tagen hatte sie schon da und dort zugesaßt, sich nützlich gemacht, und alle Welt hatte sie gern. Bloß daß die Kinder tein einziges Mal wach ihr ge sehen hatten, das betrübte sie. Thritnenden Auges ver-ließ sie an dem kalten Januarrnorgen das Kran ten-baut Ach, hatten dies aut, die drin bleiben durften! Was sollte sie denn jetzt anfangen « mit dem Arm in der Binde! Eine Rabenmuttesr hatte die Frau Meißner sie genannt. Ja, vielleicht war sie das auch. Sie lonnte sich ganz aut darstellen, daß sie jeßt allem ein Ende machte. Edu ans den Armen nehmen, Lieschen bei der Hand fassen und aus die Kanalbriicke treten, wen-Wi duntel wurde. Was blieb ihr denn sonst noch übrig? In der Biilow Straße setzte sie- sich auf eine der Bänle des Prmnenadeni wegs und dachte nach. Ja, ins Wasser, das war das besie! Freilich, Mit-riechen. konnte sie nicht mitnehmen die war ja auch gut der iorgt. Und Franz —-» so tnntterseeiens allein durfte sie ihn doch auch nicht zit riickinssem Sie weinte laan still dar sich hin. Endlich raffte sie sich auf, subr sich iiber die Augen nnd ging heim. M;- n. t:«t. 8::»c.z-r. Lin-— n:»s. Wss Its Irw ruhn-»s-, equu sur-nun Ioieder gearniiberzutretent Durch die grausamen Gedanken hatte sie sich ib nsen annz eitsremdet· Und sie alaubtr, kdie müßten wissen, was ibr so Schreck klärt-es durch den Sinn ging. « Die Fenster ihrer Wohnung waren sziemlich hell esrtencbtet. Es waren sMenscken drinnen, man hörte Dienst smädchtn schwatzen, dazwischen die lo smisch tiefe Stimme von Franz, die so iosr nach der Höhe umschlun. Zögernd trat sie ein. »Die Mutter! Die Mutter«"! su belten Lieschen und crer »Me, wahrhaftig die Reich’n!« rie: fcn di-: Dienstmädchen bei der Wäsche rolle. Die schien in start-d gesetzt zu sein, denn große Stöße Wäsche lagen da. die schon durch die Rolle aeaanaeir sein mußten. . Franz sagte nat nichts. Die Hände in den Taschen, stand er mitten imKelss ler wie ein Pascha nnd blictte die Miet teio stolz und erwartungsvoll an. »Nee. Mutt:r Neich’n,« meinte der-J Mädchen von Firnliuberg, »aber was Ihre Göbren sind -—- allerhand Hoch achtrma!« »Ja. und besonders Ihr Franz!« siiate die andere hinzu. Franz riilirte iiai immer noch nicht. Frau Reich blickte sich verwirrt und hilflos um. Sie mußte sich setzen. »Aber ganz dici sind Sie Senior-« den imKrantenhanse,Mntter Reich'n!« sagt-e die erstere wieder. »Was ist denn mit der Nolle'2« fragte die arme Wittwe ganz ausge regt. Nun lachte ihr Aeltester. »Ganz ist fre,« saate er, den Geschwistern zu btinszelnin »und wir haben eins Geschäft ausgemacht Die Stunde ’nen Gro schen. Und sie klommen alle, urn bei uns zu rollen —- die »anze Straße.« »Ja. wie ist denn das getornmen?« Nun ersolate die Aufklärung. Franz hatte ej mit seinen Bitten durchge setrt, daß die Strick-er fortan das haus reinigen durfte; so brauchten die Kinder atso Sonnabends nicht mehr die Schule zu lädt-Tänzen- Und waschen geben brauchte die Mutter auch nicht mehr. Irren-users und Rittrneisters und aus dem Mel-aus ebenfalls mehrere Familien wollten ihr vie Wä sche »aus-am hause« geben« Und da hatte sie ja Lieschen zur Unterstütz una. --.- « « -.« .- « Ader pas ome galt-e et Ivcy now ais als Schlußessett autäespaex Er — Fkanz nämlich, ihr eltestee —- hatte eine Zeitungöauötriigerei eingerichtet Er hatte noch neun Jungen unter sich. Bei einem Spediteur in der Lüzonp fxeaße hatte sich das so genascht z tei lich hieß es« alle Morgen um sechs Uhr antreten. Lieschen mußte auch mit, aber das Geschäft ging »Ja —- und Meissner-IV Fkanz lachte. »Der Herr Meißner hat mir soqu die Kaution gestellt Und nun ist er mtt allein einverstan den« Sie hoben ihn nämlich zu unse rem Vormund gemacht. Nächstek Tage mußt du zum Termin, Muttert, dann wirst du alles hören. Jeyt sind wir fein 'raus!« - »Den Meißner ----- zum Vormund?« »Ja, weil sie doch teine Kinder ha den« hat der Wachtmeistet gesagt. Aber taks ist ja bloß so — so den-Un Gesetz. Wir thun ja doch nur« was du sagt-, Matten« Sie saß da und rieb sich die Augen, in denen das helle Wasser stand. Was es für präszttge Kerle waren, ihre Rangent Nem, sie wollte keine Rabenmuttet fein und mit ihnen ins Wasser gehen. Den Kindern stand ixs noch die Welt offen es- Denkst-W « — —- ·e t i.)n sen-n in Mem gesunken